Das Wort „Mathematik“ kommt aus dem Griechischen; soweit ich weiß stammt es von einem Ausdruck ab, der in etwa „Die Kunst des Lernens” bedeutet. Das finde ich eine schöne und ganz treffende Beschreibung. Ich empfinde das wissenschaftliche Arbeiten in der Mathematik als einen ständigen Lernprozess; ich lerne, um etwas Neues zu verstehen und eine Problemstellung zu lösen.
Für ihre Dissertation hat Roswitha Rissner den Josef Krainer Förderpreis 2016 bekommen.
Derzeit arbeite ich vor allem in der mathematischen Grundlagenforschung – in einem Bereich, den man als kommutative Ringtheorie bezeichnet. Die Fragen, die mich beschäftigen, sind meist Fragen, die aus der Mathematik selbst kommen - das heißt, sie treten während der Arbeit anderer Mathematikerinnen und Mathematiker auf.
In der Schule, und sogar noch am Anfang meines Mathematikstudiums, war mir noch nicht klar, was Mathematik alles umfasst. Inzwischen habe ich zwar mein Universitätsstudium abgeschlossen, deswegen aber nicht aufgehört zu lernen. Je mehr ich verstehe, umso klarer wird mir, wie klein der Bruchteil vom Ganzen ist, den ich momentan erst einsehen kann. Und jeden Tag wird es ein kleines Stückchen mehr. In diesem Beitrag möchte ich versuchen, anderen einen kleinen Eindruck zu vermitteln, wie ich die Mathematik heute sehe.
Es gibt bereits eine enorme Sammlung an mathematischen Resultaten. Unzählige Problemstellungen wurden schon gelöst und eine Vielzahl von Fragen beantwortet. Doch es gibt immer noch viele ungelöste Probleme; zahlreiche Fragen sind schon seit langem ungelöst und es entstehen auch ständig neue. Je mehr wir verstehen, je mehr wir umsetzen können, umso größer wird die Anzahl der Möglichkeiten, die sich der Technik und Wissenschaft auftun; und damit wächst wiederum auch die Anzahl der mathematischen Fragestellungen. Fragen sind der Grund aus dem ganze Teilgebiete der Mathematik entstanden sind. Teilgebiete, die sich ständig weiterentwickeln und deren Methoden und Herangehensweisen die Antworten auf viele Fragen bieten können - und es erlauben, viele neue Fragen überhaupt erst stellen zu können.
Mathematische Werkzeugkiste
Für die Forschung stelle ich mir das bereits angehäufte Wissen wie eine sehr große Werkzeugkiste vor. Zugriff auf diese mathematische Werkzeugkiste hat man durch unzählige wissenschaftliche Publikationen, Bücher, Vorträge, persönliche Diskussionen und selbstverständlich auch das Internet. Ein mathematisches Resultat ist eine Aussage zusammen mit einem Beweis. Ein Beweis besteht aus einer Kette von Argumenten, aus der schlussendlich die Aussage folgt. Es gibt hier ganz klare Regeln, um sicherzustellen, dass die Argumente hieb- und stichfest sind. Beweise zeigen nicht nur die Korrektheit einer Aussage, sondern erlauben oft auch einen tieferen Einblick in die Sache selbst.
Um die notwendige Genauigkeit zu ermöglichen, hat die Mathematik auch ihr eigenes Vokabular. Wiederkehrende Konzepte, die nützlich sind, werden von Mathematikerinnen und Mathematikern hervorgehoben und bekommen eigene Namen. Wer schon einmal einen mathematischen Text gelesen hat, hat wahrscheinlich auch einige ungewohnte Formulierungen bemerkt. Dieser eigene Sprachgebrauch hat sich entwickelt um Gegebenheiten so exakt auszudrücken.
Die strengen Regeln und Formalismen in der Mathematik lassen sie von außen vielleicht trocken und kalt erscheinen. Mathematische Forschung ist aber ein lebendiger Prozess. Es war für mich überraschend, wie viele kreative Entfaltungsmöglichkeiten diese Fachrichtung bietet. Mathematikerinnen und Mathematiker können die Gegebenheiten natürlich nicht nach Belieben verändern, sie können sie nur beobachten und dann versuchen, sie geeignet zu beschreiben, um sie zu verstehen.
In der Geschichte der Mathematik finden sich viele Visionärinnen und Visionäre, deren originelle Beobachtungen und innovative Techniken beeindruckende Fortschritte erzielt haben. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. In der Mathematik gilt wie überall anders auch: neue Blickwinkel schaffen neue Möglichkeiten.