Batterien sind vieles: zylindrische Metallkapseln mit einem Plus oben und einem Minus unten, schwarze Päckchen in unseren Mobiltelefonen, silberne Knöpfe in allen möglichen Größen, unsichtbar in unseren elektrischen Zahnbürsten verbaut oder auch flach hintereinander gestapelt in unseren E-Fahrzeugen. Aber vor allem sind Batterien eines: Energiespeichersysteme, die besonders in Zeiten von E-Mobilität und Internet of Things immer wichtiger werden. Denn Strom brauchen nicht nur die uns aus dem Alltag bekannten Geräte. Immer wichtiger wird die Energieversorgung auch bei Mikrochips, in medizinischen Anwendungen und in der Sensortechnik. Die Anforderungen sind unterschiedlich: Während Batterien in der E-Mobilität vor allem immer sicherer und leistungsfähiger werden müssen, müssen Stromversorgungssysteme im Umfeld des Internet of Things kleiner, autonomer und vor allem auch flexibler werden – denken wir zum Beispiel an Diagnosesysteme, die flach auf der Haut angebracht oder gar geschluckt werden und von dort aus autonom Daten an die Medizinerin oder den Mediziner senden.
Optimierung und Weiterentwicklung von Energiespeichersystemen
An der TU Graz beschäftigen sich zahlreiche Forscherinnen und Forscher mit der Optimierung und Weiterentwicklung von Energiespeichersystemen. Zentrale Forschungspersönlichkeit ist Martin Wilkening, der nicht nur das Institut für Chemische Technologie von Materialien leitet, sondern 2012 auch das Christian-Doppler-Labor für Lithium-Batterien gründete und seitdem führt. „E-Mobilität ist derzeit ein viel diskutiertes Thema – denn es ist eine Art der Mobilität, die scheinbar gänzlich ohne Emissionen auskommt“, sagt Wilkening. „Aber ganz stimmt das nicht, denn man muss sich immer den gesamten Lebenszyklus einer Batterie anschauen: die Produktion, ihren Einsatz, ihre Lebensdauer, ihr Nachleben und Recyclingmöglichkeiten. All das muss betrachtet werden, wenn man von der Batterie spricht.“
Man muss sich immer den gesamten Lebenszyklus einer Batterie anschauen: die Produktion, ihren Einsatz, ihre Lebensdauer, ihr Nachleben und Recyclingmöglichkeiten. All das muss betrachtet werden, wenn man von der Batterie spricht.
Sein Institut ist eines der größten an der TU Graz – es nimmt alleine flächenmäßig die Hälfte des Neuen Chemie-Gebäudes in der Stremayrgasse 9 ein. Hier sind neben Büros auch zahlreiche Labors untergebracht, in denen vielfältige Forschungsprojekte laufen: „Wir fangen hier ganz am Anfang an. Wir zerlegen Batterien, untersuchen sie, bauen uns unsere eigenen wieder zusammen und machen umfassende Tests. Wir beschäftigen uns beginnend vom Materialdesign über Alterungsprozesse, den optimalen Aufbau und Sicherheitsaspekte bis hin zu Nachnutzungsmöglichkeiten mit einem sehr breiten Spektrum an batteriebezogener Forschung“, veranschaulicht der Professor das batteriegetriebene Forschungsspektrum in Graz. Er selbst schaut sich als Physiko- und Elektrochemiker die Dinge gerne von innen an. Mit verschiedensten spektroskopischen Methoden betrachtet er Transportphänomene der Lithium-Ladungsträger in Stoffen und untersucht, wie verschiedenste Materialien in Batterien optimal zusammenspielen können.
Infobox: Wie funktioniert eine Batterie? Wie schaut sie von innen aus? Das Team des Instituts für Chemische Technologie von Materialien zeigt es in diesem Video.
CD-Labor für Lithium-Batterien
Im 2012 gegründeten CD-Labor beschäftigt man sich vor allem mit der Materialseite, sucht nach neuen Konzepten für Lithium-Batterien und erforscht Einflussfaktoren, die sich auf ihre Lebensdauer und Leistungsfähigkeit auswirken. „Mit der Erforschung der grundlegenden Vorgänge verfügt man über die naturwissenschaftliche Basis, um Lebensdauer, Leistungsfähigkeit und Sicherheit der Energiespeichersysteme weiter zu verbessern“, erklärt Wilkening.
