News+Stories: Sie arbeiten mit Augmented Reality – worum geht es dabei genau?
Clemens Arth: Im Vergleich mit einer Datenbrille – wie man sie zum Beispiel von Google kennt - ist das einfach zu erklären: Mit einer einfachen Datenbrille kann ich mir die Mona Lisa ansehen und gleichzeitig textuell Informationen dazu in meinem Sichtfeld einblenden. Optische Augmented Reality geht weit darüber hinaus, erweitert und verändert die Realität, die durch ein Mobiltelefon oder ein Head-Mounted Display (HMD) wahrgenommen wird. Plakativ gesprochen: Wir wollen der Mona Lisa virtuell und in Echtzeit eine lange Nase zeichnen, und die Manipulation nahtlos in die gezeigte augmentierte Realität einbinden.
Sie arbeiten aber nicht an einer Veränderung der Mona Lisa?
Clemens Arth: Im November 2015 habe ich das Unternehmen AR4.io gegründet. Wir haben uns auf Anwendungsfälle in großen Industrieunternehmen spezialisiert, die von den momentanen Lösungen noch nicht abgedeckt werden können. Augmented Reality kann dort für die Schulung, Produktdokumentation oder Problemlösung genutzt werden. Als Beispiel: Wenn auf einer abgeschiedenen Bohrinsel sensible Wartungsarbeiten durchgeführt werden müssen, kann dies auch eine Facharbeiterin oder ein Facharbeiter ohne Spezialwissen aber mit einer Datenbrille erledigen. Die Datenbrille erkennt alle Geräte- und Ersatzteile selbstständig und kann der Trägerin oder dem Träger eines HMD oder Smartphones die richtigen Arbeitsschritte anzeigen.
Ersparen sich also Unternehmen durch Augmented Reality-Lösungen das Expertenwissen?
Clements Arth: Nein. Aber die Reisekosten für die Expertin oder den Experten. Die Daten für die Wartung und die Arbeitsschritte zur Problemlösung müssen immer noch von Expertinnen oder Experten zusammengestellt werden, sie oder er muss aber nicht mehr persönlich vor Ort sein, viele tausend Kilometer fliegen und dann möglicherweise nur eine Kleinigkeit erledigen.
Ist da nicht auch Videotelefonie genug?
Clemens Arth: In vielen Fällen reicht es sicher aus, das Problem zu fotografieren oder zu filmen. Wenn es sich aber um komplexe Probleme handelt, die Internetverbindung nicht gut genug ist oder es Sicherheitsbedenken gibt, dann ist es unzureichend. Augmented Reality ist die Kommunikationsform, die gleich nach der Videotelefonie kommen wird. Aber wir müssen noch gesellschaftlich hineinwachsen.
Datenschutz ist vor allem in großen Industrieunternehmen ein wichtiges Thema. Wie wird damit umgegangen?
Clemens Arth: Die momentan schon sehr guten Mainstream-Lösungen für den Massenmarkt für Anwendungen in Bereichen wie Gaming oder Bildung arbeiten oft mit Servern, die irgendwo in einem anderen Land stehen und wo man nicht genau sagen kann, was mit den Daten passiert. Das ist für Industrieunternehmen natürlich ein No-Go. Deshalb arbeiten wir an Lösungen, die autonom ohne Internetverbindung eine Datenbank mit über 100.000 Bilddatensätzen bereitstellt und die Daten das Unternehmen nicht verlassen. Man sollte ja auch nicht davon ausgehen, dass die Netzabdeckung überall ausreichend ist. Ein weiteres Problem der Mainstream-Lösungen ist, dass sie darauf ausgelegt sind, viele sehr verschiedene Dinge zu unterscheiden. Wir arbeiten aber daran, dass möglichst ähnliche Dinge voneinander unterschieden werden können – also zum Beispiel verschiedene Schrauben-Typen.
Mit ihrem Unternehmen AR4.io wurden Sie erst kürzlich ausgewählt, am „Go Silicon Valley“-Programm der Wirtschaftskammer teilzunehmen. Was erwarten Sie sich von Ihrem Aufenthalt?
Clemens Arth: Wir werden für drei Monate im größten Start-up-Center im Silicon Valley „Plug & Play“ arbeiten und an einem Geschäftsanbahnungsprogramm teilnehmen. Eines unserer Ziele ist es, über den Europäischen Raum hinaus in den USA Fuß zu fassen. Und das geht nur, wenn man dort auch eine Büroniederlassung hat. Wir wollen in den drei Monaten erste Kontakte knüpfen und uns gut vernetzen. Wir sind überzeugt, an einer herausragenden Technologie zu arbeiten, die auch Beachtung finden wird. Und schlussendlich habe ich den Traum, den wahrscheinlich jeder Firmengründende hat: Das Unternehmen irgendwann zu verkaufen, sich mit dem Geld zur Ruhe zu setzen und einen Tesla zu kaufen. (lacht)