News+Stories: Sie haben Maschinenbau an der TU Graz studiert. Warum haben Sie dieses Studium gewählt?
Julian Torggler: Mein Vater ist Mechaniker und schon länger als Lehrer in der Berufsschule tätig und irgendwie habe ich diese Luft geschnuppert. Ich war schon sehr früh an Fahrzeugen und generell an Mobilität interessiert. Ich wollte immer wissen, wie etwas genau funktioniert oder wieso das so funktioniert. An der HTL – also in Südtirol heißt das „Fachhochschule“ – habe ich die Richtung Maschinenbau gemacht, also war das für mich schon ein relativ klarer Weg von klein auf in die Richtung.
Warum sind Sie als Südtiroler nach Österreich, an die TU Graz gekommen, um zu studieren?
Julian Torggler: Wir haben uns mehrere Unis, vorrangig im deutschsprachigen Raum, angeschaut, waren auch in München und in Wien. Graz war uns insgesamt – also von der Uni selbst und von der Ausrichtung der Ausbildung her – am sympathischsten. Mit „uns“ meine ich sieben Schüler unserer damaligen HTL Klasse, die nach Graz gekommen sind. Wir haben uns am Anfang des Studiums dann gegenseitig unterstützt.
Das heißt, alle sieben haben an der TU Graz begonnen?
Julian Torggler: Nein, drei sind an die FH Joanneum gegangen und die restlichen vier haben an der TU Graz Maschinenbau oder Maschinenbau-Wirtschaft gewählt.
Wie habt ihr euch vorher über das Maschinenbau-Studium informiert?
Julian Torggler: Wir waren ganz zufällig von der HTL aus im Abschlussjahr in Österreich und haben da verschiedene Firmen angeschaut. Wir waren in Steyr und haben das BMW Group Werk Steyr besichtigt, waren in Bruck bei Pankl Racing Systems und dann in Graz waren wir bei der AVL und haben dort zufällig schon den ersten Kontakt mit der TU Graz gehabt. Dann waren wir im Sommer in Graz und haben uns über die Studienvertretung Maschinenbau noch Informationen aus Studierendensicht geholt – und das hat dann gut gepasst.
Auf der Webseite Bachelorstudien findest du die Bachelorstudien der TU Graz von A bis Z, jeweils mit Details zu Studium, Zulassung, Perspektiven nach dem Bachelorstudium und mehr. Die Webseite Beratung und Services für Studieninteressierte bietet einen Überblick über alle Beratungs- und Serviceangebote, wie den Tag der offenen Tür jedes Jahr in der Woche nach Ostern, einen Link zu den Studienvertretungen der HochschülerInnenschaft an der TU Graz (HTU Graz) oder Infos zu Anmeldung und Zulassung.
Was waren die Erwartungen vor dem Studium? Was war dann ganz anders?
Julian Torggler: Überraschend war der erste Schritt zur Selbstorganisation, also dass man sich selbst für Kurse anmelden muss, sich selbst die Räume suchen muss, und dass man wirklich eigenständig agiert als Student oder Studentin. Am Anfang gab es sehr viel Information in kurzer Zeit und die Grundlagenfächer waren für uns relativ anspruchsvoll, aber man wächst da schnell hinein. Die Geschwindigkeit war schon viel höher als in der Schule. Man lernt dann schnell andere Studienkolleginnen und -kollegen kennen und versteht, dass das Studium im Team funktioniert.
Sie haben Ihre Masterarbeit im Bereich Eisenbahnwesen geschrieben. Waren Sie immer schon von Zügen fasziniert?
Julian Torggler: Ich bin zwar viele Stunden mit der Eisenbahn nach Hause gefahren in der Studienzeit, aber ehrlich gesagt habe ich mir zu der Zeit nicht so viel Gedanken darüber gemacht, was da technisch dahintersteckt. Eigentlich war ich mehr in Richtung Automobil interessiert, habe mich im Bachelorstudium drei Jahre lang intensiv im TU Graz Racing Team engagiert und im Master die Vertiefung Fahrzeugtechnik und -sicherheit gemacht.
Im Masterstudium Maschinenbau an der TU Graz gibt es sechs Vertiefungen: Produktionstechnik, Energietechnik, Computational Engineering, Produktentwicklung mechatronischer Systeme, Motor- und Antriebstechnik, Fahrzeugtechnik und -sicherheit. Die TU Graz-Webseite Masterstudium Maschinenbau bietet alle Infos rund um das Studium.
Drei Jahre in der Formula student? Das klingt spannend.
Julian Torggler: Ja, das war eine sehr intensive Zeit (lacht). Ich bin während meinem Bachelorstudium über einen Südtiroler Kollegen dazugestoßen und war dann intensiv dabei. Ein Jahr lang war ich auch Leiter des Bereichs „Fahrwerk“ und hatte ein Team, mit dem ich gearbeitet habe. Das hat mir sehr viel neue Perspektiven eröffnet.
Welche Perspektiven waren das?