Eines der zentralen Themen ist die Größe von Batterien bzw. wie man diese möglichst gering halten kann. „Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie gehen in ein Krankenhaus und bekommen dort einen Fiebermesssensor mit einem Pflaster aufgeklebt, der ständig Ihre Temperatur und andere Werte misst – da müssen natürlich sehr kleine Batterien mit ausreichender Sendeleistung eingesetzt werden. Oder auch in der Flugzeugindustrie, die zur Rundumüberwachung des Flugzeuges kleine, kabellose und leichte Sensoren benötigt – da müssen die Batterien nicht nur leistungsfähig, sondern auch resistent gegenüber sehr tiefen Temperaturen sein“, erklärt Wilkening.
Im August 2016 gelang dem Team des CD-Labors ein wichtiger Erfolg: Die Forschenden konnten zeigen, wie einkristallines Silizium direkt als Batterieelektrode – also Anode – genutzt werden kann. Das Großartige an dieser Entdeckung? Einkristallines Silizium ist der Stoff, aus dem Mikrochips bestehen. Damit enthalten Mikrochips nicht nur die Elektronik, sondern auch den wesentlichsten Teil einer Mini-Batterie, mit dem sie sich selbst mit Strom versorgen können. Diese Entwicklung ermöglicht die integrierte Energieversorgung von Mikrochips mit einer nur wenige Millimeter großen, wiederaufladbaren Batterie. Diese hat eine Leistungskraft, die mit den besten heutzutage erhältlichen Lithium-Ionen-Batteriesystemen konkurrieren kann.
Hochleistungsbatterien aus Graz
Speziell mit der Leistungsfähigkeit von Batterien beschäftig sich Stefan Freunberger, dessen wissenschaftliche Karriere ebenfalls in den Laboren des Instituts für Chemische Technologie von Materialien begonnen hat. 2014 konnte er für seine Arbeit einen der renommierten ERC Starting Grants abräumen und forscht seither in seinem Projekt OMICON unter anderem an Hochleistungsbatterien und einem neuartigen Konzept organischer Ionen-Elektronen-Gemischtleiter. Ziel dieser Forschung ist die Entwicklung von Super-Batterien für den Einsatz in elektrisch betriebenen Fahrzeugen. Zuletzt ließ Freunberger mit mehreren Publikationen in den renommierten Journals Nature Energy und Angewandte Chemie aufhorchen:
Nicht-wässrige Lithium-Sauerstoff-Batterien werden als ein möglicher Nachfolger der heute üblichen Lithium-Ionen-Batterie gehandelt, weil ihre Energiedichte weitaus größer ist. Lithium-Luft-Batterien nutzen die Reaktion von Sauerstoff mit Lithium, Natrium oder Magnesium und setzten so elektrische Energie frei. Ihr derzeit größter Nachteil: ein extrem schneller Alterungsprozess. Stefan Freunberger konnte nun nachweisen, dass bei diesem Energiegewinnungsprozess Singulett-Stauerstoff entsteht, der bisher nur schwer in Batteriesystemen nachgewiesen werden konnte. Das wichtige Detail: Singulett-Sauerstoff hat starken Einfluss auf die Alterung der Batterie. „Aus Forschungssicht ist das eine buchstäbliche Goldgrube. Es zeigt sich, dass in jeglicher Elektrochemie, in der Sauerstoff involviert ist – und das ist in großen Teilen der Batteriechemie der Fall – Singulett-Sauerstoff von Bedeutung sein kann. Die Methoden zum Nachweis von Singulett-Sauerstoff lassen sich jetzt auch an anderen Fronten anwenden“, sagt der Forscher.
Zusätzlich lieferten Freunberger und sein Team auch gleich einen ersten Lösungsansatz, um Batterien elektrochemisch langlebiger zu gestalten: „Im Wesentlichen braucht es die Funktion des Enzyms Superoxide Dismutase in der Batterie. Wir konnten eine Molekülklasse identifizieren, die diese Funktion erfüllen kann. Jetzt müssen wir noch einen passenden Weg finden, das „Enzym“ in das Batteriesystem einzuschleusen, entweder über den Elektrolyten selbst oder über ein Additiv, das im Elektrolyten gelöst wird. Das ist ein erster Ansatz, der funktioniert, aber sicher noch nicht optimal ist. Hinter der großen Tür, die wir aufstoßen konnten, wartet also jede Menge Arbeit.“ Für seine erfolgreiche Forschung wurde er 2017 zum Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt und erhielt 2018 den Tajima Prize der International Society of Electrochemistry.
