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Eichlseder: „Wasserstoff ist Schlüssel zu grüner Energie“

18.11.2022 | TU Graz news | Forschung | Planet research | FoE Mobility & Production | FoE Sustainable Systems

Von Birgit Baustädter

Helmut Eichlseder beschäftigt sich wissenschaftlich mit nachhaltigen Antriebssystemen. Ein wichtiger Faktor ist Wasserstoff – in reiner Form oder als Ausgangsprodukt für Kraftstoffe.

Helmut Eichlseder forscht an alternativen Antriebssystemen. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz

News+Stories: Wenn Sie Ihre Nachbarin oder Ihr Nachbar fragt, ob mit Wasserstoff schon gefahren oder geheizt werden kann – was antworten Sie?

Helmut Eichlseder: Häuser zu beheizen ist theoretisch machbar, aber nicht die sinnvollste Möglichkeit der Nutzung. Das Auto kann bereits mit Wasserstoff betrieben werden. Es gibt Fahrzeuge – wir haben selbst einen als Dienstfahrzeug am Institut – aber die Infrastruktur ist in Österreich noch nicht ausreichend ausgebaut. Es gibt derzeit fünf Wasserstofftankstellen. Und die Fahrzeugpreise sind derzeit noch höher als bei konventionellen Fahrzeugen. Es wird vor allem im öffentlichen Verkehr eine Rolle spielen, bis das in der Breite ankommt wird es aber noch dauern. 

Könnte uns aber Wasserstoff bei der aktuellen Energieknappheit Lösungen bieten?

Eichlseder: Mittelfristig durchaus, er wird eine Schlüsselrolle einnehmen. Wir wollen nachhaltige Energie haben. Aber Europa hat alleine nicht die Kapazitäten, um den momentanen Bedarf zu decken. Deshalb werden wir Energie aus Ländern importieren müssen, die deutlich bessere Voraussetzungen haben. Und diese Energie müssen wir transportieren und speichern. Genau dort kann uns Wasserstoff helfen, weil er ein sehr guter Energieträger ist. Aber keine Primärenergie, wie es etwa Erdöl ist. 

Europa hat alleine nicht die Kapazitäten, um den momentanen Bedarf zu decken.

Die Produktion von Wasserstoff wird also in Ländern passieren, die entweder hohe Sonneneinstrahlung, starkes Windaufkommen oder passende geografische Bedingungen für die Wasserkraft haben. In günstigen Gegenden sprechen wir da von mehr als der doppelten Energieausbeute, als es in Europa möglich ist. Und es ist erkennbar, dass diese Anstrengungen immer stärker werden. Ich selbst war gerade auf zwei Forschungsreisen in besonders günstige Gegenden: Bhutan ist ein sehr kleiner Staat, der aber aufgrund der geografischen Gegebenheiten enorm viel Wasserkraft hat, selbst aber nicht einmal 20 Prozent der erzeugten Energie benötigen würde. Derzeit fehlt aber die passende Infrastruktur und das Land muss teure fossile Energie zukaufen. Und ich war in Saudi-Arabien, wo es sehr viel ungenützte Fläche mit sehr starker Sonneneinstrahlung gibt. Dem Land ist bewusst, dass es sich nicht auf die fossilen Energieträger verlassen kann und investiert gerade enorm in nachhaltige Technologien. Es gibt etwa Ideen für eine Modellstadt, die auf Wasserstoff basieren soll. 

Dieses Interview mit Helmut Eichlseder ist Teil des TU Graz Dossiers „Grüner Wasserstoff - Hype oder Hoffnungsträger?“. Weitere Dossiers finden Sie unter www.tugraz.at/go/dossiers.

Wo stehen wir denn aktuell in der Forschung?

