Wie war das nochmal mit Wasserstoff, Formel H, chemisches Element aus dem Periodensystem? Das die Hindenburg zum Explodieren brachte, das Farbe aus den Haaren zieht und einige wenige Fahrzeuge antreibt? Vom Schulwissen ist darüber meist wenig in Erinnerung geblieben, etwa das mit der Knallgasreaktion. Vielleicht noch, dass Wasserstoff zum Konservieren von Lebensmitteln eingesetzt wird oder als Kühlmittel in Kraftwerken. Das war es auch schon.
Das beobachtet zumindest Alexander Trattner von der universitätseigenen Forschungseinrichtung Hydrogen Center Austria (HyCentA) an der TU Graz. Hier wird seit 15 Jahren der wirtschaftlich realistische und technisch machbare Einsatz von Wasserstoff als Energieträger beforscht. Trattners Meinung nach werden genau diese interessanten Seiten von Wasserstoff im Schulunterricht vielfach ausgespart. Zum Beispiel, dass er der Schlüssel zur grünen Energiewende sein könnte.
Allein in Österreich stammen noch immer zwei Drittel der Energie aus fossilen Energieträgern. Obwohl das Land sich für seinen „grünen Strom“ aus Wasserkraft rühmt.
Es braucht mehr Ideologie
Zur Erinnerung: Eine Brennstoffzelle besteht aus zwei Elektroden, verbunden durch einen Elektrolyten, eine dünne Membran, die durch das Zusammensetzen von Wasserstoff und Luft Strom erzeugt. Erfunden wurde das System 1838 von Christian Friedrich Schönbein. Seit den 1970er Jahren beforscht die TU Graz mit ihren vernetzten Einrichtungen das Thema. Damals fuhr der TU Graz Wasserstoffpionier Professor Karl Kordesch mit den ersten wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen durch Graz.
Aktuell arbeiten an der TU Graz rund 160 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran. Man zählt europaweit zu den Top 3 in diesem Bereich.
Vorreiter sind Korea und Japan, die dem europäischen Markt technologisch um gut zehn Jahre voraus sind, betont Trattner.
Technologieführerschaft brauche eine Ideologie, auch wenn diese etwas kostet. Und diese Haltung fehle in Europa noch. Fakt ist, dass die Technologie für die Brennstoffzelle teuer ist, detto die Herstellung von Wasserstoff. Kein Grund, nicht weiterzuforschen, findet Trattner.
Das HyCentA ist das erste österreichische Forschungszentrum für Wasserstoff mit modernen Prüfständen und Abgabestellen für gasförmigen Wasserstoff.
Es nähert sich dem Stoff von verschiedenen Seiten. In einem aktuellen Projekt soll etwa im Bereich Brennstoffzellentechnologie die Industrialisierung vorangetrieben werden. In einem weiteren Projekt will man der Halbleiterindustrie Lösungen bieten, um den steigenden Wasserstoffbedarf vor Ort und „grün“ decken zu können. Mit dem Projekt Hydrogen Truck (Hy-Truck) arbeitet man an einer emissionsfreien, brennstoffzellenbasierten Lösung für den Nutzfahrzeugmarkt.
Wasserstoff- statt Diesellok
Aber auch im Eisenbahnbereich wird Wasserstoff künftig zum Einsatz kommen, sagt Matthias Landgraf vom Institut für Eisenbahnwesen und Verkehrswirtschaft an der TU Graz.
Dort setzt man alles daran, mittelfristig dieselbetriebene Strecken mit alternativen Antriebstechnologien wie beispielsweise Wasserstoff zu betreiben. 2023 startet der erste Praxisversuch im Zillertal. Die dortige Zillertalbahn soll dann mit Wasserstoff fahren, der im nahen Verbundkraftwerk produziert wird. Zwar sind die meisten Bahnstrecken in Österreich bereits elektrifiziert. Das Optimierungspotenzial betrifft „nur“ rund zehn Prozent der Zugfahrten, die noch dieselbetrieben durchgeführt werden. Doch es geht auch darum, diese oftmals nicht sehr effizienten Nebenstrecken wieder attraktiv zu machen. Unter anderem mit autonom fahrenden Zügen, die flexibler in der Taktung sind, weil sie ohne Personal auskommen.
Großes Einsparpotenzial sieht Landgraf auch bei den Gleisbaumaschinen, die im Eisenbahnwesen eingesetzt werden. Beispielsweise die Schotterbettreinigungsmaschine, die bis zu 800 Meter lang ist und dementsprechend viel Treibstoff benötigt. Selbiges gilt für die zahlreichen im Verschub eingesetzten Lokomotiven, die derzeit rund ein Drittel des Treibstoffbedarfs darstellen.
Auch im Bereich Hochseeschifffahrt macht sich die TU Graz in der Forschung stark. Am Large Engines Competence Center (LEC) ist die Universität mehrheitlich beteiligt. Das LEC hat einen mit Methanol betriebenen Motor entwickelt, der seinen Treibstoff direkt auf dem Schiff mit Wasserstoff produziert. Hergestellt aus den erneuerbaren Energieträgern Sonne und Wind – und aus CO2. Das bei diesem Prozess abgeschiedene CO2 wird dem Kraftstoff bereits vor dem Verbrennen entnommen und somit nicht mehr emittiert. Stattdessen wird auf dem Schiff gespeichert und wieder in die Methanolproduktion zurückgebracht. Es entsteht so ein geschlossener CO2-Kreislauf für den Schiffsantrieb.
In der Praxis bedeutet das minus 97 Prozent CO2 und minus 80 Prozent NOx bei einem Plus von 45 Prozent im Bereich Energieeffizienz.
Der Einsatz muss sinnvoll sein
Für Alexander Trattner könne Wasserstoff seine Stärke vor allem bei größeren Fahrzeugen, bei LKW oder in der Schifffahrt ausspielen. Im Individualverkehr glaubt Trattner, werde sich eher der Batteriebetrieb durchsetzen. Vor allem auf der Kurzstrecke, schon allein wegen des besseren Wirkungsgrades. „In Summe geht es nicht darum, Batterie oder Brennstoffzelle gegen synthetische Stoffe auszuspielen“, erklärt er. Wasserstoff müsse endlich als zukunftsträchtige Lösung angesehen werden, inklusive dem Aspekt der guten Speichermöglichkeiten. Matthias Landgraf sieht das ähnlich. „Die Bahn muss als Verkehrsträger optimal in eine nachhaltige Mobilitätskette eingepflegt werden. Jedes Verkehrsmittel sollte dort genützt werden, wo es seine Stärken optimal ausspielen kann.“
Studierendenteams
Studierendenrennställe wie das TU Graz Racing Team, TERA TU Graz oder Autonomous Racing Graz widmen sich disziplinenübergreifend Mobilitätsformen von morgen. Sie alle fahren bei internationalen Wettkämpfen große Erfolge ein.
Die Forschenden der TU Graz suchen Lösungen für die brennenden Probleme der Gegenwart. Welche Themen sie derzeit auf dem Schirm haben und was man studieren kann, um wie sie die Zukunft zu verändern, erfahren Sie auf TU Graz screenshots.