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Virtual Reality macht Schule

22.01.2019 | Planet research | FoE Information, Communication & Computing

Von Ingo Suppan

MAROON ist ein virtuelles Labor und ein Learning Management System. Die Lern-Software lässt Userinnen und User mittels Virtual Reality direkt in die Lernumgebung einsteigen.

Johanna Pirker arbeitet mit Maroon – einer Laborumgebung in der virtuellen Realität. © TU Graz

Dadurch können Erfahrungen gemacht werden, die sonst nicht möglich wären. Und: Menschen mit geringer Aufmerksamkeitsspanne können so konzentrierter lernen. Anfang 2019 läuft eine erste Testphase in mehreren Schulen an.

Am Schreibtisch von Johanna Pirker liegt neben drei Monitoren, Tastatur und Maus auch ein Virtual Reality Equipment: ein HTC Vive Headset mit zwei Controllern. Man merkt, hier prallen die virtuelle und reale Welt aufeinander – mit erstaunlichen Ergebnissen bei Lernerfolgen. Aber eine Frage vorweg: Braucht man zum effektiven Lernen Virtual Reality (VR)?

Leichter fokussieren

„Die Generation Z, geboren zwischen 1995 und 2010, kennt seit ihrer Geburt Mobiltelefone und ist eine sehr abgelenkte Generation“, erzählt Pirker, die an der TU Graz am Institute of Interactive Systems and Data Science in der Motivational Media Technologies Group (MMTG) arbeitet. Die sehr schnelllebige Generation ist ständig einer Nachrichtenflut ausgesetzt und hat eine geringe Aufmerksamkeitsspanne. Hier kann VR Abhilfe schaffen, denn mit ihr kann man direkt in eine ganz andere Umgebung eintauchen (Immersion). So ist wieder eine fokussierte, konzentrierte Lernerfahrung ohne äußere Ablenkungen möglich. „Bei VR wird die reale Welt durch jegliche gewünschte, virtuelle Welt komplett ersetzt – das Maß der Stimuli, die auf die Lernenden einprasseln, ist also steuerbar“, betont Pirker und ergänzt:

„Wenn man beispielsweise ein Experiment sehr konzentriert abhalten muss, dann ist VR perfekt. Man kann für eine gewisse Zeit komplett ,aussteigen‘ und hochkonzentriert arbeiten.“

Abbildung 2: In der virtuellen Laborumgebung navigieren die Userinnen und User mit einem Virtual-Reality-Set. So können Experimente einfach und sicher durchgeführt werden.

Am Anfang war TEAL

„Begonnen hat alles mit meiner Masterarbeit bei Christian Gütl von der TU Graz und John Belcher am MIT (Anm.: Massachusetts Institute of Technology)“, erzählt Pirker. Belcher realisierte im Jahr 2000 ein Physiklabor für ca. 1,5 Mio. Dollar, in dem Studierende eine spezielle Lernerfahrung machen konnten: Statt mit frontalen Vorlesungssituationen wurde hier in Dreiergruppen gearbeitet, in denen Studierende mit unterschiedlichsten Kenntnissen und Wissensständen zusammentrafen. Eine Lehrperson, Computer sowie jede Menge Tafeln und Projektoren unterstützten sie dabei bei Bedarf. Das Ergebnis nannte sich TEAL (Technology-Enabled Active Learning) und John Belcher bewies, dass Studierende mit diesem Lernkonzept eigenständiger und auch besser lernen konnten. Johanna Pirker nahm im Jahr 2013 diese Idee in ihre Masterarbeit auf und übertrug TEAL in eine Software Virtual TEAL World, eine Software für virtuelle kooperative Physikexperimente.

Ein Blick in die mögliche Zukunft des Lernens: Ein Virtual-Reality-Headset, das die Nutzerin oder den Nutzer mit einem handelsüblichen Smartphone das virtuelle Labor betreten lässt.

Weiterentwicklung

Wir springen ins Jahr 2017 und zu Pirkers Doktorarbeit. „Die ursprüngliche TEAL-Software war, als ich mit meiner Doktorarbeit begann, bereits sehr veraltet. Ich wollte damals alles neu aufsetzen und verwendete dazu die Unity Game Engine (eine Laufzeit- und Entwicklungsumgebung für Spiele) für bessere Performance und die Möglichkeit zur Gamification“, erinnert sich Pirker. Das erste Ergebnis war jedoch „wenig sexy“, wie sie selbst schmunzelnd einräumt: „Es gab kaum Mehrwert und das Programm war recht unflexibel.“ Doch dann kam das Oculus Rift Development Kit (ein erstes erschwingliches VR-Headset) auf den Markt und es funktionierte mit der Unity Game Engine. Heute besteht MAROON aus verschiedenen Komponenten, die sowohl mit einem VR-Headset als auch im Webbrowser laufen. Es gibt aber auch eine mobile Variante (VR Mobile).

MAROON im Detail

Während TEAL ein „social environment“ ist, spricht man bei MAROON von einem „virtual environment“. Man kann verschiedene Module erstellen und User/innen können sich diese Inhalte gezielt in die Lernstation laden. Erst dann wird man in einen Lernraum teleportiert, in dem man Zugriff auf die zuvor gewählten Module erhält. Die Userin oder der User steht dann in einem Labor, das man allerdings nur mit VR-Brille sehen kann.

Plötzlich kann man zum Beispiel Dinge sehen, die man sonst nicht sieht, wie etwa Magnetfeldlinien. „Es eignet sich für alle Experimente, die sonst zu teuer, zu gefährlich oder zu komplex wären“, fasst die Forscherin zusammen.

In der virtuellen Lernumgebung können einerseits Experimente hautnah erlebt werden, die sonst zu gefährlich oder kostspielig wären, und andererseits Zusatzinformationen eingeblendet werden, die in der „echten“ Realität nicht möglich wären.

Prototypen in Schulen

Eine erste Testphase mit Prototypen läuft ab Anfang 2019 in mehreren steirischen Schulen. Equipment wird zu den ausgewählten Schulen gebracht, Experimente hergezeigt und anschließend gleich getestet, ob die Schülerinnen und Schüler besser, gleich oder motivierter lernen als in einem traditionellen Set-up. Aktuell wird ein Physiklabor simuliert, an weiteren Fächern wie Chemie und Computer Science wird bereits gearbeitet.

Schule der Zukunft

In naher Zukunft könnte der Einsatz von VR mobile Realität sein. Johanna Pirker zeichnet zum Abschluss noch ein Zukunftsszenario: „Jede Schule hat ja jetzt schon ein Physiklabor, ein Chemielabor und Ähnliches. Für die Zukunft könnte ich mir zwei Szenarien vorstellen: Entweder es gibt ein eigenes VR-Labor, in dem raumgroße VR-Set-ups umgesetzt werden können, wie wir es von VR-Cafés zum Beispiel schon heute kennen. Oder eine kostengünstigere Variante, bei der Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit der Lehrperson das eigene Smartphone nutzen, um mittels Headsets in die virtuelle Realität einzusteigen und im Labor alleine oder in Gruppen Experimente durchzuführen.

Dieses Forschungsgebiet ist im FoE „Information, Communication & Computing“ verankert, einem der fünf Stärkefelder der TU Graz.
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Kontakt

Johanna PIRKER
Dipl.-Ing. Dr.techn. BSc
Institute of Interactive Systems and Data Science
Inffeldgasse 16c/I
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 5625
johanna.pirkernoSpam@tugraz.at
jpirker.com