News+Stories: Frau Gruber, was genau hat Sie daran gestört, wenn Sie nach Ihren Gründen für Ihre Studienwahl gefragt wurden?
Lia Gruber: Ich hatte im Hörsaal von meinen Kolleg*innen und auch von den Lehrkräften nie das Gefühl vermittelt bekommen, dass mein Geschlecht ein Thema ist. Natürlich gab es da den einen oder anderen stereotypen Nerd, der seit Jahren keine Frau in der Klasse hatte und mit der Situation überfordert war. Aber niemand hat mir je ein schlechtes Gefühl gegeben.
Außeruniversitär war das ein bisschen anders und es gab den einen oder anderen Vorfall. Die Frage ist halt, ob ich bei meinem Lehramt-Studium, dass ich eigentlich geplant hatte, nicht ähnlich blöde Aussagen gehört hätte. Es gab die „eh nicht böse gemeinten“ Fragen. Die erste war immer: „Du studierst Elektrotechnik? Das ist schon schwer oder?“ Das ist eine Frage, die meinen männlichen Kollegen nie gestellt wurde. Und die nächste war immer: „Da gibt es aber nicht viele Frauen oder?“ Nein, wirklich? Natürlich sind diese Fragen nicht böse gemeint, aber es steckt immer ein Bias dahinter. Gegen Ende meines Studiums konnte ich es einfach nicht mehr hören.
Die erste Frage war immer: „Du studierst Elektrotechnik? Das ist schon schwer oder?“ Das ist eine Frage, die meinen männlichen Kollegen nie gestellt wurde.
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Tipp für junge Technikerinnen: Vernetzt euch!
Sie haben es bereits kurz erwähnt: Ihr Weg in die Elektrotechnik war kein geradliniger. Sie haben nicht auf einer HTL maturiert, sondern an einem BORG mit Theaterschwerpunkt und wollten eigentlich Lehrerin werden. Auch wenn Sie es nicht mehr hören können – aber: Warum haben Sie sich für die Elektrotechnik entschieden?
Gruber: Das war gar nicht so weit weg, wie viele glauben. Als ich mich für eine Schule entschieden habe, war ich sehr knapp davor, auf eine HTL mit Informatik-Schwerpunkt zu gehen. Aber es ist dann doch das BORG geworden. Und mein Traum war ursprünglich, Lehrerin zu werden, Mathematik und Geschichte zu unterrichten.
In einer Interviewserie setzt sich die TU Graz ab 8. März schwerpunktmäßig mit den Karrierechancen und -herausforderungen von Frauen im Studium, in der Forschung, Lehre und Wirtschaft auseinander. Frauen an unterschiedlichen Karrierepunkten erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen. Hier geht es zu den Interviews mit Informatikerin Johanna Pirker, Experimentalphysikerin Birgitta Schultze-Bernhardt, Studentin Christina Fior und TU Graz-Absolventin Esther Lind.
Wie kam es dann zum Meinungswechsel?
Gruber: Ich bin sehr gerne vorbereitet und recherchiere viel – deshalb bin ich vielleicht auch in der Forschung gelandet (lacht). Deshalb habe ich über „Studieren probieren“ Vorlesungen besucht, um mich zu informieren. Ein Chemie-Student, den ich kannte, hat mich damals lange von der Technik und der TU Graz zu überzeugen versucht, weil er meinte, dass ich da sehr gut aufgehoben wäre. Und weil ich für die Vorlesungen ja sogar in der Schule frei bekam, habe ich mich einfach in eine Elektrotechnik-Vorlesung gesetzt. Professor Renhart hat sie gehalten und ich finde noch heute, dass das eine sehr gut herzeigbare Lehrveranstaltung ist. Er ist motivierend, hat ein schönes Tafelbild und einen gewissen Schmäh. Und das hat mich intensiv zum Nachdenken gebracht. Weil mir auch der Umweltschutz und der Klimawandel sehr wichtig sind. Im Halbjahr der 8. Klasse habe ich mich dann gegen das Lehramt und für die Elektrotechnik entschieden.
Man sollte darauf vorbereitet sein, von jeder und jedem gekannt zu werden – von anderen Studierenden, aber auch Professor*innen. Diese Aufmerksamkeit sollten Studentinnen und Forscherinnen für sich nutzen.
Im Elektrotechnik-Studium sind Frauen noch in der Minderzahl. Hatten Sie Probleme damit, eine von wenigen Frauen im Hörsaal zu sein?
Gruber: Nein, das hatte ich nie. Aber man sollte darauf vorbereitet sein, von jeder und jedem gekannt zu werden – von anderen Studierenden, aber auch Professor*innen. Diese Aufmerksamkeit sollten Studentinnen und Forscherinnen für sich nutzen. Wenn ich zum Beispiel auf einer Konferenz bin und mich zu Wort melde, dann bekomme ich eine ganz andere Aufmerksamkeit als meine Kollegen. Das ist einfach ein Faktum und ich habe gelernt, es für mich zu nutzen, wenn ich es schon nicht ändern kann.
Abgesehen von der erhöhten Aufmerksamkeit: Fühlen Sie sich gleich behandelt?
Gruber: Ich denke sehr viel darüber nach, wie mich Kolleg*innen behandeln. Ob etwa vorausgesetzt wird, dass ich Protokolle schreibe, ob ich ausreden darf oder ein Kollege etwas sagt, was ich gerade erklärt habe. Und ich muss sagen: Ich analysiere sehr viel, aber so etwas findet in der Regel kaum statt. Und darüber bin ich sehr froh. Ich finde es sehr wichtig, sich schon im Studium – und auch danach – mit den anderen Frauen zu vernetzen. Gleichgesinnte zu finden. „Finde die Frau im Hörsaal“ quasi (lacht).
„WomenUniverse“, das alumni-Frauennetzwerk der TU Graz, ist ein Forum für Absolventinnen, Studentinnen und alle Frauen, die an der Verbindung von Wissenschaft und Wirtschaft interessiert sind. Regelmäßige Aktivitäten (live und online) bieten Frauen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien ihrer Berufs- und Karriereplanung die Möglichkeit sich in einem geschützten Umfeld auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und der TU Graz ein Stück näher verbunden zu bleiben.
Bei Interesse melden Sie sich via frauen an. Mehr Informationen zum Netzwerk und zu aktuellen Terminen finden Sie auf der @alumni.tugraz.atWomenUniverse-Webseite https://alumni.tugraz.at/unsere-aktivitaeten/womenuniverse.
Hatten Sie das Gefühl, dass es für Sie als Frau Vorteile oder Hürden gab, die Ihre männlichen Kollegen nicht hatten?
Gruber: Während des Studiums habe ich das nicht gespürt. Da ist mir eher der Unterschied zwischen meinen Kolleg*innen von einer HTL mit Elektrotechnik-Schwerpunkt und meiner AHS-Ausbildung aufgefallen. Zum Beispiel das Thema „Transistoren“ hatten sie einfach schon einmal gehört und ich habe um dieses eine Mal länger gebraucht, um es zu verstehen. Spannend geworden ist es dann aber bei der Jobsuche. Da wurde ich schnell von der Studienkollegin zur Konkurrentin.
Wie haben Sie dieses männliche Konkurrenzverhalten konkret erlebt?
Gruber: Es hieß sehr schnell, dass ich die Jobs an der Uni, für die ich mich bewarb, ja als Frau ohnehin bekommen würde, weil sich die Uni damit rühmen will. Das habe ich sogar von Kollegen gehört, die sich gar nicht um meine Stelle beworben hatten. Es ist schon spannend, wie schnell sich manche Männer von einer Frau eingeschüchtert fühlen. Und ich denke mir immer: Ich stehe am Anfang – jetzt brauchst du noch nicht neidisch sein. Warte erst einmal ein paar Jahre! Dann darfst du!
Sorgen macht mir eher der Blick nach vorne eher in struktureller Hinsicht. Es ist ohnehin schon schwer, eine Karriere in der Forschung zu machen. Es gibt viele befristete Verträge und Projektarbeiten. Als Frau überlegt man sich doppelt, ob man das machen möchte, wenn man etwa ein Kind hat. Oder ob man es sich dann leisten kann, für den Mutterschutz auszufallen. Viele geben deshalb die Forschung auf.
Es ist schon spannend, wie schnell sich manche Männer von einer Frau eingeschüchtert fühlen. Und ich denke mir immer: Ich stehe am Anfang – jetzt brauchst du noch nicht neidisch sein. Warte erst einmal ein paar Jahre! Dann darfst du!
Sie hatten immer wieder weibliche Führungskräfte an der TU Graz. Was bedeutet das für Sie?
Gruber: Nach meiner Matura habe ich nach einem Praktikum gesucht – in der Technik. Aber mit meiner AHS-Matura konnte ich keines finden. Über Umwege bin ich dann auf die FiT-Praktika (Anm. damals „FiT – Frauen in die Technik“, heute „T³UG – Teens Treffen Technik“) an der TU Graz gestoßen. Ich habe damals am Institut für Elektrische Antriebstechnik und Maschinen gearbeitet, das Annette Mütze leitet. Als 17-Jährige war das unglaublich beeindruckend, diese Frau an der Spitze eines Institutes zu sehen. Und sie gab mir immer das Gefühl, hier genau richtig zu sein. Ich habe dann fünf Jahre während meines Studiums bei ihr gearbeitet. Heute habe ich mit Sonja Wogrin wieder eine weibliche Institutsleiterin, die ich sehr schätze.
Role Models sind unglaublich wichtig. Es ist immer gut zu sehen, dass da Leute sind, die diese tollen Sachen machen und die so sind wie ich. Es ist auch wichtig, sich mit Frauen zu vernetzen. Alleine schon, um Erfahrungen auszutauschen und zu diskutieren, welche Probleme möglicherweise mit dem Geschlecht zu tun haben könnten.
Ich habe damals am Institut für Elektrische Antriebstechnik und Maschinen gearbeitet, das Annette Mütze leitet. Als 17-Jährige war das unglaublich beeindruckend, diese Frau an der Spitze eines Institutes zu sehen. Und sie gab mir immer das Gefühl, hier genau richtig zu sein.
Können Sie einschätzen, was sich für Frauen in der Technik bereits verbessert hat?
Gruber: Was heute sehr beeindruckend ist, ist das Selbstbewusstsein der Studienanfängerinnen. Wir hatten enmal einen Vernetzungsabend mit Erstsemestrigen und Professor*innen. Und eine junge Studentin ist ganz selbstverständlich zu Sonja (Anm. Wogrin) gegangen und hat begonnen mit ihr zu plaudern. Der ganze Raum war erstaunt, wie locker und selbstverständlich sie das gemacht hat. Aber genau so sollte es eigentlich sein.
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Lia Grubers Forschungsgebiet: Wie funktioniert eine Energiegemeinschaft?