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Mit neuen Kraftstoffen zu klimaneutraler Schifffahrt

01.08.2024 | Planet research | FoE Mobility & Production | FoE Sustainable Systems

Von Philipp Jarke

Methanol, Ammoniak und Wasserstoff stehen bereit, um das problematische Schweröl als Marinekraftstoff zu ersetzen. Wie sich die drei Varianten unterscheiden und wie entsprechende Motoren gestaltet sein müssen, erläutern Nicole Wermuth und Andreas Wimmer im Interview.

Ein hochflexibler Vollmotorenprüfstand für alternative Kraftstoffe am Large Engines Competence Center am Campus Inffeldgasse der TU Graz. Bildquelle: Jorj Konstantinov - © LEC GmbH

News + Stories: Lange galten Schiffsmotoren als Drecksschleudern, in den letzten Jahren hat sich hier einiges gebessert. Was war dafür entscheidend und wie werden Schiffsmotoren zukünftig noch nachhaltiger?

Nicole Wermuth: Die Entwicklungen der letzten Jahre waren stark getrieben von gestiegenen Anforderungen der IMO (International Maritime Organization): So wurde beispielsweise der maximal zulässige Schwefelgehalt von Marinekraftstoff von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt. Schweröl mit höherem Schwefelgehalt darf als Kraftstoff nur noch genutzt werden, wenn Abgasreinigungsanlagen für Schwefeloxide vorhanden sind. Ebenso wurden ambitionierte Ziele für einen effizienteren Betrieb und einen geringeren Kraftstoffverbrauch gesetzt. Diese lassen sich nicht nur durch Änderungen im Antrieb erreichen, sondern auch durch Maßnahmen wie „Slow Steaming“ und eine optimierte Routenführung, bei der weniger Antriebsleistung benötigt wird. Ein weiterer Faktor sind Änderungen am Schiffsrumpf, beispielsweise durch spezielle Beschichtungen oder durch den Einsatz von intensiveren Reinigungsprozessen. All diese Maßnahmen sind „Low-hanging Fruits“ und summieren sich zu Einsparungen im zweistelligen Bereich.

Andreas Wimmer: Das ist richtig, doch mit diesen Maßnahmen lassen sich nur bis zu etwa 20 Prozent Reduktion der CO2-Emissionen realisieren. Zur Erreichung der Klimaziele – im Marinebereich wird eine Eliminierung der Treibhausgasemissionen bis 2050 angestrebt – benötigen wir 95 Prozent Reduktion und mehr! Das geht nur mit dem Übergang zu klimaneutralen Kraftstoffen. In diesem Zusammenhang forscht das LEC (Large Engines Competence Center) im Rahmen des COMET K1 Programms LEC GETS (Green Energy and Transportation Systems) gemeinsam mit dem Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz sowie weiteren renommierten Partnern aus Wissenschaft und Industrie sehr intensiv an der Nutzung dieser „grünen“ Kraftstoffe für nachhaltige Energie- und Transportsysteme. Die dafür notwendigen experimentellen Untersuchungen werden zum überwiegenden Teil an der über viele Jahre aufgebauten, einzigartigen Prüfstands-Infrastruktur des LEC am TU Graz Campus Inffeldgasse durchgeführt.

Generell wird Ammoniak als effizientes Speichermedium für Wasserstoff angesehen

Sind die alten Schiffsmotoren fit für neue Kraftstoffe?

Andreas Wimmer: Leider nicht. Abhängig von der Kraftstoffart sind größere Umbauten nötig, die sich sehr aufwendig gestalten können. Bei aktuell ausgelieferten Motoren wird aber bereits auf eine spätere Umrüstung Rücksicht genommen, was natürlich auch im Sinne eines nachhaltigen Ressourceneinsatzes sehr positiv zu sehen ist. Im Rahmen des COMET LEC GETS Programms setzen wir daher auch einen Schwerpunkt auf Retrofit-Lösungen für besonders langlebige Anwendungen.

