Studieren:
- Eine Hochschule besuchen
- An einer Hochschule Wissen und Kenntnisse auf einem bestimmten Fachgebiet erwerben
- Eine höhere Schule besuchen
- Genau untersuchen, beobachten, erforschen
Es gibt verschiedene Definitionen davon, was Studieren tatsächlich bedeutet, die meisten verbinden damit aber wohl den Wissenserwerb an einer Universität oder Hochschule. Vor dem geistigen Auge erscheint dann schnell ein Hörsaal, in dem gelauscht und eine Bibliothek, in der gelernt wird. Diese zwei Orte sind zwar fester Bestandteil eines Studiums, aber daneben gibt es noch viel mehr – und damit sind jetzt nicht Partys und große Feste gemeint.
Vielmehr geht es darum, auch einen Eindruck davon zu bekommen, wie das Erlernte letztendlich im angestrebten beruflichen Umfeld zum Einsatz kommt. Wenn Studierende dann noch das Glück haben, dass in der Nähe an Jahrhundertprojekten wie dem Semmering-Basistunnel gebaut wird, lässt sich das Studieren mit einem Blick hinter die Kulissen einer der bekanntesten Baustellen Österreichs verbinden.
Wie sich 14 Bauabschnitte fast zentimetergenau treffen
Ein Umstand sehr zum Vorteil von Nachwuchs-Geodät*innen am Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme der TU Graz, das mit dem Semmering-Basistunnel und dem Koralmtunnel sogar nur rund eine Busstunde von zwei Jahrhundertprojekten entfernt und bei deren Vermessungsarbeiten selbst beteiligt ist. So überwachen die Forschenden unter anderem mittels Glasfaserkabeln Verformungen in der Tunnelschale, um rechtzeitig Bescheid geben zu können, wenn das Gestein um die Tunnelhülle zur sehr in Bewegung gerät.
Aber auch unabhängig von der Eigenleistung der Institutsmitarbeitenden gibt es für zukünftige Vermessungsprofis genug zu sehen. Davon konnten sich Bachelor-Studierende der Geodäsie im Jänner 2025 selbst überzeugen, als sie mit Institutsleiter Werner Lienhart zu einer Exkursion zum Semmering-Basistunnel aufbrachen. Alleine für dessen Bau wurden für die Vermessungsleistungen mehrere Millionen Euro ausgegeben. So musste etwa durch jahrelange Vorbereitungen und durch baubegleitende Messungen sichergestellt werden, dass die verschiedenen Bauabschnitte im Berg punktgenau aufeinandertrafen – immerhin wurde von 4 verschiedenen Stellen aus bei 14 Vortrieben an dem insgesamt rund 27 Kilometer langen Tunnel gebohrt und gebaut. Die Aufgabe gelang an allen Bauabschnitten von Mürzzuschlag bis Gloggnitz auf wenige Zentimeter genau, sodass keine kostspieligen Adaptierungsarbeiten notwendig waren.
Veranschaulichung von Fakten
Möglich machte dies die punktgenaue Übertragung des digitalen Tunnelmodells aus der Planungsphase. Dazu erstellten die Vermesser*innen an den Tunnelportalen und den bis zu 400 Meter tiefen Schächten für die Zwischenabschnitte ein hochpräzises Grundlagennetz, indem sie Vermessungspfeiler per GPS-Messungen punktgenau einmaßen. Von diesen Pfeilern aus übertrugen sie die Koordinaten mittels eines Netzwerks an Messpunkten in den Tunnel und kontrollierten während der Bauarbeiten laufend, ob Abweichungen auftreten. Bei den Schächten kam ein Lot zum Einsatz, das mit einem Laserstrahl die Positionsübertragung der Vermessungspunkte bis zu einer Tiefe von 400 Meter unter der Oberfläche möglich machte.
Das wären zwar alles Fakten, die sich auch in einem Hörsaal wiedergeben ließen, diese Informationen aber wirklich am Ort des Geschehens zu erhalten, machte die Abläufe anschaulich und besser verständlich. Neben Werner Lienhart waren Christoph Meyer von der Firma Geodata sowie die ÖBB-Mitarbeiter Johannes Fleckl-Ernst und Michael Trittin bei der Exkursion dabei, um den Studierenden Details zu erläutern und Fragen zu beantworten.
Einmal bis zum Querschlag
Informationen gab es dabei reichlich, immerhin sahen sich die Nachwuchs-Geodät*innen nicht nur ein paar Tunnelzufahrten von außen an. Nach einer Präsentation am Bahnhof Mürzzuschlag ging es vorbei am Waltraud-Stollen, der 1994 als Erkundungsstollen für das Tunnelprojekt angelegt worden war, und dann durch das Tunnelportal hinein in eine jener beiden Röhren, in denen Personenzüge ab 2030 mit 230 km/h unterwegs sein werden. Auf einem mehrere Meter dicken Untergrund aus Beton ging es bis zum ersten Querschlag, der die beiden Tunnelröhren verbindet. Dazwischen jede Menge interessante Erklärungen, etwa zu den Messspiegeln an den Tunnelwänden oder den Verrohrungen am Tunnelrand.
Am Nachmittag folgte der Besuch der niederösterreichischen Tunnelseite, wo in Sichtweite des Portals Gloggnitz eine ÖBB-Infobox zum Bauprojekt die Gelegenheit bot, den Studierenden noch weitere Hintergründe über die Herausforderungen und Leistungen bei der Errichtung des Semmering-Basistunnels näherzubringen. Zum Abschluss ging es noch auf den Infoblick-Turm bei der Baustelle Grautschenhof, von wo aus über zwei Zugangsschächte zwei Tunnelvortriebe – einer pro Röhre – in beide Richtungen verlaufen sind.
Forschungsarbeit fließt in reale Projekte
Student Alexander Arzberger sagte nach der Exkursion: „Es war toll, einmal einen Einblick in ein so großes Bauprojekt zu bekommen, das schon so viele Jahre in den Medien präsent ist und über das auch in der Politik viel diskutiert wird. Wir erfuhren mehr über die Hintergrundprozesse, über die Komplexität so eines Projekts, warum Trassen so geführt werden, wie sie geführt werden, wie die Planung verläuft und warum es mehr kosten kann oder zu Verzögerungen kommen kann. Andererseits war es auch sehr interessant zu erkennen, dass die Forschungsarbeit an den Universitäten nicht nur rein theoretischer Natur ist, sondern direkt in real umgesetzte Bauprojekte einfließt und einen sehr wichtigen Beitrag dazu leistet, dass diese technisch möglich sind. Als Beispiel möchte ich hier die Glasfaserkabel nennen, die beim laufenden Baufortschritt kontrollieren und sicherstellen, dass es bei der Tunnelbaustelle zu keinen Einstürzen oder Verformungen kommen kann. Dieses System ist an der TU Graz federführend mitentwickelt worden und zeigt, dass die universitäre Forschung auch für die Privatwirtschaft sehr wertvoll ist.“
Wem es unter Tage nicht so gut gefällt, kann übrigens auch an anderen Exkursionen des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme teilnehmen. So stehen immer wieder Gebäude- und Brückenvermessungen auf dem Programm. Geodäsie-Studierende durften dabei in der Vergangenheit beispielsweise Messungen im Brückendeck der Aurachbrücke in Oberösterreich durchführen.
Wer sich für die spannende Welt der Geodäsie interessiert und ebenfalls an so lehrreichen Exkursionen teilnehmen möchte, findet an der TU Graz das passende Studium. Gleich informieren:
Bachelorstudium Geodäsie
Masterstudium Geodäsie