Der gebürtige Oststeirer Martin Kandlhofer interessiert sich schon seit Hauptschulzeiten für Software und Programmierung und hätte dennoch beinahe Germanistik oder Geschichte studiert. Ein Buch zu schreiben ist nach wie vor ein Traum des sportlichen Science Fiction-Fans, studiert hat er aber letztlich Softwareentwicklung an der TU Graz, „die logische und auch richtige Entscheidung“. In seiner Dissertation am Institut für Softwaretechnologie erforscht Martin Kandlhofer als Spezialist für Educational Robotics, wie sich der Nachwuchs, vom Kindergarten aufwärts bis zur Schule und Universität, für die Themen Robotik und Künstliche Intelligenz begeistern lässt.
News+Stories: Herr Kandlhofer, wie schaut denn ein Roboter aus?
Martin Kandlhofer: Die meisten Menschen, auch Kinder, haben schon ein klares Bild im Kopf. Ein Roboter kommt in der Vorstellung Vieler auf zwei Beinen daher, mit Augen und einem menschenähnlichen Gesicht. Wie zum Beispiel Nao, der weiße humanoide Roboter. Das hat aber optisch beispielsweise mit einem Industrieroboter nichts zu tun. Legoroboter oder TurtleBots, kleine „gesichtslose“ Roboter auf Rädern, sind äußerlich auch nicht unbedingt sexy, aber lassen sich relativ einfach programmieren. Ich zeige den Nao in Kursen immer erst zum Schluss her. Weil sonst fokussieren sich die Kids auf diesen humanoiden Roboter und sind beim eigentlich spannenden Teil – der Programmierung von zum Beispiel Legorobotern – nicht mehr ganz bei der Sache. Das ist auch Teil meiner, unserer Aufgabe am Institut für Softwaretechnologie der TU Graz: Den Leuten klarmachen, dass es nicht darum geht, wie ein Roboter ausschaut. Sondern darum, was er kann und wie man ihm etwas beibringt.
Sie geben Kinderkurse in Robotik?
Martin Kandlhofer: Ich beschäftige mich in meiner Dissertation mit der Frage, wie sich die Themen Robotik und Künstliche Intelligenz im Unterricht transportieren lassen und wie man grundsätzlich Roboter als Lerntools einsetzen kann. Ich mache das nicht nur theoretisch, sondern lasse beispielsweise auch Erkenntnisse aus Robotikworkshops in der Kinderbetreuungseinrichtung TU Graz nanoversity einfließen. Auch mit dem Kindergarten Rosental haben wir in einigen Projekten geschaut, wie wir den Kindern die Grundlagen von Robotik in verschiedenen Experimentierstationen näher bringen können. Wir haben für die ganz Kleinen quietschgelbe Bienenroboter, die kommen ganz gut an. Durch diese Freude kann man auch schon im Kindergarten ein bisschen trockeneren Inhalt transportieren.
Was ist das Ziel von Robotik im Unterricht?
Martin Kandlhofer: Wir wollen spielerisch ein Bewusstsein dafür schaffen, was eigentlich hinter den ganzen Technologien steckt, die man ja schon als Kind verwendet. Smartphones oder Google Maps zum Beispiel. Das ist keine Zauberei, sondern fußt auf ganz normalen Konzepten und Fähigkeiten, die man erlernen kann. Dieses Bewusstsein wird dann weiter verdichtet, von der Volksschule über die Unterstufe und weiter bis zur Oberstufe, dass die Kids dann fit sind für die Berufe und Studien der Zukunft.
Bleiben die Leute wirklich so viele Jahre dran an dem Thema?
Martin Kandlhofer: Wenn das Feuer entfacht ist und es Möglichkeiten gibt, sich auszuprobieren und weiterzuentwickeln – warum nicht? Ein Teil meiner Dissertation beschäftigt sich mit den Impacts der ganzen Educational-Robotics-Aktivitäten. Und da gibt es schon einige ehemalige Studierende mit beispielhaften Karrieren, die eben in der Schule mit Robotikaktivitäten begonnen haben und mittlerweile schon ihre Dissertation schreiben, ein Robotikunternehmen gründen oder in einem facheinschlägigen Beruf sind. Auch das unmittelbare Feedback von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern zeigt, dass der Ansatz nachhaltig funktionieren kann.
Wie gut muss man sein, um Roboter programmieren zu können?
Martin Kandlhofer: Für den Einstieg braucht man überhaupt keine Voraussetzungen. Das geht auch schon im Kindergarten. Natürlich wird es mit der Zeit immer komplexer. Und irgendwann wird man vielleicht auch ein wenig gebremst und desillusioniert, wenn man programmiert und programmiert und der Roboter macht trotzdem nicht das, was er sollte. Ganz oft überraschen mich Kinder und Jugendliche auch mit ihren Konstruktionen und Lösungen. Da gibt es die innovativsten Lösungen, wie man zum Beispiel einen Sensor anbringen kann. Auch in der Software gibt es teilweise unorthodoxe Lösungen. Aber wenn es funktioniert, ist das ein Erfolgserlebnis, das motiviert und Scheu nimmt.
Sind Mädchen und Buben gleichermaßen interessiert? Was ist Ihre Beobachtung?
Martin Kandlhofer: Das ist ganz interessant zu beobachten. Bis zur Pubertät hin sind das Interesse, die Motivation und auch das Verständnis ziemlich gleich. Es ist sogar so, dass die Schülerinnen in unseren Workshops irgendwie geschickter sind und die Aufgaben bald einmal gelöst haben, während die Burschen eher mehr herumprobieren. Später wird es dann ein bisschen schwieriger, und die Mädchen kommen uns abhanden. Da kommen dann hauptsächlich Burschengruppen in unsere Kurse. Das ist auch für uns ein offener Punkt, der noch mit einigen Fragezeichen verbunden ist.
