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Sonnenstürme als Gefahr für das Stromnetz

23.12.2020 | Planet research | FoE Sustainable Systems | Young Talents

Von Birgit Baustädter

Stromausfälle haben viele Gründe: Meist denken wir an beschädigte Leitungen nach Wind und Wetter oder an ungeplante Stromflüsse, die das Netz überlasten. Doch auch Sonnenstürme können dazu führen.

Philipp Schachinger, Dennis Albert und Stefan Polster forschen am Institut für Elektrische Anlagen und Netze an den Auswirkungen von Sonnenstürmen und am Netz-Wiederaufbau nach einem Blackout. © Lunghammer – TU Graz

Strom ist in unserem Leben allgegenwärtig. So allgegenwärtig, dass wir ihn gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Außer wenn er plötzlich weg ist und wir ziellos nach einer Taschenlampe suchen. Ein Stromausfall kann viele Gründe haben - starke Sonnenstürme können einer davon sein.

Sonnenstürme beeinflussen unser Stromnetz

Sonnenstürme sind geladene Plasmawellen, die die Sonne in Zeiten hoher Aktivität ausstößt und die erdgerichtet sein können. Dort treffen diese Plasmawellen auf das Erdmagnetfeld und stauchen dieses zusammen, wie einen Luftballon den man mit den Händen zusammendrückt. Diese Magnetfeldänderungen führen zur Induktion eines elektrischen Feldes im Erdboden. „Dieses elektrische Feld führt zu Strömen in unseren Hochspannungsleitungen. Diese ungewollten Ströme beeinflussen unsere Energieversorgung negativ“, erzählen Dennis Albert und Philipp Schachinger. Sie beschäftigten sich als Universitäts-Projektassistenten am Institut für Elektrische Anlagen und Netze der TU Graz mit den Auswirkungen von Sonnenstürmen auf die elektrischen Netze. „Vor allem auf die Transformatoren wirken sich niederfrequenten Ströme, die bei Änderungen im Erdmagnetfeld entstehen, nachteilig aus. Das kann zu großen Problemen führen.“ Mit den österreichischen Stromnetzdaten und dem gemessenen Erdmagnetfeld kann das elektrische Feld berechnet werden. So können sie die Ströme berechnen, die auf die einzelnen Transformatoren wirken und rückschließen, welchen Einfluss sie haben. „Wir messen die induzierten Ströme kontinuierlich an sechs Transformatoren im österreichischen Übertragungsnetz, um unsere Berechnungen zu überprüfen“, erklärt Albert. „Im Labor haben wir darüber hinaus zwei umgebaute Leistungstransformatoren, an denen wir Versuche durchführen.“ So kann das Team Computermodelle und Berechnungen mit den tatsächlich gemessenen Daten abgleichen.

Alle elf Jahre sind Sonnenstürme übrigens besonders intensiv. Die Sonne durchläuft einen regelmäßigen Zyklus, währenddessen die Pole von Nord auf Süd wechseln. Derzeit befinden wir uns am Beginn des Zyklus 26. Zu Beginn eines neue Zyklus ist die geomagnetische Aktivität meist gering. „Momentan können wir vor allem messen, welche anderen Einflüsse es auf das Stromnetz gibt, die nicht von der Sonne erzeugt werden“, erklärt Herwig Renner, Professor am Institut für Elektrische Anlagen und Netze. „Wir suchen unter anderem nach Wochen-Rhythmen, die es in der Natur so nicht gibt, also vom Menschen gemacht worden sein müssen.“ Zum Beispiel beeinflussen U-Bahnen das Stromnetz und die Störungen in den Daten korrelieren mit deren Fahrplan. „Wir arbeiten in diesem Bereich intensiv mit den Wiener Linien zusammen und können so wertvolle Daten generieren“, so Renner.

Das Instituts-Labor ist mit einem Versuchs-Transformator ausgestattet. © Lunghammer – TU Graz

Wenn der Strom weg ist...

