Wenn Roland Lammegger als Kind zu den Sternen und Planeten hinaufgeblickt hat, dann war der Jupiter aufgrund seiner Größe, seiner zahlreichen Monde und der interessanten Atmosphäre mit dem berühmten roten Fleck sein Lieblingsplanet. Dass er Jahre später als Forscher am Institut für Experimentalphysik der TU Graz etwas erfinden und bauen würde, das tatsächlich eine Reise zum Jupiter und seinen Monden macht, hätte er damals wohl nicht einmal zu träumen gewagt. Aus seiner persönlichen Sicht hat sich damit ein Kreis geschlossen. Aus wissenschaftlicher Sicht könnte Roland Lammeggers Erfindung dazu beitragen, ganz neue Erkenntnisse zu einer der spannendsten Fragen der Menschheit zu liefern: Gibt es außerhalb unserer Erde Leben?
Was verbergen Jupiters Eismonde?
Das in enger, jahrelanger Zusammenarbeit zwischen der TU Graz und dem Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gebaute optische Skalarmagnetometer mit der Bezeichnung MAGSCA startet voraussichtlich am 13. April 2023 mit der Mission JUICE (Jupiter ICy moons Explorer) der European Space Agency (ESA) vom Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana in Richtung Jupiter. Insgesamt zehn Instrumente hat JUICE dabei an Bord und soll unter anderem die Monde Ganymed, Europa und Kallisto untersuchen. In diesem Großprojekt ist MAGSCA Teil des Messinstruments J-MAG, das die Magnetfelder von Jupiter und den drei Eismonden bestimmen und dadurch Aufschlüsse darüber liefern soll, ob es unter den Eisoberflächen flüssiges Wasser und damit eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Leben gibt.
MAGSCA wird dabei verantwortlich dafür sein, die Stärke der Magnetfelder von Jupiter und dessen Monden mit hoher Genauigkeit zu bestimmen. Zwei Vektormagnetometer in J-MAG sorgen dafür, dass auch die Richtung der Magnetfelder ermittelt wird. Eine Verknüpfung dieser Werte liefert dann sehr präzise Aufschlüsse über die innere Struktur der Monde. „Wenn man das im Wasser induzierte Magnetfeld genau kennt, bekommt man eine Idee, wie es im Inneren des Körpers aussieht. Das ist neben der Schwerefeldmessung die einzige Methode, mit der man ganz tief in das Innere von Körpern blicken kann“, erklärt Roland Lammegger.
Lange Reise mit vielen Gefahren
Bis es so weit ist, wird JUICE allerdings rund acht Jahre zum Jupiter unterwegs sein und auf dem Weg dorthin einige Male die Sonne umkreisen sowie Swing-by-Manöver an der Erde, dem Mond und der Venus durchführen, um die nötige kinetische Energie für die Reise ins äußere Sonnensystem aufzubauen. Und auf diesem langen Weg sowie am Reiseziel warten durchaus herausfordernde Bedingungen auf die Sonde und die Messinstrumente. Außerhalb des erdnahen Orbits fehlt eine Magnetosphäre, die den Sonnenwind abschirmt, die Temperaturen sind wesentlich niedriger und der Jupiter selbst hat ein sehr starkes Magnetfeld, das den Sonnenwind auch noch konzentriert. „Da sind sehr große Teilchenströme mit hochenergetischen Partikeln, die der Hardware stark zusetzen“, sagt Roland Lammegger.
Darum waren zahlreiche Tests notwendig, um auch MAGSCA für diese unwirtlichen Bedingungen zu rüsten. Unter anderem ließ man sehr starke Strahlung auf das Magnetometer einwirken, millionen- bis milliardenfach höhere Dosen als man normal auf der Erde ausgesetzt ist. „Man kann sich das so vorstellen, dass man das Gerät im sprichwörtlichen Sinn in einen Kernreaktor hineinhält und dort bestrahlen lässt, um dann zu schauen, was passiert.“ Dabei stellte sich etwa heraus, dass die ursprünglich in MAGSCA verbauten optischen Fasern und deren Kunststoffhülle einfach zerfallen und dass das in den Fasern verwendete Glas undurchsichtig wird. Nach all den Tests und Vorbereitungen bleibt letztendlich trotzdem nur die Hoffnung, dass alles funktioniert, wenn es drauf ankommt. „Man kann dann ja keinen mehr nachschicken, der noch schnell die Schrauben anzieht. Mehr als 20 Kolleg*innen mit unterschiedlichsten Expertisen haben jedenfalls ihr Bestes getan, aber leider gibt es auch genügend Beispiele, wo dann trotzdem etwas schiefgegangen ist.“
Rubidiumatome in der Brusttasche
Für Roland Lammegger hat die lange Reise bereits einige Jahre vor JUICE begonnen, als er im Rahmen seiner 2006 veröffentlichten Dissertation und der darauffolgenden Forschung eine Methode entwickelt hat, um Magnetfelder mittels Zwei-Photonen-Spektroskopie von freien Alkaliatomen auf rein optischem Wege zu messen. Das neue Messprinzip wurde 2008 auch patentiert. Was nach der Entwicklung der Methode folgte, war allerdings nicht der direkte Weg an Bord einer Sonde zum Jupiter, sondern eine Kombination aus mehreren glücklichen Zusammentreffen mit den Kollegen vom Weltrauminstitut – allen voran mit Werner Magnes – zum passenden Zeitpunkt.
