Sicher und komfortabel soll sie sein, die Zugfahrt. Dafür sind die Gleisanlagen ganz entscheidend: Das sogenannte „Stopfen“ (Positionieren, Verdichten und Stabilisieren) des Schotters im Gleisbett zählt zu den wichtigsten Instandhaltungsarbeiten im Bahnwesen. Spezielle Stopfmaschinen heben die Gleise an, richten sie exakt ein und unterstopfen die Bahnschwellen mit Schotter, damit die Gleise wieder in der gewünschten Position zu liegen kommen.
Stopfarbeiten müssen spätestens dann durchgeführt werden, wenn der Zustand der Gleise sicherheitskritische Grenzwerte erreicht – was in Österreich jedoch nur selten passiert, weil die ÖBB ihr Netz auf einem sehr guten Qualitätsniveau erhält. Johannes Neuhold vom Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft der TU Graz weiß aber: „Auch wenn datenbasierte Entscheidungen das Bauchgefühl immer öfters ablösen: In Österreich orientieren sich Stopfplanungen nach wie vor häufig an der Verfügbarkeit von Stopfmaschinen.“
Der richtige Zeitpunkt für Stopfarbeiten
Neuhold hat sich mit Unterstützung durch Betreuer Stefan Marschnig in seiner Dissertation nun damit beschäftigt, den idealen Zeitpunkt für Stopfeinsätze herauszufinden und die Planung auf eine objektivere Basis zu bringen, „damit sie nur an solchen Gleisen durchgeführt werden, wo sie zwar notwendig sind, aber auch wirtschaftlich Sinn machen.“ Der Fokus lag auf einer langen Nutzungsdauer bei gleichzeitig möglichst wenigen und somit günstigeren Instandhaltungsmaßnahmen. „Während bei guten Gleisen beispielsweise ein frühes Eingreifen die Qualität lange erhält, kann es bei schlechten Gleisen sinnvoller sein, auf Stopfmaßnahmen zu verzichten und das niedrigere Qualitätsniveau in Kauf zu nehmen. Eine Lageverbesserung benötigt viel Instandhaltungsgeld. Die Qualität kann aber nicht nachhaltig verbessert werden, weil sich ein Gleis immer wieder nur seinem Ausgangsniveau annähert. Der Mitteleinsatz wäre also unverhältnismäßig hoch.“
Algorithmus gibt Planungssicherheit
Kern der Arbeit ist ein Algorithmus, der auf Basis verschiedener Parameter wie dem Alter und Zustand der Gleise, den verwendeten Komponenten sowie der kumulierten Belastung errechnet, wann und wie oft Stopfmaßnahmen sinnvoll sind. Gerade die Belastung sei ein wesentliches Kriterium, wie Marschnig erklärt: „Auf Strecken, wo die Gleise durch schweren Güterverkehr stark beansprucht werden kommt es schneller zur Abnutzung als auf Strecken, auf denen überwiegend S-Bahnen unterwegs sind.“ Die Messdaten für die Berechnungen wurden von den Österreichischen Bundesbahnen zur Verfügung gestellt, die langjährige Partnerin des Instituts sind.
Längere Nutzungsdauer senkt die Lebenszykluskosten
Zur Berechnung der Lebenszykluskosten haben die Forschenden Vergleichswerte generiert und die Annahme getroffen, dass ein Gleis im Laufe seines Lebenszyklus zehnmal „gestopft“ werden kann. Die Ergebnisse zeigten, dass durch Strecken der Stopfzyklen – wenn die Maßnahmen also nicht wie bisher kontinuierlich durchgeführt, sondern gezielt geplant werden – eine längere Lebensdauer der Gleise erzielt wird. „Durch die längere Nutzungsdauer und der damit verbundenen Abschreibung der Anlagenwerte ergibt sich eine Senkung der Lebenszykluskosten von bis zu zwanzig Prozent“, argumentieren Marschnig und Neuhold. Die beiden Experten hoffen nun, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Methode anwenden und mehr Struktur in die Instandhaltungsarbeiten an Gleisanlagen bringen.
Die Forschungen am Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft sind an der TU Graz in den Fields of Expertise „Sustainable Systems“ und „Mobility & Production“ verankert, zwei von fünf Stärkefeldern der TU Graz.