Am Institut für Elektrische Anlagen und Netze widmen sich Forschende auch ganz generell dem Thema Blackout – unabhängig davon, was der Auslöser dafür ist. „Wir setzen an dem Punkt an, an dem die Stromversorgung großflächig zusammengebrochen ist und untersuchen, wie sie Schritt für Schritt wiederaufgebaut werden kann“, erklärt Stefan Polster. Sein Fachgebiet sind Blackouts und deren Behebung. „Natürlich gibt es unterschiedliche notwendige Reparaturarbeiten am Netz, je nachdem, ob der Ausfall von einem Schadensereignis – wie großflächigem Windschlag als Folge eines Sturmtiefes – oder von überlasteten Leitungen ausgelöst wurde. Für die Wiederaufbaukonzepte ist das aber nicht von Bedeutung – die sollten in jedem Fall gleich ablaufen.“

Netzbetreiber haben Konzepte dafür, wie sie im Falle eines Ausfalls vorgehen, um die Versorgung so rasch und sicher wie möglich wiederaufzubauen. Die Arbeitsgruppe am Institut berät die Kraftwerks- und Netzbetreiber dabei, unterstützt im Vorfeld mit theoretischen Simulationen und ist bei realen Versuchen vor Ort. Wie zum Beispiel im Frühjahr, als ein ganzes Kraftwerk vom Netz genommen wurde. „Der Zeitpunkt für einen so großen Test muss natürlich penibel geplant werden, damit die Versorgung trotzdem aufrecht erhalten bleiben kann.“ Der Test habe übrigens wunderbar geklappt – das Konzept funktioniert.

Als erster Schritt wird der Umfang des Stromausfalls eingegrenzt – betrifft der Ausfall das gesamte europäische Netz, nur ein Land oder ist er lokal begrenzter? Als nächstes wird eine „Insel“ aufgebaut – also einzelne Maschinen hochgefahren und langsam ein begrenztes Netzsegment bespannt. Läuft alles stabil werden nach und nach weitere Lasten zugeschaltet und ein kleines, lokal funktionierendes Netz aufgebaut. So geht es weiter, bis das Stromnetz vollständig wiederaufgebaut ist.

Alle Forschungsbereiche des Instituts für Elektrische Anlagen und Netze finden Sie online auf der Instituts-Website.

Klimawandel als Gefahr für das Stromnetz

Größere Stromausfälle gibt es immer wieder. In Malmö etwa 2003, wo Sonnenstürme für einen großflächigen Ausfall gesorgt haben. Oder vor wenigen Jahren, als die Leitung nach Italien wegen zu hoher Lasten plötzlich vom Netz ging. Und auch der Klimawandel scheint seinen Beitrag zur Gefahr beizutragen, so Herwig Renner: „Wir merken, dass es immer extremere Wetterereignisse gibt, die natürlich zu einem höheren Risiko für die Stromversorgung führen. Aber wir merken auch, dass das Bewusstsein dafür immer mehr steigt und es immer bessere Gegenmaßnahmen gibt.“ Läuft alles nach Plan, dann sollte die wichtigste Infrastruktur nach einem Stromausfall innerhalb eines Tages wiederhergestellt sein – die Gesamtversorgung innerhalb einer Woche. „Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, dass es zu einem wirklich umfassenden Stromausfall kommt“, versucht Stefan Polster die Ängste vor einem Blackout zu zerstreuen. „Realistisch ist es aber schon.“

Information

Mit der Untersützung von Austrian Power Grid AG und Siemens Energy AG wurde am Institut für Elektrische Anlagen und Netze eine Hochspannungsprüfzelle für Transformatorversuche errichtet. Nun wurde die Prüfzelle dem Institut für Elektrische Anlagen und Netze übergeben. Im Rahmen des Projekts Niederfrequente Sternpunktströme 2 wird am Institut für Elektrische Anlagen und Netze der Einfluss von Sonnenstürmen auf Transformatoren und das österreichische Stromübertragungsnetz untersucht. Weitere Informationen finden Sie online auf der Website des Instituts.

Kontakt

Institut für Elektrische Anlagen und Netze

Dennis ALBERT, M.Sc.
dennis.albertnoSpam@tugraz.at

Philipp SCHACHINGER, Dipl.-Ing. BSc
philipp.schachingernoSpam@tugraz.at

Stefan Christian POLSTER, Dipl.-Ing.
stefan.polsternoSpam@tugraz.at