Aus Forschungssicht ist das eine buchstäbliche Goldgrube. Es zeigt sich, dass in jeglicher Elektrochemie, in der Sauerstoff involviert ist – und das ist in großen Teilen der Batteriechemie der Fall – Singulett-Sauerstoff von Bedeutung sein kann.
Sicher über den ganzen Lebenszyklus hinweg
Vor allem in der Elektromobilität, die eines der wichtigsten Anwendungsgebiete neuer Batteriesysteme ist, sind neben der Leistungsfähigkeit auch Weiterentwicklungen im Bereich Sicherheit von großem Interesse. „Im Sinne der Sicherheit schützen Fahrzeughersteller Batteriekomponenten lieber mehr als unbedingt notwendig, um auf alle Fälle auf der sicheren Seite zu sein. Dadurch ergeben sich aber im Gegenzug gewisse Einschränkungen, was Gewicht, Bauweise und Leistungsfähigkeit betrifft“, erklären Wolfgang Sinz und Christian Ellersdorfer vom Institut für Fahrzeugsicherheit. Sie erforschen gemeinsam mit dem Institut für Chemische Technologie von Materialien in dem FFG COMET-Projekt SafeBattery, wie sich Belastungen im Laufe eines Batterielebens auf die Sicherheit von Lithium-Ionen-Speichersysteme auswirken. „Das Verhalten von Batteriekomponenten unter Crashbelastungen ist noch zu wenig erforscht. Derzeit bekannte Studien beschränken sich meistens auf das Verhalten von neuen Fahrzeugbatterien, ohne beispielsweise den möglichen Einfluss von Vorbelastungen wie Alterung zu berücksichtigen.“
Im Sinne der Sicherheit schützen Fahrzeughersteller Batteriekomponenten lieber mehr als unbedingt notwendig, um auf alle Fälle auf der sicheren Seite zu sein. Dadurch ergeben sich aber im Gegenzug gewisse Einschränkungen, was Gewicht, Bauweise und Leistungsfähigkeit betrifft.
Im Zentrum des Forschungsinteresses steht das mechanische, elektrochemische und chemisch-thermodynamische Verhalten von Einzelzellen und Einzelmodulen auf Lithiumbasis unter Crashbelastungen. Untersucht wird das Verhalten von Batterien mit unterschiedlichem Vorleben und damit möglicherweise einem unterschiedlichen Reaktionsverhalten im Falle eines Unfalles. „Die Sicherheit muss nicht nur bei neuen Batterien auf jeden Fall gewährleistet sein, sondern auch bei Fahrzeugen, die bereits ein bestimmtes Maß an Vibrationen, an mechanischen Belastungen – etwa aus leichten Unfällen – oder kalendarische Alterung hinter sich haben“, so Sinz.
Aber nicht nur der aktuelle Zustand der Batterie wird berücksichtigt – es wird auch auf Faktoren wie Ladezustand oder Betriebstemperatur geachtet. Ziel ist es, die Grenzen von Batterien auszuloten und in weiterer Folge Parameter zu definieren, unter denen Batterien sicher zu verwenden sind. Geforscht wird außerdem nicht nur an derzeit gebräuchlichen Lithium-Batterien, sondern auch bereits an der nächsten Generation, wie Sinz verrät: „Uns interessiert hier, ob die kommende Generation an Antriebsbatterien einige Mankos der derzeitigen Systeme gar nicht mehr aufweist oder vielleicht neue, andere Schwachstellen mit sich bringt.“
Breit gefächertes Forschungsfeld
Der Sicherheitsaspekt und die Erhöhung der Leistungskapazität werden auch in Zukunft eine immer größere Rolle in der Forschung spielen, blickt Martin Wilkening voraus: „Sicherheit und hohe Energiedichte sowie die Entwicklung nachhaltiger und umweltfreundlicher Batterien sind Ziele für die nächsten Jahre.“ Die Batterieforschung an der TU Graz ist breit gefächert und wird es auch in Zukunft sein.