„Mithilfe künstlicher Intelligenz könnte die Bauwirtschaft noch effizienter arbeiten“, ist Ralph Stöckl vom Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft der TU Graz überzeugt. Und genau daran arbeitet er: Er integriert lernende Computer in den Bauprozess und optimiert ihn dadurch. Künstliche Intelligenz kann zum Beispiel anhand von Erfahrungen aus der Vergangenheit gezielte Prognosen über Dauer und Kosten vor Beginn eines neuen Bauprojektes abgeben. Oder aber auch, mitten im Bauprozess anhand diverser veränderlicher Parameter – wie Wetterdaten oder Teamzusammensetzung – ein optimales Vorgehen vorschlagen: „Wenn Regen angesagt ist, empfiehlt die KI beispielsweise eigenständig, nässeempfindliche Arbeiten aufzuschieben und dafür weniger heikle Arbeiten vorzuziehen.“ Wäre dazu aber nicht auch eine erfahrene Fachkraft in der Lage? „Natürlich. Künstliche Intelligenz wird nie einen Menschen ersetzen – aber sie kann beratend zur Seite stehen und Empfehlungen geben.“ Aus Sicht der Unternehmen tut sich genau hier ein wichtiger Punkt auf: „Eine erfahrene Person wird früher oder später ein Unternehmen wieder verlassen – damit geht auch ihr Wissen und ihre Expertise verloren. Hat ein KI-System diese kontextbezogenen Informationen erlernt, geht zwar das individuelle Wissen der Person, nicht aber das künstliche Wissen verloren. So könnten neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wesentlich leichter eingeschult werden.“
Künstliche Intelligenz wird nie einen Menschen ersetzen – aber sie kann beratend zur Seite stehen und Empfehlungen geben.
Gesundheitscheck für Baustellenwerkzeuge
Ein wichtiger Punkt für einen smarten Bauprozess ist neben der künstlichen Intelligenz auch die Vernetzung der unterschiedlichen Bauwerkzeuge – sowohl untereinander als auch mit dem neuronalen Netzwerk. „Wird der Zustand der einzelnen Werkzeuge systematisch erfasst, lassen sich Wartungsintervalle im Vorhinein in die Planung integrieren. Das minimiert den Stillstand und die Leerzeiten auf der Baustelle.“ Auch plötzlich auftretende Probleme können mit Hilfe künstlicher Intelligenz reduziert werden: „Wenn ein Werkzeug problematische Daten liefert, kann die KI es direkt in die Werkstatt schicken und so gröbere Bauablaufstörungen verhindern.“
Erste Erfolge mit Test-Netzwerken
Und wie weit ist das System bereits? „Wir haben Test-Netzwerke gebaut, die wirklich gut funktionieren“, erzählt der Forscher. Er bedient sich dabei dem sogenannten supervised learning – einer von mehreren Möglichkeiten, bei denen neuronale Netze eingesetzt werden. Der Prozess ähnelt dem Lernen mit einer Lehrerin oder einem Lehrer: Die künstliche Intelligenz wird mit vorhandenen Daten aus der Vergangenheit gefüttert und erfährt dadurch, unter welchen Bedingungen welche Resultate erzielt werden konnten. Anhand dieser Informationen kann sie Schlüsse auf zukünftige Projekte ziehen und mit den daraus gewonnenen neuen Daten wieder dazulernen.
Die laufenden Test-Systeme arbeiten derzeit mit fiktiven Daten, weil es noch schwer ist, reale Daten von Unternehmen zu erhalten. Zum einen, weil es bislang unüblich ist, Prozesse über längere Zeiträume exakt aufzuzeichnen. Und zum anderen, weil die Ausstattung auf den Baustellen dazu noch fehlt: „Für eine umfassende Datensammlung bräuchten wir nicht nur die Daten aller Baumaschinen und den Baufortschritt, sondern auch Wetterdaten, die Teamzusammensetzungen, Bewegungsdaten und Ähnliches“, erklärt Stöckl.
Gemeinsam mit seinem Forschungsteam sucht er deshalb nach geeigneten Projektpartnern, die vorhandene Daten zur Verfügung stellen oder dazu bereit wären, bei einem zukünftigen Bauprojekt die notwendigen Daten aufzuzeichnen.
Bürschchen von der Universität
Das Interesse an der neuen Technologie in der Bauindustrie sei groß, so Stöckl. „Künstliche Intelligenz liegt im Trend – in vielen Forschungsbereichen. Und alle versuchen, die neue Technologie auf die eigenen Problemstellungen anzuwenden.“ Stöckl selbst hat die Baubranche und gleichzeitig die Informatik bereits in jungen Jahren für sich entdeckt. „Ich bin als Kind so oft an den Baustellen gestanden, dass mich ein Baggerfahrer sogar einmal mitfahren ließ“, sagt er heute und lacht. In seiner Masterarbeit im Fach Wirtschaftsingenieurwesen-Bauwesen befasste er sich erstmalig mit künstlicher Intelligenz für die Baubranche – die Arbeit wurde 2019 mit dem Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgezeichnet. Heute ist Stöckl mitten in seinem Doktorat und hat – so ganz nebenbei – seinen zweiten Master im Fach Konstruktiver Ingenieurbau abgeschlossen.
In der Medizin zum Beispiel, wo das Thema schon sehr fortgeschritten ist, sind die Vorteile bereits ganz klar.
Mit seinen 26 Jahren wirkt er sehr jung. Das verschmitzte Lächeln tut sein Übriges. Ein Thema, dass ihm in der rauen Bauwelt nicht immer Vorteile bringt: „Natürlich kommt es vor, dass ein gestandener Vorarbeiter fragt, was ich Bürschchen von der Universität ihm erzählen will. Damit kann ich umgehen. Man muss den Menschen vermitteln, welches Potenzial in der künstlichen Intelligenz liegt. In der Medizin zum Beispiel, wo das Thema schon sehr fortgeschritten ist, sind die Vorteile bereits ganz klar. Daran müssen wir uns orientieren und den enormen Nutzen von KI auch in der Baubranche bekannt machen.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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