Knapp die Hälfte Österreichs ist mit Wald bedeckt. Das viele Holz trägt als nachwachsender Rohstoff, der CO2 gebunden hält, nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern gibt auch 300.000 Menschen Arbeit. Gerade für strukturschwächere ländliche Regionen ist Holz also von immenser Bedeutung.
Besonders wertvoll wird der Rohstoff, wenn er zu hochwertigen Industrieprodukten weiterverarbeitet wird – am besten von heimischen Betrieben, sodass die Wertschöpfung im Lande bleibt. Ein solches Produkt, das sich national wie international wachsender Beliebtheit erfreut, ist das maßgeblich an der TU Graz entwickelte Brettsperrholz (BSP): große Bauplatten, die den Massivbau aus Holz bereits gehörig umgekrempelt haben und denen eine glänzende Zukunft bevorsteht. Denn Bauwerke, die klimafreundlich, nachhaltig, flexibel und dabei noch günstig sind, werden immer wichtiger. Österreich, das derzeit rund zwei Drittel der Weltproduktion bestreitet, nimmt hier eine Vorreiterrolle ein.
Brettsperrholz besteht aus mehreren Schichten Holz – derzeit meist Nadelholz wie Fichte oder Kiefer, aber auch Laubbaumarten wie Birke und Buche –, die orthogonal miteinander verklebt werden. Die entstehenden Platten sind durch die kreuzweise Verklebung besonders formstabil. Unter anderem bleibt auch das bei Holz sonst übliche „Arbeiten“ und Verziehen aus. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass für die Platten sogenannte Seitenware verwendet werden kann: der Randbereich von Baumstämmen, der üblicherweise als minderwertiges Schnittholz gilt. Doch dieses Holz ist auch besonders fest und steif und damit bestens geeignet für das Hochleistungsprodukt BSP. „Wir können heute Platten von 20 Meter Länge und vier Meter Höhe in variabler Schichtdicke herstellen“, schwärmt Manfred Augustin von mehrgeschoßigen Gebäuden. Ein 14-stöckiger Bau ist bereits fertig, noch höhere sind in Planung.
Anwendungsorientierte Forschung
Holzbauingenieur Augustin ist Geschäftsführer der holz.bau forschungs gmbh (hbf), einem 2002 gegründeten Kompetenzzentrum an der TU Graz, das – als Bindeglied zwischen Wissenschaft und Holzwirtschaft – die anwendungsorientierte Forschung im Bereich Holzbau vorantreibt. Derzeit läuft unter ihrer Federführung das vierjährige FFG-Comet-K-Projekt focus_sts („sts“ steht für „solid timber solutions“). Ein Ziel des Projekts, an dem zahlreiche Player aus Wissenschaft und Wirtschaft beteiligt sind: komplette „Bausätze“ oder Komponenten zu entwickeln, die bereits vorgefertigt geliefert werden, wie Brettsperrholzplatten in Kombination mit Vollgewindeschrauben aus Stahl.
Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit großformatigen Brettsperrholzelementen.
„Wir brauchen in Zukunft effizientere und leistbare Bauwerke“, erklärt der gebürtige Kärntner. „Je mehr bereits werkseitig vorgefertigt ist, umso schneller steht ein Gebäude.“ Weitere Projektschwerpunkte sind die Optimierung der Fertigung der Platten, zum Beispiel der Verklebung, oder umfassende Tests zum Trag-, Verformungs- und Schwingungsverhalten. Es werden neue Produktkombinationen entwickelt, wie das Einbinden von Metallblech in die Platten, neue Holzarten getestet oder Produkte für neue Anwendungsgebiete entwickelt, etwa für weit spannende Deckenkonstruktionen. „Es sind noch lange nicht alle Potenziale dieses tollen Bauprodukts ausgeschöpft“, ist Augustin überzeugt.
Mehr Mut – und Holz
Auch Gerhard Schickhofer, Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz und einst Mitbegründer der hbf, freut sich, dass nach langer Vorarbeit in den letzten zehn Jahren gehörig Bewegung in den Sektor gekommen ist. „Das Bauen mit Brettsperrholz beeinflusst das Baugeschehen im städtischen Raum inzwischen maßgeblich“, sagt der 53-jährige Bauingenieur, der bereits seine Dissertation dem Thema gewidmet hat, sich aber noch mehr Mut – und Holz – im Städtebau wünscht. „Es gibt inzwischen Hotels, Schulen, Büros, vielgeschoßige Wohnbauten ... also eine Bauweise mit großem Potenzial!“
Zum einen, weil die Modulbauweise generell stark im Kommen ist. „Gerade in Städten, wo das Wohnen immer teurer wird, brauchen wir neue Ideen“, so Schickhofer. „,Cross laminated timber‘ ist eine klimafreundliche und sehr flexible Lösung.“ Darüber hinaus eignen sich aus Holz gefertigte Module auch hervorragend für temporäres Bauen, wobei Holz deutlich hochwertiger und ähnlich günstig ist wie Stahlcontainer. „Es wäre zum Beispiel kein Problem, für viele tausend Flüchtlinge sehr rasch gute Unterkünfte aus Brettsperrholz zu errichten oder nach einem Erdbeben Wohnungen zu schaffen“, nennt Schickhofer zwei aktuelle Beispiele.
Prüfung einer punktförmig beanspruchten, aus sieben orthogonal verklebten Brettlagen aufgebauten BSP-Platte.
Erdbebensicherheit
Gerade die Erdbebensicherheit ist einer der großen Pluspunkte dieser Holzmassivbauweise. Das hat unter anderem Japan erkannt und möchte Brettsperrholz künftig flächendeckend anwenden. „Im weltweit größten Erdbeben-Forschungszentrum in Kobe haben sie einen 1:1-Versuch mit einem fünfgeschoßigen Gebäude aus Brettsperrholz gemacht – das hat seine Stabilität hervorragend bewiesen“, so Schickhofer. Die staatliche Vorgabe, den Holzmassivbau im Land des Lächelns zu forcieren, hat gewaltiges Interesse am steirischen Know-how entfacht. Ende August unterzeichnete der Rektor der TU Graz, Harald Kainz, ein Übereinkommen zur wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der japanischen Brettsperrholz-Vereinigung JCLTA. „Von diesem Übereinkommen können beide Seiten profitieren“, ist Schickhofer überzeugt.
Dieses Forschungsgebiet ist an der TU Graz im Field of Expertise "Sustainable Systems" verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern.