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Auf der Suche nach der Herzsteuerung

08.02.2024 | Planet research | FoE Human & Biotechnology

Von Falko Schoklitsch

Wenn es um das Herz geht, möchte Peter Macheroux vom Institut für Biochemie der TU Graz wissen, warum es so funktioniert, wie es funktioniert. Ein Gespräch über Enzyme, Proteine, Hormone und Nervenleitungen.

Peter Macheroux vom Institut für Biochemie der TU Graz. Bildquelle: Lunghammer - TU Graz

News + Stories: Sie sind Biochemiker. Wie kommen Sie in Ihrer Forschung mit dem Herz in Berührung?

Peter Macheroux: Wenn man das Herz rein als Muskel betrachtet, dann ist das natürlich eher auf physiologischer Ebene interessant. Will man aber wissen, welche Faktoren das Herz regulieren oder Einfluss darauf nehmen, kommt unter anderem die Biochemie ins Spiel.

Was haben Sie diesbezüglich erforscht?

Macheroux: Es gibt das Enzym Dipeptidylpeptidase 3 oder kurz DPP3. Wir konnten nachweisen, dass es für den hohen Blutdruckabfall verantwortlich ist, der bei Schockzuständen auftritt. Der Grund ist, dass DDP3 Peptidhormone - die auch als Angiotensine bezeichnet werden - abbaut, die dafür sorgen sollen, dass der Blutdruck oben bleibt. Diese Peptide verengen bei Notwendigkeit die Blutgefäße, um den Blutdruck zum Steigen zu bringen – darum heißen sie auch Vasopressoren. Die Blutdruckregulation ist für alle Organe wichtig, besonders aber für das Herz. Denn ohne vernünftigen Blutdruck können die Organe nicht mehr durchblutet werden. Diesen Zustand nennt man Hypoperfusion und der kann zu Organversagen führen, also auch zu Komplikationen am Herzen.

Wie kann diese Erkenntnis nun genutzt werden, um unser Herz und auch andere Organe zu schützen?

Macheroux: Da wir wissen, dass DPP3 im Blutkreislaufsystem nichts Gutes bewirkt, wäre ein Ansatzpunkt, es durch Antikörper oder kleine organische Moleküle bei einem Schockzustand zu hemmen. Das würde verhindern, dass die Vasopressoren abgebaut werden und damit einem Blutdruckabfall vorbeugen. Ein geeigneter Hemmstoff könnte also Menschen in einem Schockzustand durchaus das Leben retten und daher ist es nicht verwunderlich, dass sich solche Stoffe bereits in der Entwicklung befinden.

Der Schlüsselmechanismus zur Regulierung unseres Blutdrucks ist das Renin-Angiotensin-System

Wie sind Sie überhaupt darauf gestoßen, dass DPP3 so große Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System hat?

Macheroux: Es gibt verschiedene Kategorien an Enzymen im Körper des Menschen und DPP3 gehört zu den sogenannten Housekeeping-Enzymen. Das heißt, es ist immer und überall vorhanden. Zunächst war aber überhaupt nicht bekannt, welche Rolle das Enzym tatsächlich im ganzen Ablauf der biochemischen Prozesse im Körper spielt – an das Herz hat zu dem Zeitpunkt noch niemand gedacht. Daher gab es die grundlegende Fragestellung: Was macht das Enzym? Wofür braucht man es überhaupt? Erst im Laufe unserer Forschungen sind wir dann auf den Zusammenhang mit dem Herz und dem Herz-Kreislaufsystem gestoßen.

DPP3 ist ein Faktor, aber wie sieht die biochemische Regulierung des Herz-Kreislaufsystems im Ganzen aus und wie gut versteht die Forschung sie?

Macheroux: Der Schlüsselmechanismus zur Regulierung unseres Blutdrucks ist das Renin-Angiotensin-System. Wie der Name schon verrät, stecken hier die zuvor erwähnten Angiotensine mit drin. Dieses System als Ganzes ist sehr komplex. Dort gibt es eine Vielzahl an Peptiden und das sind relativ kleine Moleküle. Aber die modulieren dieses ganze Herz-Kreislaufsystem. Und man kann sagen, das ist eines der bestregulierten physiologischen Systeme im Körper überhaupt. Das muss es auch sein, weil es für die Organe extrem wichtig ist, dass ein gewisser Blutdruck vorhanden ist und der auch entsprechend reguliert wird. Der chemische Ablauf in der Kurzfassung lässt sich so erklären: Die Peptide binden an Rezeptoren und wenn eine Bindung stattfindet, sendet der Rezeptor ein Signal in die Zelle, wodurch sich die Zellbiochemie verändert.

Der Fachbereich der Biochemie ist riesengroß und es gibt zahlreiche Teilbereiche. Wo hat Biochemie überall mit dem Herzen zu tun?

Macheroux: Muskel-Biochemie oder Muskelphysiologie ist ein Kernbereich der Biochemie, daher spielt das Herz als Muskel hier eine große Rolle. Es gibt sehr viele Biochemiker*innen, die beschäftigen sich mit dem Aufbau von Muskeln, mit Muskelfasern und da gibt es bestimmte Proteine, die miteinander interagieren. Für die Biochemie ist das Herz als Muskel vor allem deswegen sehr interessant, weil es ja immer wieder angeschaltet wird. Die Herzmuskelkontraktion ist ein sehr koordinierter Prozess und hat mit Nervenleitung zu tun, was auch wieder Biochemie ist. Da geht es um das Verständnis dafür, wie Signale überhaupt über die Nervenbahnen geschickt werden und was passiert, wenn sie wo ankommen. Hier sind ebenfalls Enzyme beteiligt.

Man darf ja nicht vergessen, das Herz schlägt von Lebensanfang bis Lebensende, und wir nehmen das praktisch als selbstverständlich hin, obwohl das essentiell ist

Durch die Nerven selbst fließt ein elektrisches Signal und dieses Signal wird am Ende in ein biochemisches Signal umgewandelt. Im Anschluss wird das biochemische Signal innerhalb der Zelle ausgelesen. Wie so ein Muskel, und besonders der Herzmuskel, über diese Nervenimpulse gesteuert wird, das möchten Biochemiker*innen wissen. Man darf ja nicht vergessen, das Herz schlägt von Lebensanfang bis Lebensende, und wir nehmen das praktisch als selbstverständlich hin, obwohl das essentiell ist. Schließlich ist das Herz dafür verantwortlich, dass Nährstoffe und Sauerstoff überall im Körper ankommen.

Haben Sie aus Ihrem Fachbereich heraus Tipps, wie Menschen besser auf ihr Herz achten können?

Macheroux: Neben dem allgemeingültigen Tipp, täglich genug Bewegung zu machen, ist aus meiner Sicht die ausreichende Versorgung mit Mineralien sehr wichtig. Man sollte vor allem darauf achten, genügend Magnesium zu sich zu nehmen. Ausgewogene Ernährung wird in diesem Zusammenhang auch oft genannt, wobei sich die Frage stellt, was ist ausgewogen. Unser Hauptarbeitsgebiet sind vitaminabhängige Enzyme. Aus meiner Sicht sollten bei einer ausgewogenen Ernährung daher besonders die Vitamine im Fokus stehen. Zusammengefasst würde ich also sagen, für die Herzgesundheit ist die ausreichende Versorgung mit Vitaminen und Mineralien von großer Bedeutung.

Abseits von gesund oder ungesund gibt es auch den Begriff des schweren oder gebrochenen Herzens. Kann man diesen Zustand chemisch erklären?

Macheroux: Ja, wobei es sich hier um eine hormonelle Angelegenheit handelt. Wenn jemand sehr stark leidet oder einen Verlust hat, weil man beispielsweise eine wichtige Person verliert oder von ihr verlassen wird, dann denke ich, dass das auf hormoneller Ebene sichtbar ist. In dem Fall sind die Unglückshormone da und das beeinträchtigt den ganzen Körper. Das hat schon eine biochemische Komponente, wobei der Prozess an sich eher in die Physiologie fällt. Aber das Gefühl, unglücklich zu sein, hat sicher eine hormonelle Entsprechung und insofern spiegeln biochemische Prozesse sicherlich in gewisser Weise Gemütszustände wider.

Dieses Forschungsthema ist im Field of Expertise Human & Biotechnologyverankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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Kontakt

Peter MACHEROUX
Univ.-Prof. Dr.rer.nat.
TU Graz | Institut für Biochemie
Tel.: +43 316 873 6450

peter.macherouxnoSpam@tugraz.at