Seit Ende 2019 baut die neu berufene Professorin an der TU Graz gemeinsam mit Tanja Wrodnigg das Institut für Chemie und Technologie Biobasierter Systeme auf. „Es ist faszinierend, dass die Natur problemlos schafft, was nicht einmal unsere klügsten Forschenden zustande bringen“, antwortet Karin Stana Kleinschek auf die Frage, warum ihr Interesse für diesen Forschungsbereich so groß ist. „Wir Wissenschafterinnen und Wissenschafter bemühen uns sehr, die synthetische Herstellung chemischer Strukturen zu beherrschen, tun uns aber sehr schwer, das zu imitieren, was die belebte Natur offenbar mit großer Leichtigkeit hervorbringt. Man stelle sich beispielsweise das Lebewesen Baum vor. Dessen sehr komplexen Aufbau würde ein/e Materialwissenschafter/in als Bionanokomposit mit äußerst interessanten Eigenschaften bezeichnen, das aus einer nahezu unendlichen Zahl biochemischer Wechselwirkung entstand. Chemiker/innen und Techniker/innen konstruieren und bauen riesige, ebenfalls sehr komplexe Reaktorsysteme, in denen vergleichsweise einfache Moleküle mit sehr hohem energetischem und technischem Aufwand synthetisiert werden. Der Komplexitätsgrad biologischer Systeme wird bei der chemischen Synthese jedoch bei Weitem nicht erreicht.“
Zucker und Kunststoff
Schon ihre Dissertation widmete sie dem Thema Zellulose – zu einer Zeit, in der Biopolymere als nachwachsender Rohstoff gänzlich unpopulär waren. „Kunststoffe, also synthetische Polymere, waren damals hoch anerkannt, weil sie sehr gute und nützliche Eigenschaften haben.“ Viele synthetische Polymere können aber nur mit Aufwand wieder zu nutzbaren oder unproblematischen Stoffen ab- oder umgebaut werden. Sie werden daher, neben dem Recycling, meist deponiert oder verbrannt. Zusätzlich werden fast alle Kunststoffe aus fossilen Rohstoffen mit hohem Energiebedarf hergestellt. Daher ist man heute wieder vermehrt auf der Suche nach Materialien, die aus kurzfristig erneuerbaren Rohstoffen produziert werden oder längerfristig (biologisch) abbaubar sind, was die Problematik der Entsorgung reduzieren kann. Ein Beispiel sind Polyester, die aus Saccharose oder Glucose, also aus Zucker als Rohstoff, hergestellt werden. Zu beachten sei jedoch, dass biobasiert nicht automatisch ressourcenschonend bedeutet und oft sehr dauerhafte Produkte gebraucht werden, so die Forscherin, das müsse für jeden Fall einzeln genau untersucht werden. „Eine wichtige Frage lautet heute: Wie kann man Kunststoffe und Produkte mit gewünschten Eigenschaften so konzipieren, dass deren Herstellung weniger Ressourcen benötigt und die Materialien am Ende der Nutzungsdauer entweder im Stoffkreislauf bleiben oder völlig unproblematisch und kostengünstig entsorgt werden können?“ Die Antwort auf diese Frage sei nicht trivial: „Wenn es so einfach wäre, dann hätten die großen Hersteller längst Lösungen am Markt.“
Viele Arbeitsgruppen etwa versuchen, zellulosebasierte Verpackungsmaterialien mit Beschichtungen auszustatten, um die notwendigen Barriere-Eigenschaften zu erhalten und die Wechselwirkung mit Wasser und Mikroorganismen zu kontrollieren. „Das ist zwar heute schon möglich, aber die notwendigen chemischen Modifikationen oder Beschichtungen können die Recyclingfähigkeit oder Abbaubarkeit stark reduzieren.“
Trotz dieser Herausforderungen ist die Wissenschafterin optimistisch: „In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird die Forschung so weit sein. Dann werden wir neue Materialien in einigen Bereichen zur Verfügung haben, die diesen hohen Anforderungen entsprechen.“
Unterstützung für junge Forschende
Der Lebenslauf der früheren Vizerektorin für Forschung an der Universität Maribor und Mitglied in diversen namhaften Netzwerken liest sich rege und beeindruckend. Auf die Frage, worauf sie aber besonders stolz ist, antwortet sie ganz anders: „Ich bin sehr stolz, dass alle talentierten jungen Menschen, die in den letzten 15 Jahren in meiner Gruppe ausgebildet wurden, heute eine Anstellung haben und von ihrer Forschung leben können.“ Besonders am Herzen liegen ihr auch junge Frauen: „Als Frau muss man sich immer noch entscheiden, eine Mutter oder eine Forscherin zu sein, Zeit mit der Familie oder mit der Forschung zu verbringen. Ich hatte immer sehr viele junge Mütter in meinem Team und bin darauf stolz. Aber es ist schwierig, alles zu vereinen. Wir sollten uns alle bemühen, jungen Frauen in der Forschung eine Perspektive zu geben.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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