Als neue Kraftstoffe für die Schifffahrt sind vor allem Methanol, Ammoniak und Wasserstoff im Gespräch. Welcher davon ist der Favorit?

Nicole Wermuth: Einige sehen Methanol vorne, andere Ammoniak. Es ist davon auszugehen, dass Methanol teurer als Ammoniak bleiben wird. Gerade bei den preissensitiven Segmenten der Schifffahrt könnte sich daher Ammoniak durchsetzen, wobei es Bedenken hinsichtlich der Toxizität gibt. Im Kreuzfahrtbereich, wo im Falle einer Störung sehr viele Personen betroffen sein könnten, sind die Betreiber eher zögerlich und präferieren daher häufig Methanol. Auf Containerschiffen mit einer geringen Anzahl an Personen an Bord, die zudem hinsichtlich der Risiken geschult werden können, wird Ammoniak als Kraftstoff eher zur Anwendung kommen.

Andreas Wimmer: Generell wird Ammoniak als effizientes Speichermedium für Wasserstoff angesehen. Ammoniak eignet sich daher auch sehr gut für den Transport von Energie – insbesondere für den Transport von erneuerbarer Energie aus Überschussregionen wie Australien, Südamerika und Afrika. Ein großer Teil dieser Energietransporte wird künftig per Schiff erfolgen. Und wenn man das Ammoniak schon an Bord hat, bietet es sich natürlich an, dieses auch für den Antrieb zu verwenden. Genau über diese Logik haben sich übrigens auch Erdgasmotoren in der Schifffahrt etabliert, da in den letzten Jahrzehnten der Transport von Flüssigerdgas (LNG – Liquified Natural Gas) über die Meere sehr stark zugenommen hat.  

So sind letztendlich die sogenannten Dual-Fuel-Motoren entstanden, die sowohl mit Erdgas als auch mit Diesel betrieben werden können. Im Gasbetrieb werden kleine Mengen an Diesel zur Zündungseinleitung eingesetzt. Der sehr robuste Dieselbetrieb dient als Backup für den Notfall, da im Marinebereich die Ausfallssicherheit des Antriebs überlebensnotwendig ist. Auch bei den neuen Kraftstoffen bieten sich solche Dual-Fuel-Lösungen an.

Man wird beim Ammoniak um eine Stickoxid-Abgasnachbehandlung nicht herumkommen

Warum ist Diesel so viel verlässlicher?

Andreas Wimmer: Weil das Prinzip sehr einfach ist: Man verdichtet die Luft, spritzt Kraftstoff ein und schon funktioniert der Antrieb – auch unter den widrigsten Bedingungen. Gasmotoren hingegen sind insbesondere in Bezug auf die Motorregelung wesentlich aufwendiger. Beim Ammoniak kommen zusätzlich weitere Anlagenteile – wie etwa ein Ammoniak-Cracker – hinzu. Und das ist dann ein sehr komplexes System an Bord, bei dem es insgesamt natürlich auch leichter zu Störungen kommen kann.

Was unterscheidet einen Großmotor, der mit Ammoniak betrieben wird, von einem konventionellen Großmotor?

Nicole Wermuth: Im Schiffsbereich werden wir, wie erwähnt, zu einem großen Teil Dual-Fuel-Motoren mit Diesel-Pilotzündung sehen. Im Bereich der Stromerzeugung wird bei Ammoniak-Motoren eher ein funkengezündetes Brennverfahren zum Einsatz kommen. Aber in diesem Bereich werden die Motoren einen Zündbeschleuniger brauchen, denn Ammoniak ist etwa 50-mal schwerer entflammbar als Erdgas. Daher muss ein kleiner Teil des Ammoniaks chemisch aufgespalten werden, damit es leichter brennt – wir sprechen dann von „gecracktem“ Ammoniak. Dieses „Crackergas“ muss abgestimmt in den Motor zugeführt werden. Daher braucht ein Ammoniakmotor zusätzliche Dosier-, Misch- und Regelungseinrichtungen. Da Ammoniak stark korrosiv ist, müssen auch die Ammoniakverträglichkeit der Bauteile überprüft und die Materialien des Motorsystems entsprechend ausgelegt werden.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Abgasnachbehandlung: Man wird beim Ammoniak um eine Stickoxid-Abgasnachbehandlung nicht herumkommen. Denn beim Verbrennen von Ammoniak entsteht deutlich mehr Stickstoffoxid als beim Verbrennen von Erdgas. Zur Anwendung kommen dabei etablierte Technologien zur Stickoxidreduzierung, wie sie in Fahrzeugen oder anderen Kraftwerksanlagen im Einsatz sind.

