Das Vertical Farm Institute wurde im Jänner 2016 von acht Personen gegründet, unter ihnen Mitarbeitende des Instituts für Gebäude und Energie der TU Graz, und dient in erster Linie der Forschung und Vernetzung in der Vertical Farming-Szene.
Hoch hinaus
Aber alles der Reihe nach. Vertical Farms sind Gewächshäuser, die nicht in die Breite, sondern in die Höhe angelegt sind. Klassische Gewächshäuser bauen ihre Produkte heute nicht mehr in der Erde an, sondern nutzen Hydroponic Systeme. Die Pflanzen wachsen in „Trays“ genannten Pflanzkörben, die regelmäßig mit Wasser und einer Nährstoffmischung geflutet werden. „Das macht sie auch beim Wasserverbrauch sehr effizient, weil nur das Wasser verbraucht wird, das die Pflanzen aufnehmen – alles andere fließt wieder in den Kreislauf zurück“, erklärt Sebastian Sautter. Das Licht, das die Pflanzen zum Überleben und Gedeihen benötigen, kommt bei herkömmlichen Gewächshäusern von oben – also durch das gläserne Dach. „Beim Vertical Farming kann das Licht durch das Stapeln der Gewächshausvolumen nicht von oben kommen. Das Licht kann also nur über die Fassade in das Gewächshaus gelangen. Die beste Belichtung der Pflanzen erfolgt somit direkt an der Fassade. Die Idee ist es also, die Pflanzen zum Tageslicht hin zu transportieren“, erklärt Sautter. „Pflanzen müssen nicht dauernd im Licht stehen. Sie können Lichtenergie speichern und es muss einem nur gelingen, ihnen die täglich benötigte Ration zukommen zu lassen. Dann sind sie zufrieden und wachsen.“Im von der FFG geförderten Sondierungsprojekt „Vertical Farming“ untersuchen Forschende am TU Graz-Institut für Gebäude und Energie, der BOKU Wien und bei Siemens, was aktuell an Erkenntnissen im Bereich Vertical Farming vorhanden ist und in welchen Bereichen man noch weitere Forschung betreiben sollte. Das Projekt läuft mit März dieses Jahres aus. Bereits in Planung ist das Nachfolgeprojekt, in dem man einen Modellversuch in der Tabakfabrik Linz realisieren will.
Per Lift zum Licht
An der TU Graz hat man nun eine Art Liftsystem entwickelt, mit dem die Pflanzen regelmäßig zum Licht transportiert werden. Die Trays sind vertikal aufgehängt und werden langsam im Kreis gefahren. Die Pflanzen bekommen so gleichmäßig das benötigte Licht ab. Zusätzlich können sie in den Morgen- und Abendstunden sowie an Schlechtwettertagen mit künstlichem Sonnenlicht bestrahlt werden. „Da sind wir gerade in der Optimierungsphase und untersuchen, wann wir mit der Beleuchtung idealerweise starten und aufhören müssen. Momentan planen wir, die Lichter um vier Uhr morgens angehen zu lassen und um ca. 22 Uhr abzuschalten – rund sechs Stunden pro Tag brauchen die Pflanzen eine dunkle Ruhezeit.“ Die Farmen dienen aber nicht nur der Produktion von Obst und Gemüse. Zusätzlich ist Energieverbrauchsoptimierung ein wichtiges Thema. Die Trays sollen an Außenwänden als Wärmedämmung dienen und andererseits Abwärme für besseres Pflanzenwachstum nutzen können. Zusätzlich können sie in südlich oder westlich ausgerichteten Räumen für Beschattung und gutes Raumklima sorgen. „Es gibt hier einige Konzepte und wir arbeiten daran, diese zu optimieren. Ideal wäre es natürlich, wenn man eine solche Farm bei einem Neubau mitplanen würde. Man kann sie aber auch in bestehende Gebäude integrieren“, so Sautter.Prototyp soll in Linz entstehen
Derzeit ist der erste reale Modellversuch in Planung. Er soll in der denkmalgeschützten, ehemaligen Portiersloge der Tabakfabrik Linz realisiert werden. „Diese erste Maschine testen wir in einem Innenraum. Es ist nicht ganz ideal, weil er gen Norden ausgerichtet ist. Aber er ist wunderschön und die Fensterfront geht zu einer Straße hin – für die Nutzenden besteht hier also visueller Optimierungsbedarf“, erklärt Sautter. Hinter diese Fensterfront soll die vertikale Farm gebaut werden und die Trays täglich ihren langsamen Rundweg abwandern. Ein weiterer Arm, der in den Raum hineinreicht, ist für die Pflege und Ernte gedacht. Man kann es sich ein bisschen wie ein liegendes T vorstellen. Als Partner konnte der Technologiekonzern Siemens gewonnen werden. Siemens will die Trays mit ausgeklügelter Sensorik ausstatten, die die Wasser- und Lichtversorgung messen und das Wachstum so optimieren kann.So soll der Prototyp in der Linzer Tabakfabrik künftig arbeiten: In diesem Video auf YouTube wird der Plan vorgestellt.
Transparenz in der Lebensmittelproduktion
Das Konzept ist klar auf reichen Ertrag an Obst und Gemüse ausgelegt. „Gleichzeitig wollen wir auch die Verschwendung von Lebensmitteln reduzieren. Derzeit wird rund ein Drittel der Lebensmittel aufgrund von Transportverlusten weggeschmissen. Das gäbe es bei uns natürlich nicht, weil der Salatkopf, der gegessen oder verkauft werden soll, direkt geerntet wird“, erklärt Sautter. Und es geht um Transparenz in der Lebensmittelproduktion: „Momentan kann ich überhaupt nicht sagen, woher mein Obst und Gemüse kommt, auch wenn es auf der Verpackung vermerkt ist. Wir wollen das mit sichtbaren Anbauflächen ändern und so Vertrauen bei den Kundinnen und Kunden schaffen.“Dieses Forschungsgebiet ist im FoE „Sustainable Systems“ verankert, einem der fünf Stärkefelder der TU Graz.
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