Julian Torggler: Ich habe gelernt, wie man mit Firmen in Kontakt kommt. Für Studierende gibt es natürlich die Karrieremessen, wie zum Beispiel die Teconomy Graz, wo Firmen vertreten sind, aber mit dem TU Graz Racing Team mussten wir Sponsoren aktiv kontaktieren, um den besten Formula Student Rennwagen konstruieren und bauen zu können. Wir waren in Silverstone in England an der Rennstrecke und haben dort internationale Rennteams live kennen gelernt. Wir hatten dann eine tolle Chance, wir waren knapp eineinhalb Monate in Japan, haben da einen Wettbewerb bestritten. Und wir waren auch in Amerika, haben also wirklich die Welt bereist, was für mich komplettes Neuland und super spannend war. All die Leute aus anderen Regionen kennen zu lernen, hat meinen Horizont erweitert in dem Sinn, dass es anderswo andere Herangehensweisen gibt als bei uns.
Hat die Mitarbeit im Studierendenteam viel Zeit gekostet?
Julian Torggler: Das Studium ist ein Jahr lang so gut wie auf Eis gelegen. Ich habe die zwei Toleranzsemester in das TU Graz Racing Team investiert. Für mich war es eine sehr große Bereicherung, praktische Erfahrungen zu sammeln, die man im Studium so nicht mitnehmen kann. Im TU Graz Racing Team bauen die Teammitglieder das Fahrzeug ja wirklich selbst. Für mich hat sich die Zeit gelohnt.
An der TU Graz gibt es eine Vielzahl von Studierendenteams, in denen Studierende ihre praktischen Fähigkeiten und sozialen Kompetenzen ausbauen, Kontakte zu Wirtschaft, Industrie und Forschung und natürlich Freundschaften knüpfen können. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite Überblick Studierendenteams.
Wie verlagerte sich das Interesse dann von der Automobil- auf die Schienenfahrzeugtechnik?
Julian Torggler: Ein Kollege aus dem Studierendenteam hatte vor mir seine Masterarbeit im Bereich Schienenfahrzeugtechnik angefangen. Wir waren gemeinsam in der Werkstatt des TU Graz Racing Teams am Campus Inffeldgasse, und weil das Institut für Betriebsfestigkeit und Schienenfahrzeugtechnik gleich im Nachbarhaus ist, sind wir da irgendwann mal hineingestolpert (lacht). Und es hat von Anfang an gut gepasst in der Schienenfahrzeugtechnik.
Was genau hat in der Schienenfahrzeugtechnik gut gepasst?
Julian Torggler: Ich habe für mich entdeckt, dass die Schienenfahrzeugtechnik sehr herausfordernd und spannend sein kann. Am Institut für Betriebsfestigkeit und Schienenfahrzeugtechnik der TU Graz gibt es eine große und relativ einzigartige Prüfhalle mit sehr imposanten Bauteilen, sozusagen viel „klassischen“ Maschinenbau, also viel Stahlbau und viele Ermüdungsversuche. In der Automobilindustrie geht es eher um Optimierung, du arbeitest schon sehr im Detail und sehr kostengetrieben. Am Institut forschen wir wirklich noch an den Grundlagen, es ist möglich, an etwas Neuem zu arbeiten und nicht nur das Bestehende weiterzuentwickeln. Das hat mich sehr begeistert.
Und vor allem gibt es längerfristige Pläne. Aufgrund der größeren Zeitschiene kann alles weiter und größer gedacht werden. Ich muss nicht in einem Jahr ein komplett neues Fahrzeug entwickeln und das muss dann auf den Markt kommen, sondern es sind meistens Projekte mit fünf- bis zehn Jahreshorizonten.
Am Institut für Betriebsfestigkeit und Schienenfahrzeugtechnik forschen wir wirklich noch an den Grundlagen, es ist möglich, an etwas Neuem zu arbeiten und nicht nur das Bestehende weiterzuentwickeln. Das hat mich sehr begeistert.
Mit Ihrer Masterarbeit haben Sie den ersten Preis des Siemens Railway Engineering Awards von Siemens Mobility erhalten. Wie kam es dazu?
Julian Torggler: Es gab am Institut schon sehr lang eine enge Kooperation mit Siemens Mobility Austria in Graz, die sogenannte „Siemens Klasse“ gehört dazu. Ich wurde als Student mit meiner Masterarbeit, deren Fragestellung von Siemens Mobility Austria kam, Teil dieses „Research Innovation Ecosystem (RIE)“ und bin nun auch mit meiner Doktorarbeit in diesem Rahmen tätig.
Für seine Masterarbeit erhielt Julian Torggler den 1. Preis des Siemens Railway Engineering Award der Siemens Mobility Austria in Graz. Mit dem österreichweit ausgeschriebenen Preis prämiert Siemens Mobility Austria herausragende Leistungen im Bereich des öffentlichen Verkehrs, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Bahn/Schiene befassen. Der Preis wird in Zusammenarbeit mit Technischen Universitäten und Fachhochschulen in Österreich vergeben.
Welche Vorteile brachte es, die Masterarbeit für Siemens Mobility Austria im Rahmen der RIE Kooperation zu schreiben?