Herr Wimmer, Sie leiten auch ein Forschungsprojekt zur CO2-Abspaltung an Bord von Schiffen. Ist der Einsatz dieser Technologie realistisch, um die Schifffahrt nachhaltiger zu machen?

Andreas Wimmer: In Verbindung mit der weiteren Verwendung von fossilen Kraftstoffen sehen wir das als Übergangstechnologie, die in den nächsten Jahren eine gewisse Rolle spielen wird. Je nach Verfahren werden CO2-Abscheideraten im Bereich von 40 bis 80 Prozent erreicht. Ein Problem ist: Man muss das abgespaltene CO2 an Bord des Schiffes speichern und zum Hafen transportieren, wo es entladen wird. Bei der Verbrennung von Dieselkraftstoff entsteht bezogen auf die Masse etwa dreimal so viel an CO2. Das heißt, selbst wenn die Dieseltanks für die Speicherung von CO2 verwendet werden könnten, müssten zusätzliche Tanks installiert werden, was neben dem größeren Platzbedarf auch Zusatzkosten verursacht. Daher besteht bei manchen auch die Meinung, man sollte sich auf Abscheideraten von 30 Prozent beschränken.

Ist die Technologie der Abspaltung an Bord ähnlich wie bei Anlagen an Land?

Andreas Wimmer: Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Carbon-Capture-Verfahren, auch sehr viele neue, die für die Schifffahrt in Frage kämen und die sich gerade in der Entwicklung befinden. Die Amin-Wäsche, die als Standard im Kraftwerksbereich gilt, ist aber jedenfalls auch für den Schiffsbereich geeignet.

Grundsätzlich gibt es bereits Schiffe, die mit Methanol fahren

Kommen wir zum Methanol: Es ist leichter handhabbar als Ammoniak und Wasserstoff – warum kommt es nicht überall zum Einsatz?

Nicole Wermuth: Grundsätzlich gibt es bereits Schiffe, die mit Methanol fahren. Die große Herausforderung aber ist, dass Methanol Kohlenstoff enthält und daher bei der Verbrennung CO2 entsteht. Das heißt, nachhaltig wird das Ganze erst bei der Nutzung von grünem Methanol, wenn also der im Methanol enthaltene Kohlenstoff nicht aus fossilen Quellen gewonnen wird. Da gibt es grundsätzlich zwei Ansätze: Neben Bio-Methanol, bei dem der CO2-Kreislauf über die Pflanzen geschlossen wird, kann e-Methanol verwendet werden. Das für die Produktion von e-Methanol benötigte CO2 wird entweder direkt aus der Umgebungsluft entnommen, was aber energieintensiv ist, oder über die Anwendung unterschiedlicher Carbon-Capture-Technologien im Kreislauf gehalten. Während bei Bio-Methanol die Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion als Hauptnachteil zu nennen ist, ist allen Wegen zur Produktion von e-Methanol gemeinsam, dass sie relativ aufwendig sind. Dadurch wird Methanol als Kraftstoff voraussichtlich teurer sein als Ammoniak.

Motorentechnisch ist der Kraftstoff Methanol aber keine große Herausforderung?