Es begann damit, dass sich in den späten 2000er-Jahren eine damalige Kollegin Roland Lammeggers am Institut für Experimentalphysik, Bodil Holst, sehr für seine Arbeit interessierte und der Meinung war, dass man daraus mehr machen müsste. Durch sie entstand der Kontakt zum IWF. „Das war ganz interessant. Ich hatte in meiner Brusttasche eine Glaszelle gefüllt mit Rubidiumatomen und sagte, damit kann man Magnetfelder messen. Davon waren Prof. Baumjohann und Werner Magnes auch gleich sehr begeistert und so ist die Zusammenarbeit ins Rollen gekommen“, erinnert er sich. Von einer Reise ins All war damals allerdings noch nicht die Rede.
Erfolgreicher Nachweis der Weltraumtauglichkeit
Zunächst einmal musste das Messinstrument fit für die Anwendung im Weltraum gemacht werden und dafür brauchte es jemanden, der dafür in einer Mission Verwendung fand. Dafür sorgte das nächste glückliche Zusammentreffen: Das IWF überlegte zu dieser Zeit gerade eine Beteiligung an einer chinesischen Erdfeldmission. Als Roland Lammegger einen Vortrag am IWF hielt, bei dem der dafür zuständige Wissenschaftler anwesend war, wurde sofort klar, dass das Skalarmagnetometer für die 2018 gestartete China Seismo-Electromagnetic Satellite (CSES) Sonde unbedingt benötigt wird. Das war das weltweit erste Mal, dass ein derartiges Instrument in den Weltraum flog und bot gleichzeitig den Nachweis, dass dieses Messinstrument weltraumtauglich ist – und das passenderweise genau in dem Zeitraum, in dem auch die Vorbereitungen für das MAGSCA-Projekt anliefen.
Damit waren aber immer noch nicht alle Hürden überwunden, denn abgesehen von den Erkenntnissen durch Strahlungs- und Belastungstests, galt es zunächst einmal das passende Design für MAGSCA zu entwickeln, damit es für die Mission verwendet werden kann. Laut Roland Lammegger gab es dabei durchaus auch schwere Zeiten, in denen die Suche nach passenden Lösungen nicht wie gewünscht zum Ziel führte. „Manchmal gabelt sich da der Weg und da sind zwei oder mehrere Fragezeichen und man weiß nicht, wie oder ob es überhaupt weitergeht. Aber dann trifft man doch wieder auf jemanden, der sagt, ich habe da eine Lösung oder versuchen wir das und so kommt man im Team dann weiter.“
Die Tragweite eines Nachweises
Diesen Prozess erlebte er ebenfalls als eine weite Reise mit allen Höhen und Tiefen, während der das Team aber wie eine zweite Familie für ihn geworden ist. Und wenn JUICE im Laufe seiner Mission zeigen sollte, dass die Eismonde des Jupiters tatsächlich die Voraussetzung für die Entstehung von Leben bieten, dann wäre der Kindheitstraum vom Jupiter für Roland Lammegger mehr als nur in Erfüllung gegangen. „Wenn dieser Nachweis gelänge, dann wäre das sehr aufregend. Man kann jetzt vielleicht noch gar nicht richtig einschätzen, was das für eine Tragweite hätte. Es würde die Neugierde auf jeden Fall anheizen und natürlich würde man dann schauen, wie man von dort eine Probe holen kann. Das Wissen, dass ich einen Beitrag geleistet habe, damit diese Entdeckung möglich geworden ist, das wäre schon eine große Ehre.“
Dieser Artikel ist Teil des TU Graz Dossiers „Die TU Graz im All”. Sie möchten die aktuellen Stories, News, Forschungsgeschichten, Interviews oder Blogbeiträge der TU Graz direkt auf Ihr Smartphone oder in Ihren E-Mail-Eingang erhalten? Abonnieren Sie kostenfrei den TU Graz-Telegram-Newsletter.