Lia Gruber steht im Foyer des Institutsgebäudes Inffeldgasse 18, am oberen Ende der Treppe, in unmittelbarer Nähe zum handschriftlichen „Energie“-Schriftzug des TU Graz-Ehrendoktors Nikola Tesla. Wäre sie eine Figur in einem Superhelden-Comic, hätte sie vermutlich die Arme gestreckt und elektrische Ladung würde um ihre Fingerspitzen blitzen. Denn so wirkt die junge Elektrotechnikerin – voller Energie. Kein Wunder, wird die 26-Jährige von Institutsleiterin Sonja Wogrin doch auch als „Powerhouse“ bezeichnet.
Umso passender, beschäftigt sich Lia Gruber doch mit Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation. An der TU Graz hat sie im Rahmen ihrer jüngst mit einem Best Paper Award prämierten Masterarbeit Areale erforscht, die sich für Deep-Sea-Offshore-Windkraftwerke besonders gut eignen würden. Dazu gehören alle Windkraftwerke, die auf hoher See bei mindestens 60 Meter Wassertiefe installiert sind. „Windkraftwerke in diesen meist küstenfern gelegenen Gebieten erzielen wegen der hohen Windgeschwindigkeiten große Erträge: Mehr Wind bedeutet größere Turbinen, bedeutet höhere Energieausbeute. Aber sie erfordern aufwendige Wartungsarbeiten sowie große Investitionen in die Infrastruktur. Die schwimmenden Windräder werden mit Ankern im Boden befestigt. Trotzdem werden sie in Zukunft billiger und umweltverträglicher sein als herkömmliche Offshore-Windräder“, erklärt die Forscherin.
Mittlerweile ist Lia Gruber als Doktorandin am Institut für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation angestellt und forscht an seit Kurzem gesetzlich verankerten Energiegemeinschaften. Bei so einer Gemeinschaft schließen sich mehrere Personen zusammen, um gemeinsam Energie zu gewinnen, zu speichern und zu verbrauchen. Alle Österreicher*innen können einer Energiegemeinschaft beitreten, sie aber auch jederzeit wieder verlassen. Besitzt der Nachbar beispielsweise eine Solaranlage, die zu viel Strom für den Eigengebrauch erzeugt, kann er den Strom in der Nachbarschaft verkaufen. Und wenn wiederum eine andere Nachbarin einen leistungsstarken Energiespeicher besitzt, kann die Energiegemeinschaft zusammen den gewonnenen Strom dort speichern. „Solche kleinen Gemeinschaften können sehr gut ausbalanciert sein. Die Frage ist nun aber, was passiert, wenn eine Person und damit ihr Bedarf oder ihre ‚Ware‘ aus dem System aussteigt? Wie wirkt es sich auf das Gesamtsystem aus, wenn plötzlich ein Teil fehlt oder dazukommt?
Von der Bühne in die Elektrizitätswirtschaft
Lia Grubers Werdegang ist kein klassischer. Die gebürtige Südsteirerin besuchte ein Gymnasium mit Schauspiel-Schwerpunkt. „Ich habe schon bald gemerkt, dass ich das Theater liebe. Aber eher als Hobby. Beruflich hatte ich andere Dinge im Sinn.“ Aus Spaß und klein wenig Interesse besuchte sie während einiger Schnuppertage eine Grundlagenvorlesung in Elektrotechnik. Dabei besann Gruber sich auf ihre Kindheit, als sie ihrem Großvater, einem Elektriker, beim Reparieren von Kühlschränken zusah. Nach mehreren Praktika an der TU Graz fasste die Maturantin den Entschluss, Elektrotechnik an der TU Graz zu studieren. „Mein Umfeld war etwas verwundert. Viele fragten mich, ob ich mir das harte Technik-Studium ohne HTL-Ausbildung zutrauen würde“, lächelt sie heute und zwinkert. Das Thema „Frauen in der Technik“, insbesondere in der Elektrotechnik, sei nach wie vor aktuell, wie Lia Gruber weiß. „Ich hatte immer weibliche Vorbilder – an der TU Graz zum Beispiel beeindruckte mich von Anfang an Annette Mütze. Sie leitet das Institut für Elektrische Antriebstechnik und Maschinen, wo ich meine erste Anstellung bekam. Sie hat mir von Beginn an das Gefühl gegeben, hier richtig zu sein. Und heute habe ich mit Sonja Wogrin wieder eine Chefin, die beeindruckend ist.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Sustainable Systems“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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