„Meine Oma fragt mich jeden Tag, welche Äpfel ich schon gekostet habe“, erzählt Niklas Pontesegger, Dissertant im Institut für Analytische Chemie und Lebensmittelchemie. Der 25jährige Forscher arbeitet in einem Forschungsprojekt daran, die Auswirkungen des Klimawandels – „Eine Erhöhung um zwei Grad wird uns wohl nicht erspart bleiben“ – auf die steirischen Apfelernten zu untersuchen und ihnen mögliche Lösungen für einen zukunftsfitten Anbau zu bieten.
Davon, wie seine Arbeit tagtäglich aussieht, hat seine Oma ein recht gutes Bild: 2020 zum Beispiel besuchte Pontesegger die drei Partner-Betriebe in der Südsteiermark, in Graz und im obersteirischen Sankt Gallen drei Monate lang jede Woche, um Äpfel für seine Forschung zu ernten. Bei der Analyse der Früchte kam eine eindrucksvolle Bandbreite instrumenteller Methoden zum Einsatz: Pontesegger untersuchte die Früchte im Ganzen, legte sie einem Expert*innen-Sensorik-Panel vor, das die geschmacklichen Charakteristika beurteilte, presste Apfelsaft und untersuchte dessen Säure- sowie Zuckergehalt. Um die Antioxidantien zu untersuchen, gefriertrocknete er die Apfelstücke. Und er kochte ein (ungenießbares) Apfelmus, in dem mittels Salz, Zitronensäure und Vitamin C die Enzyme an ihrer Arbeit gehindert werden – so kann der Apfel auch nach der Ernte noch in seiner ursprünglichen Form und im Vergleich mit nicht behandelten Äpfeln die Veränderungen und Abbaumechanismen untersucht werden. „Das Ergebnis ist jetzt nicht unerwartet – natürlich beeinflusst das Klima die Frucht“, erklärt Pontesegger. „Wir sind die ersten, die den Apfel und diese Mechanismen so genau untersucht haben.“
In diesem Versuch wird der Stärkegehalt der Äpfel untersucht. Die Verfärbungen zeigen an, wo sich Stärke im Apfel befindet. © Lunghammer – TU Graz
Für seine Arbeit erhielt Niklas Pontesegger 2020 das Giract Stipendium für PhD-Studierende im ersten Jahr. Diese Auszeichnung soll junge Forschende unterstützen, in der Flavour Research Fuß zu fassen. Mit dem Preisgeld können sie Laborequipment oder benötigte Software-Lizenzen erwerben.
Von organischer Chemie zur Lebensmittel-Sensorik
Seine akademische Karriere startete Pontesegger mit einem Bachelor-Studium der Chemie an der TU Graz. „Ich dachte damals, dass ich nach dem Studium alles über Moleküle wissen würde und mir die ganze Welt erklären kann. Was natürlich so nicht ganz stimmt“, erzählt er heute lächelnd. Im Master-Studium spezialisierte er sich dann auf die organische Chemie, interessierte sich für die Arbeit mit Laborgeräten. Dann aber stellte ihm seine heutige Dissertations-Betreuerin Barbara Siegmund in einer Labor-Übung ein Glas Apfelsaft vor die Nase: Pontesegger verkostete zum ersten Mal nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten, lernte die Aromen zu unterscheiden und den Geschmack gezielt zu beurteilen. „Von allen 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmern hatte ich bei dieser Verkostung am längsten gebraucht – und war vermutlich der Interessierteste“, denkt er zurück.
Auch gepresster Apfelsaft wurde in dem Forschungsprojekt untersucht. © Lunghammer – TU Graz
„Essen ist mehr als Energiezufuhr“
Dass Genuss und Geschmack in seinem Leben eine große Rolle spielen, stärkte das Interesse an der Lebensmittelchemie nur noch weiter. „Für mich war Essen noch nie nur bloße Energiezufuhr. Ich koche sehr gerne und kann gut intuitiv mit Gewürzen umgehen.“ Heute ist der Lebensmittelchemiker auf dem besten Weg, selbst zur Laboreinrichtung zu werden und befindet sich mitten in der Grundausbildung zum Sensorik-Experten. Diese Sensorik-Expertinnen und -Experten können durch Riechen und Schmecken die Qualität von Lebensmitteln genau beurteilen und Fehlaromen gezielt benennen. „Es fasziniert mich, dass ich meinen eigenen Körper als Messinstrument verwenden kann“, beschreibt er.
Besonders wichtig ist Pontesegger die Alltagsrelevanz seiner Arbeit. „Während meines Studiums konnte ich mit meinem nächsten Umfeld schwer über meine Arbeit reden. Niemand verstand so recht, was ich als Chemiker mache. Alle hofften nur, dass ich meinen weißen Mantel trage“, schmunzelt er. „Heute ist das anders. Alle fühlen sich miteinbezogen und das mag ich sehr.“
Trotz seines Arbeitsschwerpunktes steht der tägliche Apfel nicht auf Niklas Ponteseggers Speiseplan – diesen Genuss spart er sich auf für die Erntezeit im Herbst, wenn die Früchte wieder frisch vom Baum gepflückt werden können.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise Human & Biotechnology verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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