Julian Torggler: Der Austausch mit den Ansprechpartnern und Kollegen bei Siemens, den ich auch jetzt noch in einem gemeinsamen monatlichen Jour fixe habe, war aus fachlicher Sicht sehr hilfreich. Es gab viele interessante Inputs aus Sicht der Industrie. Und es gibt Unterstützung, wenn wir für die Forschung Materialien brauchen oder Kontakte zu Lieferanten. Wir prüfen im Forschungsprojekt Bauteile, die von den Zulieferern kommen. Als Universitätsinstitut allein wäre es schwierig, die Komponenten zu bekommen, die wir brauchen. Das ist da eine tolle Ergänzung.
Das Research and Innovation Ecosystems (RIE) erweitert seit 2021 die strategische Kooperation der TU Graz mit Siemens im Bereich der Bahntechnik. Das RIE lebt in der sogenannten „Siemens Klasse", bestehend aus allen in gemeinsame Forschungsprojekte involvierten Studierenden. Auf der Webseite Kooperationen mit Wirtschaft und Industrie finden Sie mehr Informationen zum RIE und anderen Kooperationen der TU Graz, etwa mit Magna Steyr Fahrzeugtechnik, AVL List, dem Science Park Graz und vielen mehr. Unter Partnerunternehmen der TU Graz gibt es Informationen zu den Wirtschaftspartnern der TU Graz.
Das heißt in Ihrer Masterarbeit und Dissertation geht es um Bauteile von Schienenfahrzeugen?
Julian Torggler: Richtig. In der Masterarbeit ging es darum, aus einem Bauteil eine Probe zu entnehmen und das Material zu charakterisieren, das heißt zu prüfen, wie sich das Material in unterschiedlichen Kombinationen verhält. Weil es für solche Werkstoffe, die in der Federung zwischen dem Eisenbahnwagon und dem Fahrwerk eingesetzt werden, keine wirklich genormten Proben gibt, haben wir etwas Eigenes entwickelt. Meine Aufgabe in der Masterarbeit war es, diese Proben am Prüffeld zu prüfen und die entwickelte Geometrie zu verifizieren. Jetzt in der Dissertation geht es um die Ermüdungsfestigkeit des Materials. Ich untersuche, unter welchen Bedingungen es im Betrieb wie lange den Belastungen standhält. Der Wunsch von Siemens war, im Vorhinein genauer abschätzen zu können, wie man bestimmte Bauteile richtig dimensioniert.
Wofür spielt das eine Rolle?
Julian Torggler: Zum Beispiel für die Nachhaltigkeit. Es geht darum, das Material möglichst effizient zu nutzen und gegebenenfalls bessere Materialkombinationen zu verwenden. Wir könnten das Bauteil natürlich viel massiver oder stärker ausführen, so funktioniert es auf jeden Fall im Betrieb. Die Herangehensweise heute ist aber, besser zu verstehen, wann und wieso das Material kaputt wird, wie lange es standhält, damit man es möglichst lange im Betrieb halten und sicher betreiben kann und keine unnötigen Werkstoffressourcen verbraucht.
Sie sind Projektassistent am Institut für Betriebsfestigkeit und Schienenfahrzeugtechnik der TU Graz. Was bedeutet das?
Julian Torggler: Ja, ich bin Projektassistent hier am Institut. Meine Aufgabe ist die Forschung im Kooperationsprojekt „Ermüdungsanalyse von Faserverbundwerkstoffen mit Gummimatrix“ von TU Graz und Siemens. Im Gegensatz zu Universitätsassistentinnen oder -assistenten habe ich keine Aufgaben in der Lehre – unterstütze aber bei Bedarf gerne.
Die Forschung ist aktuell für mich eine sehr tolle Spielwiese (lacht). Wir dürfen da sehr viel ausprobieren, können relativ viel eigenverantwortlich entscheiden und selbst umsetzen. Das finde ich sehr spannend.
Geht es nach der Dissertation in die Wirtschaft oder in die Forschung?
Julian Torggler: Ganz sicher bin ich mir noch nicht, aber ich denke es gibt durch den Kontakt mit Siemens eine gute Möglichkeit, dass ich dort weiter in die jetzige Richtung arbeiten kann. Oder es ergibt sich am Institut eine Gelegenheit für weitergehende Forschung. Ich stehe mit meiner Dissertation ungefähr bei der Halbzeit und möchte noch nichts ausschließen. Die Forschung ist aktuell für mich eine sehr tolle Spielwiese (lacht). Wir dürfen da sehr viel ausprobieren, können relativ viel eigenverantwortlich – natürlich immer in Absprache mit den Kolleg*innen und mit den Projektpartnern – entscheiden und selbst umsetzen. Das finde ich sehr spannend. Es gibt keinen vorgezeichneten Weg, damit es funktioniert. Das kann manchmal auch ein Nachteil sein, wenn es dann nicht so funktioniert wie vorher gedacht. Aber Sackgassen gehören auch zum Alltag in der Forschung.