Welche Angebote gibt es für den robotikinteressierten Nachwuchs?
Martin Kandlhofer: Kinder und Jugendliche bis zur Matura erreichen wir sehr gut im Rahmen des internationalen Roboterwettbewerbs RoboCupJunior. Masterstudierende können in Teams eigenständig an ihren Projekten arbeiten und an Wettbewerben teilnehmen. Unser Rettungsrobotikteam TEDUSAR hat übrigens voriges Jahr den Weltmeistertitel nach Graz geholt. Aber für Bachelorstudierende, also zwischen RoboCupJunior und Studierendenteams, gibt es momentan nichts. Das ist suboptimal, denn Jugendliche, die wir in ihren Schulen mit unseren Angeboten gut erreichen, kommen im besten Fall an die TU Graz, um ihr Vorwissen zu erweitern. Und dann müssen sie quasi bis zum Masterstudium warten, bis sie wieder aktiv sein können. Daher veranstalten wir heuer erstmals die „TU Graz Robotics Challenge“, einen Robotikwettbewerb für alle Bachelorstudierenden der TU Graz.
Wie präsent ist die Robotik in Ihrem Leben abseits der TU Graz?
Martin Kandlhofer: Ich hätte ja auch gerne Germanistik oder Geschichte studiert, und abseits von Programmieren und Co. ist immer noch eine Leidenschaft für Literatur da. Ich lese viel, von normaler Belletristik bis hin zu Science Fiction, schreibe Kurzgeschichten und irgendwann sicher auch mal ein Buch. Sport ist mir wichtig, und auch Serien schaue ich gerne. Meine Empfehlung: West World. Weil es die Thematik Künstliche Intelligenz und Robotik gut aufgreift und das Licht auch auf die ethischen Aspekte lenkt. Also Fragen aufwirft wie: Ab wann ist ein Roboter nur ein Roboter und ab wann vielleicht schon ein Lebewesen?
Apropos Ethik: Müssen Sie Ihre Arbeit oft rechtfertigen?
Martin Kandlhofer: Es gibt immer Fragen zu den ethischen Aspekten meiner Arbeit. Zum Beispiel, werden die Roboter irgendwann Amok laufen? Da spielen wieder die bekannten Bilder aus Film und Fernsehen eine Rolle, die erzeugen Ängste, dass Roboter die Menschen versklaven. Oder dass selbstfahrende Autos außer Kontrolle geraten. Schon klar, auf dem Weg zu autonomen Fahrzeugen sind noch einige Fragen offen. Die Roboterautos müssen in kritischen Situationen entscheiden, ob sie die Person am Straßenrand niederfahren oder doch ausweichen und das Leben der Insassen riskieren. Da treffen sich Roboter und Ethik ganz ordentlich. Diese Fragen kommen teilweise von Jüngeren und auch von Lehrkräften, und es gibt darauf keine trivialen ja-nein, schwarz-weiß Antworten.
Was entgegnen Sie der Skepsis?
Martin Kandlhofer: Die Sorge wegen verrücktspielender Roboter kann man schnell entkräften: Wir programmieren die Roboter ja. Und sie sind auch nicht so intelligent, wie manche glauben. Da ist auch die Hardware bei weitem noch nicht so weit. Und was die ethischen Überlegungen betrifft, darüber muss man einfach diskutieren, Für und Wider sammeln, und erklären. Wir können den Blick wieder in die jetzt existierende Realität lenken, das vermeintliche Schreckensbild aus der Zukunft aufgreifen und erklären, wie es tatsächlich momentan ausschaut. Viele Menschen sind ja geradezu desillusioniert und enttäuscht, wenn sie echte, derzeit existierende Roboter sehen. Weil sie halt andere Bilder im Kopf haben, wie Robotik auszusehen hat. Die sind dann fast schon enttäuscht, dass die Realität weniger spektakulär ist. Aber so ist es halt. Auch in Richtung Interaktion oder Kombination von Mensch und Maschine passiert schon einiges. Man könnte sich ja schon RFID Chips implementieren lassen und dann zum Beispiel Türen berührungslos öffnen. Ich bin ja eigentlich auch zum Teil ein Cyborg.
Sie sind ein Cyborg?!
Martin Kandlhofer: Im Grund schon, ja. Ich bin Diabetiker, und da gibt es eine neue Möglichkeit zur Kontrolle des Blutzuckerspiegels, in dem man sich einen RFID Chip implantieren lässt. Also eigentlich klebt er außen am Oberarm, und ein kleiner Sensor geht in die Haut und misst den Blutzuckerspiegel. So etwas habe ich seit Dezember und bekomme die Info zu meinem Blutzucker direkt aufs Handy. Das funktioniert ganz gut und ist wirklich praktisch. Eine andere Frage ist natürlich der Datenschutz. Weil im Prinzip könnte ja jeder, der ein starkes Lesegerät hat, meinen Blutzuckerspiegel rauslesen.
Wer ein Bachelorstudium an der TU Graz absolviert und an der TU Graz Robotics Challenge 2017 teilnehmen will, schickt ein Motivationsschreiben (1 A4 Seite, Arial 12pt) mit dem Betreff „ [robotics challenge]“ bis 4. April an Martin Kandlhofer.