„Smarte Anwendungen sind bereits fixer Bestandteil unseres Alltags – in Alltagsgegenständen wie Mobiltelefonen, Smart Watches oder intelligenten Stromzählern. Aber auch in kritischen Bereichen wie Fahrzeugen, Krankenhäusern oder Industriebetrieben“, erklärt Kay Römer, Forscher an der TU Graz. „Die Sicherheit von Smart Things und vernetzten Systemen ist zwar ein wichtiges Thema, aber noch nicht umfassend gelöst. Vor allem fehlen uns derzeit noch Sicherheits- und Zuverlässigkeitsgarantien.“ Diese Bevölkerung unseres Alltags mit miteinander kommunizierenden Mini-Computern wird Internet der Dinge genannt. Dass das Internet der Dinge zuverlässig funktioniert und sicher ist, war in den vergangenen sechs Jahren im Zentrum von Kay Römers wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. Er leitet seit Anfang 2016 das erste Leadprojekt der TU Graz „Dependable Internet of Things in Adverse Environmentes“. Übersetzt heißt dieser Titel so viel wie ein sicheres und vor allem auch zuverlässiges Internet der Dinge, auch wenn die Umweltbedingungen nicht optimal sind. „Die smarten Geräte können sehr harschen und ungünstigen Bedingungen ausgesetzt sein. Das kann zum Beispiel Sonneneinstrahlung sein, die die Chips aufheizt, oder Funkstörungen, die Datenaustausch und Positionsbestimmung behindern.“
Die TU Graz fördert seit 2016 disziplinübergreifende Spitzenforschungsprojekte zu gesellschaftlich hoch relevanten Themen. „Dependable Internet of Things in Adverse Environments“ ist das erste Projekt, das mit Dezember 2022 abgeschlossen wird. Die Projekte durchlaufen ein kompetitives Auswahlverfahren durch eine internationale Fachjury. Vorerst werden die Projekte für drei Jahre gefördert. Nach einer erfolgreichen Zwischenevaluierung können sie um weitere drei Jahre verlängert werden. Aktuell laufen zwei weitere Leadprojekte, die gerade in die Verlängerung gegangen sind: „Porous Materials@Work“ und „Mechanik, Modellierung und Simulation von Aortendissektionen“.
Der Verlässlichkeit ein Stückchen nähergekommen
In den vergangenen sechs Jahren konnten die beteiligten Forschenden aus unterschiedlichen thematischen Blickwinkeln die Verlässlichkeit und Zuverlässigkeit der Mini-Computer in unserem Alltag um mehrere Schritte nach vorne bringen.
So beschäftigte sich ein Forschungsteam eingehend mit der zuverlässigen Lokalisierung in Navigationsanwendungen – etwa beim kooperativen Fahren autonomer Fahrzeuge oder in smarten Fabriken, in denen Maschinen selbstständig und gemeinsam arbeiten. Es ist nicht schwer zu erkennen, warum es gerade in diesen beiden Anwendungsfällen essentiell wichtig ist, dass alle Objekte zu jedem Zeitpunkt exakt wissen, wo sie sich gerade befinden. „Reflektionen der Ortungssignale an metallischen Objekten können die Positionsbestimmung ungenau machen oder sogar ganz verhindern“, so Römer. Für mehr Verlässlichkeit sorgt ein neues Funkortungsverfahren, die von diesen Reflektionen sogar profitiert. Damit ausgestattete Robotor erlernen anhand dieser Ortungssignale an welchen Stellen die Funkortung weniger genau ist und passen autonom die Anzahl der Messungen an, so dass immer eine hinreichend genaue Positionsbestimmung mit minimalem Messaufwand gewährleistet ist.
2019 wurde das Projekt zwischenevaluiert und um drei Jahre verlängert. Lesen Sie hier, was bis dahin bereits erreicht wurde.
Sicherheit mit Garantie
Die Sicherheit von Smart Things und vernetzten Systemen ist zwar ein wichtiges Thema, aber noch nicht umfassend entwickelt. Vor allem fehlen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsgarantien. „Derzeit gibt es für das Internet der Dinge lediglich Richtlinien für Funkchips wie etwa Bluetooth Low Energy (BLE), der den Herstellern immer einen gewissen Spielraum offen lassen“, erklärt Kay Römer und meint damit, dass es oft erst beim ersten realen Praxiseinsatz klar wird, ob zwei Chips von verschiedenen Herstellern korrekt zusammenarbeiten oder nicht. Auch das wollten die Forschenden ändern: „Wir möchten, dass es in Zukunft Garantien gibt, dass Geräte von verschiedenen Herstellern korrekt und sicher zusammenarbeiten.“ Dafür muss beweisbar sein, dass zwei Systeme miteinander arbeiten können – und Beweise sind ein aufwendiger mathematischer Vorgang. „Wir haben nun ein System entwickelt, dass diesen Beweis selbstständig führen kann. Das Prüfsystem stellt dem zu prüfenden Chip selbständig Fragen in Form von Funknachrichten. Aus den Antworten des Funkchips leitet das Prüfsystem selbstständig ein mathematisches Modell ab. Die Modelle verschiedener Chips kann man dann automatisiert miteinander vergleichen um zu beweisen, ob die Chips kompatibel sind oder zu zeigen wo es nicht passt.“
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Kay Römer erklärt: Wie funktioniert das Internet der Dinge?
Themen der Zukunft: Lebensdauer und Nachhaltigkeit
Neben Garantien und Zuverlässigkeit wird es in Zukunft noch weitere wichtige Forschungsthemen im Bereich Internet der Dinge geben. Etwa die Langlebigkeit von IoT-Anwendungen: „In der Gebäudeüberwachung werden derzeit schon smarte Systeme eingesetzt. Diese Systeme haben eine Lebensdauer von einigen Jahren – die Gebäude in denen sie verbaut werden, sind aber für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte ausgelegt. Wir werden uns überlegen müssen, wie wir mit dieser Diskrepanz umgehen können.“
Daneben spielt auch die Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle: „Sensoren und Chips zu bauen und zu betreiben verbraucht Ressourcen und Energie, andererseits können sie aber auch helfen Ressourcen und Energie zu sparen. Wir müssen uns genau anschauen, wo der Nutzen die Kosten überwiegt und in welchen Anwendungsbereichen wir nicht unbedingt „smart“ werden müssen, sondern es geschickter ist, „dumm“ zu bleiben“, so Römer. Zum Beispiel können Weingärten mittels Wettersensoren überwacht werden um die Entwicklung von Pilzkrankheiten vorherzusagen, aber: „Als Wissenschafter möchten wir natürlich alle möglichen Daten haben. Aber es muss immer im Einzelfall entschieden werden, ob hier nicht herkömmliche Schutzmaßnahmen, wie etwa die Wahl geeigneter Rebsorten oder Standorte, sinnvoller sind. Es muss also die Gesamtbilanz des Einsatzes solcher smarten Lösungen analysiert werden.“
Fragen gibt es also auch in Zukunft noch genug. Die Arbeit, die im Leadprojekt gestartet wurde, wird also auch nach dem offiziellen Projektende kein Ende finden. “Aus dem Leadprojekt sind viele interdisziplinäre Initiativen hervorgegangen. Zum Beispiel das Doktoratskolleg DENIS (Dependable Electonics Based Systems) oder der Spezialforschungsbereich SpyCoDE (Security and Privacy by Design). Wir legen hier die Grundlagen für die Anwendung des IoT in anderen Bereichen.”
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Information, Communication & Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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