Eichlseder: Unser diesbezüglicher Fokus am Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme sind die Energiewandler. Es gibt Brennstoffzellen, die als Haupttechnologie gesehen werde, aber auch den Wasserstoffverbrennungsmotor. Dieser nimmt gerade Fahrt auf, weil die großen Autohersteller ihn für sich und als Alternative zur Brennstoffzelle entdeckt haben. Wichtig ist auch das Thema E-Fuels, also Kraftstoffe, die auf Wasserstoff beruhen und mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren genutzt werden können. Sie spielen vor allem in der Luft- und Schifffahrt und im Verkehr eine Rolle. Wasserstoff wird so nicht nur in seiner reinen Form ein Thema sein, sondern auch als Ausgangsprodukt für Stoffe wie Methanol oder Ammoniak, die eine höhere Speicherdichte haben und noch besser transportiert werden können. Natürlich stimmt das Argument, dass durch die Umwandlungen der Wirkungsgrad niedriger als bei Direktverwendung ist, aber wenn wir erneuerbare Energie haben wollen, dann müssen wir sie importieren und haben keine Alternative. 

Mir kommt in der Diskussion aber immer das Thema Einsparungen zu kurz. Das ist mit Sicherheit der wirkungsvollste Hebel. 

Welche Rolle könnte der Wasserstoff in fünf Jahren im Energiemix einnehmen?

Eichlseder: Durchaus eine wesentliche, wenn auch noch keine dominante. Die Prozesse sind sehr langsam – gerade die Infrastruktur braucht lange Entwicklungszeit. In fünf Jahren wird es viele Demo-Projekte und spezifische Anwendungen geben, aber beim gesamten Energieverbrauch wird Wasserstoff noch nicht der Hauptakteur sein.

Mir kommt in der Diskussion aber immer das Thema Einsparungen zu kurz. Das ist mit Sicherheit der wirkungsvollste Hebel.

Wo macht der Einsatz von Wasserstoff wirklich Sinn?

Eichlseder: Das muss man differenziert sehen. Nicht für jede Anwendung ist er perfekt geeignet. Zum Beispiel im Schiffsverkehr sehe ich viel eher Methanol und Ammoniak, weil sie eine höhere Energiedichte haben. Genauso im Flugverkehr. Auch im Individualverkehr mit dem PKW wird die klassische E-Mobilität eine größere Rolle spielen. Im Schwerverkehr ist es anders. Dort und in der Industrie wird reiner Wasserstoff eine sehr große Rolle spielen. 

Was fehlt grünem Wasserstoff zum Durchbruch?

Eichlseder: Die Erzeugung ist ein wesentlicher Punkt. Es wird gerne vergessen, dass Wasserstoff heute zum Großteil aus fossilen Quellen stammt – weil es billiger ist. Ziel muss aber sein, dass er aus nachhaltigen Quellen kommt und billiger wird. Wir müssen Elektrolyseure weiterentwickeln – auch, was die Kosten betrifft. Und in unserem Geschäft – der Entwicklung von Antriebssystemen – geht es neben den Kosten auch um die Robustheit. Da ist noch einiges zu tun. Derzeit ist die fossile Energie, trotz aller momentanen Teuerungen, noch immer konkurrenzlos. 

Was sind die derzeit größten Missverständnisse?

Eichlseder: Dass Wasserstoff extrem viel Energie in der Herstellung braucht. Er ist eben „nur“ ein Energieträger und damit mit Wirkungsgraden verbunden. Er braucht natürlich Energie in der Herstellung und sprudelt nicht wie Erdöl einfach aus dem Boden. 

Was überzeugt Sie persönlich am Wasserstoff?

Eichlseder: Seine universelle Anwendbarkeit – sowohl in direkter Form, aber auch als Ausgangsprodukt für andere Kraftstoffe. Deshalb bin ich überzeugt, dass er der Schlüssel für eine erneuerbare Energiewirtschaft sein wird. Die TU Graz hat eine sehr erfreuliche Einstellung zu diesem Thema und fördert die Forschung in diesem Bereich. 

Kontakt

Helmut EICHLSEDER
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
Institut für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme
Inffeldgasse 19/III
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 30000
helmut.eichlseder@tugraz.at