News+Stories: Wenn Sie Ihr Nachbar fragt: Kann ich schon mit Wasserstoff Autofahren oder heizen? Was sagen Sie?
Von uns aus, ja. Karl Kordesch (Anm.: ehemaliger Professor an der TU Graz) hat sich 1971 ein Brennstoffzellenauto gebaut und ist damit in den USA täglich zur Arbeit gefahren. Um die Jahrtausendwende gab es bereits hunderte Brennstoffzellenfahrzeuge im Testbetrieb und heute sind es weltweit einige tausend Fahrzeuge. Verbrennen zum Heizen ist natürlich noch einfacher, aber da würde ich ihnen doch eine Hausbrennstoffzelle mit Wärmeauskopplung empfehlen. Dann haben Sie Strom und Wärme, vor Ort produziert aus Wasserstoff.
Was mögen Sie persönlich an Wasserstoff? Was überzeugt Sie am Wasserstoff?
Ich habe vor über 25 Jahren mit den Themen Wasserstoff und Brennstoffzellen zu arbeiten begonnen, weil ich davon überzeugt bin, dass mit ihnen bessere Energiesysteme realisierbar sind. Das ist der Reiz. Gar nicht der Wasserstoff selbst, der ist das Mittel zum Zweck. Faszinierend finde ich die Möglichkeit, mit Wasserstoff hocheffizient und emissionsfrei elektrischen Strom zu erzeugen und bei Bedarf auch überschüssigen Strom in Wasserstoff umzuwandeln.
Ist Wasserstoff gefährlich?
Die Gefährlichkeit von Wasserstoff wird, da er gasförmig ist, grundsätzlich überschätzt. Aufgrund seines geringen spezifischen Gewichts steigt er bei einem Unfall schnell nach oben und Wasserstoff ist im Gegensatz zu vielen Brennstoffen nicht giftig. Auch die Diffusionsgeschwindigkeit von Wasserstoff durch andere Materialien wird völlig überbewertet. Wasser, das bekanntlich Wasserstoff enthält, wird leider auch in Zukunft nicht als Treibstoff funktionieren.
Wasserstoff allein kann unsere Energieprobleme zwar nicht lösen, aber er kann grünen Strom hocheffizient erzeugen, speichern und transportieren.
Wo macht der Einsatz von Wasserstoff wirklich Sinn?
Durch die Nutzung erneuerbarer Energien wie Strom aus Photovoltaik, Wind oder Biomasse können wir mit Wasserstoff als Energieträger und Energiespeicher eine saubere Energieversorgung sicherstellen und über die Sektorkopplung einen umweltfreundlichen Chemierohstoff für die Industrie bereitstellen. Wasserstoff allein kann unsere Energieprobleme zwar nicht lösen, aber er kann grünen Strom hocheffizient erzeugen, speichern und transportieren. Darüber hinaus kann grüner Wasserstoff fossile Brennstoffe in der Industrie ersetzen und damit Emissionen reduzieren.
Was sind die noch großen offenen Fragen beim Thema Wasserstoff?
Man muss sich fragen, was ist der Zweck des Einsatzes? Wasserstoff wird nicht direkt Benzin oder Diesel ersetzen. Er ist heute nicht flächendeckend verfügbar und kann daher fossile Brennstoffe kurzfristig nicht ersetzen. Für einen flächendeckenden Einsatz muss ausreichend grüne Energie zur Verfügung stehen und es müssen klare politische Rahmenbedingungen hinsichtlich der maximal zulässigen lokalen und globalen Emissionen aus der Energie- und Rohstoffbereitstellung gesetzt werden. Wenn diese Rahmenbedingungen und die notwendigen Investitionen in die Produktion und Bereitstellung von Wasserstoff gegeben sind, wird sich Wasserstoff als die beste Lösung erweisen, um ein sauberes Energiesystem zu schaffen.
Was fehlt grünem Wasserstoff zum Durchbruch?
Ein Hemmschuh sind die Kosten, die Wirtschaftlichkeit. Wir sind alle daran gewöhnt, dass uns fossile Energie überall billig zur Verfügung steht. Kurzfristig kann eine Kostensenkung durch die Massenproduktion von Großanlagen wie Elektrolyseuren im Gigawattbereich erreicht werden, andererseits gibt es noch eine Reihe von Technologien im Laborstadium, die weiterentwickelt werden müssen. Dazu brauchen wir eine Finanzierung im Bereich der Forschung und Entwicklung von neuen Technologien.
Welchen Platz kann Wasserstoff im Energiemix einnehmen?
Wasserstoff ist in gewissen Bereichen der ‚bessere elektrische Strom‘. Damit meine ich, dass dort, wo Strom die Anforderungen der Nutzerinnen nicht erfüllen kann, Wasserstoff eingesetzt wird, zum Beispiel zur Speicherung von Energie, zur Schnellbetankung in der Elektromobilität und zum Transport von Energie über weite Strecken.
Es ist zu hoffen, dass die Energiekrise genutzt wird, um eine dezentrale, regionale Energieversorgung aufzubauen, die sowohl die Importabhängigkeit Österreichs als auch die Treibhausgasemissionen der Energieversorgung reduziert.
Kann Wasserstoff in der aktuellen Energieknappheit Lösungen anbieten?
Es ist zu hoffen, dass die Energiekrise genutzt wird, um eine dezentrale, regionale Energieversorgung aufzubauen, die sowohl die Importabhängigkeit Österreichs als auch die Treibhausgasemissionen der Energieversorgung reduziert. Um dieses umweltfreundliche Energiesystem zu realisieren, werden wir Wasserstoff brauchen. Insofern, ja, Wasserstoff ist Teil der Lösung.
Dieses Interview mit Viktor Hacker ist Teil des TU Graz Dossiers „Grüner Wasserstoff - Hype oder Hoffnungsträger?“. Weitere Dossiers finden Sie unter www.tugraz.at/go/dossiers.