Nicole Wermuth: Es ist mit einem gewissen Aufwand verbunden: Methanol eignet sich in reiner Form nicht für die Kompressionszündung. Der zusätzlich benötigte Dieselkraftstoff wird über einen gesonderten Injektor eingebracht. Daher werden mehrere Injektoren gebraucht: einer für das Methanol, einer für den Diesel. Die Technologie hierfür ist etwas aufwendig, aber prinzipiell bekannt.

Wie ist es mit dem Wasserstoff – ist der nicht eigentlich viel zu schade, um ihn zu verbrennen?

Andreas Wimmer: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man grünen Wasserstoff zunächst in Anwendungen bringt, bei denen man sehr rasch große CO2-Effekte erreichen kann. Den großflächigen Einsatz von Wasserstoff im Mobilitätsbereich sehe ich eher kritisch, da dafür umfangreiche Infrastruktur-Maßnahmen notwendig wären. Bei Schiffen ist der Wasserstoffantrieb vor allem dann interessant, wenn die Schiffe auch für den Transport von Wasserstoff vorgesehen sind. Wobei Brennverfahren für Wasserstoff nicht so einfach sind.

Wo liegen die Unterschiede?

Andreas Wimmer: Generell lässt sich sagen, dass sich die motorische Nutzung von Methanol im Vergleich zu Wasserstoff und Ammoniak einfacher gestaltet. Abgesehen von seiner Korrosivität brennt Ammoniak relativ schlecht und es sind besondere Maßnahmen notwendig, um ein geeignetes Brennverfahren zu entwickeln. Wasserstoff hingegen ist leicht entzündlich und verbrennt sehr rasch. Das kann zu Frühzündungen führen, die einem effizienten Motorbetrieb entgegenstehen. Der Prozess ist insgesamt sehr herausfordernd und es ist noch einiges an Entwicklungsarbeit nötig, um das Verfahren zuverlässig zu beherrschen.

Dieses Forschung ist in den Field of Expertise „Mobility & Production“ sowie "Sustainable Systems" verankert, zwei von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

Seit den 1990er Jahren wird in Graz Großmotorenforschung von Weltruf betrieben.
Das Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme (ITnA) der TU Graz und das Large Engines Competence Center (LEC) forschen gemeinsam an der Entwicklung nachhaltiger Energie- und Transportsysteme und damit an der Dekarbonisierung dieses Sektors.
Während sich das Institut der Grundlagenforschung und Lehre widmet, wird am LEC - insbesondere im Rahmen des COMET K1 Forschungsprogramms LEC GETS (Green Energy and Transportation Systems) – anwendungsorientierte Forschung betrieben, deren Ergebnisse unmittelbar in die Lehre einfließen. Die dazu notwendigen experimentellen Untersuchungen werden großteils an der weltweit einzigartigen Prüfstandsinfrastruktur des LEC am Campus Inffeldgasse der TU Graz durchgeführt. Neben bezahlten wissenschaftlichen Arbeiten zu spannenden Themen stehen den Studierenden auch interessante Karrierewege in der Großmotorenforschung am Standort Graz offen.

Mehr Forschungsnews finden Sie auf Planet research. Monatliche Updates aus der Welt der Wissenschaft an der TU Graz erhalten Sie über den Forschungsnewsletter TU Graz research monthly.

Information

Kontakt Large Engines Competence Center:

Thomas Jauk
Dipl.-Ing. Dr.techn.
Geschäftsführung LEC GmbH * Large Engines Competence Center
Tel.: +43 316 873 30063
thomas.jauknoSpam@lec.tugraz.at

Kontakt

Nicole WERMUTH
Univ.-Prof. Dr.-Ing.
TU Graz | Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme; Wissenschaftliche Leitung LEC GmbH
Tel.: +43 316 873 30087
nicole.wermuthnoSpam@tugraz.at

Andreas WIMMER
Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
TU Graz | Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme
Tel.: +43 316 873 30100
wimmernoSpam@tugraz.at