Enzyme, die pathogene Bakterien „unsichtbar“ machen
Daniel Kracher kommt eigentlich aus der Lebensmittel- und Biotechnologie, entdeckte aber während des Studiums bei der intensiven Laborarbeit schon früh seine Liebe zur Biochemie und den Enzymen. „Ich habe mit Enzymen gearbeitet, über die man nicht viel weiß“, erzählt er rückblickend. Diese Enzyme ermöglichen es Pilzen, Biomasse effizienter abzubauen – ein Prozess, der noch nicht umfassend verstanden wird. „In diese Forschung musste ich mich richtig reinknien, um Erkenntnisse zu gewinnen. So habe ich Feuer gefangen.“
Nach seinem Studium in Wien sowie Aufenthalten in Norwegen und Manchester führte es den 38-Jährigen an die TU Graz, wo er bislang als Universitätsassistent arbeitet und in die Lehre eingebunden ist: „Das ist eine sehr tolle Erweiterung meiner Aufgaben, sehr erfüllend und spannend.“
Für die Young Researchers Group hat er sich, wie er selbst sagt, ein sehr „mutiges“ Projekt vorgenommen. Es befasst sich mit einer Kombination aus Biochemie und Infektionsbiologie. Bestimmte Enzyme ermöglichen es pathogenen Organismen, sich vor dem Immunsystem von Menschen und Tieren quasi zu „verstecken“ und so den Wirt äußerst effektiv zu infizieren. Warum das so ist, ist bis dato nicht bekannt. „Diese Enzyme weisen eine hohe Ähnlichkeit zu jenen Enzymen auf, die auch für den Biomasseabbau in Pilzen und Bakterien verantwortlich sind. Sie haben sich aber evolutionär anders entwickelt und nehmen in diesen Organismen womöglich eine völlig andere Funktion ein.“ Gemeinsam mit dem Infektionsbiologen Stefan Schild von der Universität Graz, der die Tests am Erreger selbst durchführen wird, will Kracher diesem Phänomen anhand des Cholera-Erregers auf den Grund gehen. Sein Ziel: „Wenn wir diese Proteine selektiv ausschalten könnten, dann könnten wir in einem sehr frühen Stadion den Erreger für das Immunsystem erkennbar und damit bekämpfbar machen.“ Das Enzym findet sich übrigens nicht nur im Cholera-Erreger, sondern unter anderem auch dem Pest- und Legionellen-Erreger.
Mit den Young Researcher Groups unterstützt die Universitätskooperation BioTechMed-Graz herausragende und vielversprechende Postdocs beim Aufbau und der Festigung einer eigenständigen Forschungsgruppe. 2019 wurde die Ausschreibung erstmalig durchgeführt – von der TU Graz gewann sie damals die Biotechnologin Anita Emmerstorfer-Augustin.
Proteasen – gezielte Protein-„Scheren“
Der 36-jährige Biochemiker Horst Lechner interessiert sich vor allem für Proteindesign und Katalyse – also die Eigenschaften von Enzymen zu ändern. Ein Enzym besteht aus einzelnen Bausteinen, den 20 Aminosäuren. „Im Grunde sieht das aus wie eine Perlenkette, die nach einem bestimmten Muster zusammengefaltet wurde“, erklärt der junge Forscher. In der Mitte sitzt eine Bindestelle, also eine kleine Tasche, an die ein passendes Molekül andocken und dann dort umgewandelt wird. Eine chemische Reaktion wird in dieser Bindetasche katalysiert. „Braucht man nun aber ein bestimmtes Enzym für eine bestimmte Reaktion und hat ein Molekül, das nicht in dessen Bindestellte passt, dann ist das ein Problem.“ Ein Problem, das etwa in der Medikamentenproduktion vorkommen kann. Mittels gezieltem Enzymdesign könnte das Enzym nun soweit verändert werden, bis das Molekül binden kann. Wobei allerdings Vorsicht geboten ist, denn: „Die Faltung der Aminosäurenkette gibt dem Enzym seine Funktion. Wird sie zu sehr verändert, dann wird das Enzym zerstört.“ Horst Lechner möchte nun einen neuen Weg einschlagen und eine passende Bindestelle von einem in ein anderes Enzym verpflanzen. „Wir haben eine bestimmte Anwendung im Kopf“, erzählt er. „Spezielle Enzyme, gewisse Proteasen, können in einer Aminosäurenkette bestimmte Abfolgen erkennen und die Kette nach dieser Abfolge zerschneiden. Für bestimmte Anwendungen ist es aber nötig, dass die Aminosäuren-Abfolge zwar erkannt, aber davor zerschnitten wird.“
Ursprünglich hätte es Lechner neben der Biochemie noch in ein ganz anderes Feld gezogen: den Maschinenbau. Der ist auf den zweiten Blick der Biochemie ähnlicher als vermutet: „Ich bastle gerne Dinge – jetzt bastle ich eben Enzyme. Also quasi Maschinen, die chemische Reaktionen machen.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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