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Wirkt sich die Stadt auf das Lüften meiner Wohnung aus?

07.04.2025 | Planet research | FoE Sustainable Systems

Von Birgit Baustädter

Wie müssten Gebäude angeordnet sein, damit meine Wohnung optimal natürlich gelüftet werden kann? Dieser Frage gehen Christoph Irrenfried und das Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung nach.

Christoph Irrenfried und Magdalena Stenech in einem der Windkanäle des Instituts für Strömungslehre und Wärmeübertragung. in dem die Ventilation von Innenräumen in der Stadt getestet wird. Bildquelle: Manuel Rom - TU Graz

Der Grenzschichtwindkanal nach Göttinger Bauart füllt das Labor in der Grazer Inffeldgasse. Die Luft zirkuliert in einem geschlossenen Kreislauf: Unten befindet sich die Messstrecke mit dem Versuchsaufbau, der durch Glasscheiben einsehbar ist, darüber verläuft die Rückführung der Luftströmung.

Die 8,6 Meter lange Versuchsstrecke ist zu mehr als der Hälfte mit blauen Lego-Steinen in regelmäßigem Muster und mit unterschiedlichen Höhen bestückt. Dahinter liegen Modell-Gebäude aus Plexiglas auf einer schwarzen Drehplatte, die sich in verschiedenen Winkeln zur Strömung ausrichten lässt. „Die Lego-Steine beeinflussen die bodennahe Strömung ähnlich wie Bebauung, Vegetation und Topographie im städtischen Raum“, erklärt Christoph Irrenfried, Forscher am Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung. Simuliert werden etwa die Windverhältnisse in und um Graz.

Belüftungsversuche mit Tracergas

Auf der Drehplatte werden unterschiedliche Bebauungssituationen nachgestellt. Zum Beispiel ein Gebäude mit einem Fenster auf nur einer Fassadenseite, wie es in einer Stadt oft der Fall ist, und mehrere Gebäude in der Umgebung, die die Belüftung beeinflussen. „Wir nutzen die Tracergas-Methode, bringen also CO₂ in das geschlossene Modellgebäude ein“, erklärt Irrenfried. „Dann öffnen wir das Fenster für exakt fünf Sekunden bei laufendem Windkanal. Aus der Konzentrationsänderung des CO2 im Gebäude können wir berechnen, wie viel Luft ausgetauscht wurde.“ Die Gebäude können anschließend in unterschiedlichem Winkel zum Wind gedreht werden.

Ein Versuch mit einem Modellgebäude dieser Art brachte spannende Erkenntnisse: Strömt die Luft frontal in das Fenster, ist der Luftwechsel am geringsten, da es vor dem Fenster zu einem Aufstau kommt und kaum Frischluft in das Gebäude strömt. Dreht man das Haus um 90 Grad weiter, sodass der Wind direkt an der Fensterfläche vorbeizieht, ist der Transport schon wesentlich besser. Optimal ist, wenn das Haus um 85 Grad vom Wind weggedreht steht, weil dann die Strömung an der Hauskante ablöst, sich direkt am Fenster wieder anlegt und dadurch gezielt Luft in den Raum geführt wird, die gemeinsam mit der verbrauchten Luft den Raum wieder verlässt.

Getestet wurde mit Drehungen von 0 bis 180 Grad – also auch in Fällen, in denen das Fenster auf der windabgewandten Seite sitzt. Wie sich die Luft genau im Raum bewegt, messen die Forschenden mit Particle Image Velocimetry. Dazu wird in dem Modellgebäude ein Öl zerstäubt und per Laser beleuchtet. Hochfrequente Fotoaufnahmen zeigen die Bewegung der Öltropfen und erlauben Rückschlüsse auf lokale Strömungsgeschwindigkeiten.

Das ist nur ein Versuch von vielen Grundlagenstudien, die am Institut gemacht werden: In anderen Projekten hat man sich den Einfluss von unterschiedlich hohen und unterschiedlich angeordneten Gebäuden auf die Ventilation angesehen – oder auch, wie sich die Länge einer Flughafenhalle und die Anzahl der Fenster auf die Lüftung auswirken. Die überraschende Erkenntnis: Drei Fenster in einer langen Halle führen zu einer schlechteren Luftwechselrate als zwei Fenster. „Wir hoffen, damit einen positiven Beitrag zur Stadtentwicklung leisten zu können“, sagt Irrenfried. „In einer bestehenden Stadt wird das nicht so einfach, aber bei Neubauten kann darauf geachtet werden. So spart man den Strom für die Klimatisierung, und es ist doch großartig, wenn das automatisch nur mit dem Öffnen eines Fensters passiert.“

Wissenschaftliche Herausforderung und sinnvoller Beitrag

Christoph Irrenfried selbst ist von der Vielfalt und den wissenschaftlichen Herausforderungen in seinem Fachgebiet fasziniert. „Die Gebäudeaerodynamik ist unheimlich spannend, und es gibt noch viele offene Fragestellungen. Ich mag es, dass ich gleichzeitig etwas Sinnvolles für die Gesellschaft beitrage und wissenschaftlichen Herausforderungen auf höchstem Niveau gegenüberstehe.“ Und er merkt bei Studierenden, dass Begeisterung entsteht: „Ich halte seit mehreren Jahren eine Lehrveranstaltung zur Gebäudeaerodynamik, und es werden jedes Jahr mehr Studierende, die sich dafür interessieren.“

Kontakt

Christoph IRRENFRIED
Institut für Störmungslehre und Wärmeübertragung
Inffeldgasse 25/F
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 7355
c.irrenfriednoSpam@tugraz.at