In den vergangenen 15 Jahren haben sich an der TU Graz mehrere Schwerpunkte entwickelt, in denen Grundlagenforschung zur Untersuchung des Naturphänomens „Blitzentladung“ durchgeführt wird. Für Lukas Schwalt und Projektleiter Stephan Pack reicht der Forschungsbereich von den physikalischen Grundlagen der Entladungsprozesse über die Auswirkungen der Blitzentladungen auf Hochspannungssysteme bis zur Thematik Blitzschutz und Personenschutz.
Wie entstehen Blitz und Donner?
Blitzentladungen entstehen in elektrisch geladenen Gewitterwolken als Ausgleich von unterschiedlichen Ladungszentren. Der dazu nötige Prozess der Ladungstrennung während der Entstehung bzw. des Heranwachsens einer Gewitterwolke/eines Gewitters ist bis heute nicht zur Gänze geklärt.
Kommt es zum Ausgleich zwischen zwei unterschiedlich geladenen Ladungszentren in einer Gewitterwolke, zwischen Gewitterwolken oder zwischen einer Gewitterwolke und der Erde, so bildet sich ein Leitblitzkanal aus. Dieser wächst in Ruckstufen vor bis er auf das Ladungszentrum der entgegengesetzten Polarität in der Wolke stößt, in einem Objekt oder direkt im Boden einschlägt. Im Falle eines Wolke-Erde-Blitzes kommt es während des Heranwachsens des Leitblitzkanals, mit mehr oder weniger starker Verästelung, auch von Objekten auf der Erde aus zu einer sogenannten Fangentladung. Trifft diese Fangentladung mit einem Leitblitz zusammen, sprechen wir von einem Blitz bzw. einer Blitzentladung.
Im Moment der Entladung kommt es zu einer starken Erwärmung des Blitzkanals und so zu einer Expansion der Luft um den Kanal. Dieser Vorgang ist dann als Donner wahrzunehmen.
Gibt es verschiedene Blitzarten?
Es gibt sowohl Wolke-Wolke-Entladungen als auch Wolke-Erde-Entladungen. Erstere laufen zwischen Wolken oder innerhalb einer Wolke ab und haben keinen Kontakt zum Boden. Diese Art von Blitzen macht ca. 90 Prozent aller Entladungen aus. Die restlichen zehn Prozent laufen als sogenannte Wolke-Erde-Blitze ab. Hier wächst die Blitzentladung entweder von der Wolke Richtung Erde vor, bis sie an einem Punkt am Boden einschlägt (Abwärtsblitz, häufiger), oder von exponierten Stellen am Boden, wie etwa hohen Gebäuden oder Türmen, in Richtung Wolke (Aufwärtsblitze, selten). Ein weiteres Unterscheidungskriterium stellt die Polarität der Blitzentladung dar. Hier unterscheidet man ja nach Polarität der abgeführten Ladung aus der Wolke in negative (häufig) und positive (selten) Blitze.
Eine Hochgeschwindigkeitsaufnahme vom Magdalensberg in Kärnten zeigt Blitzentladungen von der Wolke zur Erde. (Creative Commons Lizenz: IHS - TU Graz, CC BY-SA)
Wie verhalte ich mich bei einem Gewitter?
Generell sollte man sich während eines Gewitters nicht im Freien aufhalten. Bei einem herannahenden Gewitter ist es notwendig, rechtzeitig geschützte Bereiche aufzusuchen (Fahrzeug mit Ganzmetallkarosserie, Gebäude mit Blitzschutz etc.) und das Gewitter abzuwarten. Aktuelle Wetterdaten helfen bei der richtigen Einschätzung der Wetterlage. Wird man wirklich von einem Gewitter überrascht und kann keinen gesicherten Ort mehr aufsuchen, sollte man sich hinhocken, am besten in einer Mulde. Grundsätzlich gilt, dass bei Aufenthalt während eines Gewitters im Freien nur mehr Risikominimierung betrieben werden kann.
Woher weiß ich, wie weit ein Gewitter entfernt ist?
Wenn Donner zu hören ist, ist das Gewitter weniger als 10 Kilometer von eigenen Standort entfernt. In diesem Fall sollten umgehend geschützte Bereiche aufgesucht werden. Man kann die Entfernung einer Blitzentladung berechnen, in dem man die Sekunden zwischen Blitz und Donner zählt und diese Zahl dann mit 340 m/s (die ungefähre Schallgeschwindigkeit in Luft) multipliziert. 30 Sekunden entsprechen also ca. 10 Kilometern. Hört man 30 Minuten lang keinen Donner, kann angenommen werden, dass das Gewitter vorüber ist.
Welche Gefahren gibt es?
Der direkte Blitzeinschlag ist am gefährlichsten für den Körper. Die Berührung von metallischen Teilen, die in diesem Moment einen Blitzstrom ableiten, ist lebensgefährlich bzw. kann schwere Verletzungen hervorrufen. Gefahr besteht auch in der Nähe eines vom Blitz getroffenen Objekts (Baum, Turm etc.), da der abgeleitete Strom einen Pfad über den Körper nehmen kann. Im Nahbereich eines Einschlagorts kann während der Ableitung des Blitzstroms auch die sogenannte Schrittspannung (auftretende Spannungsdifferenz zwischen den Beinen) zu Verletzungen führen.
Was sind besonders sichere, was besonders gefährliche Orte bei einem Gewitter?
Sichere Orte während eines Gewitters sind Fahrzeuge mit Ganzmetallkarosserie sowie Gebäude mit Blitzschutzsystemen, aber auch Seilbahnkabinen, Kabinen von Baumaschinen und Eisenbahnwagen. Auch hier gilt es , metallische Leitungen nicht zu berühren bzw. Kontakt zu vermeiden. Besonders unsicher sind Gipfel und Kammbereiche im Gebirge. Auch Personen in Gewässern sind stark gefährdet.
Lassen sich Blitzeinschläge verhindern?
Die Blitzentladung ist ein Naturphänomen, das zufällig auftritt und sich nicht verhindern lässt. Auch ist der Einschlagort von Wolke-Erde-Blitzen nicht vorhersehbar. Generell gilt, dass Blitzentladungen eher in die höchste Struktur der Umgebung einschlagen.
Wie funktioniert eine Blitzschutzanlage?
Eine Blitzschutzanlage gibt dem Blitz einen idealen Pfad vom Einschlagspunkt am Dach bis in die Erdungsanlage vor. Der Blitzstrom wird über die Blitzschutzanlage verteilt und in die Erde abgeleitet. Zu unterscheiden gilt es „äußeren Blitzschutz“ in Form von Fangleitungen, Ableitern und Erdungsanlage im Außenbereich des zu schützenden Objekts und den „inneren Blitzschutz“ in Form von Überspannungsschutz und Potentialausgleich.
Wo blitzt es besonders häufig?
In Österreich ist der Süd-Osten die blitzaktivste Region: In den Jahren 2010 bis 2018 wurden vom Blitzortungsnetzwerk ALDIS im Bezirk Weiz in der Steiermark die meisten Blitze pro Quadratkilometer und Jahr geortet (ca. drei Blitze pro Quadratkilometer und Jahr).
Weltweit gelten die Demokratische Republik Kongo und die Stadt Darwin im Norden Australiens als blitzaktivste Regionen. Zudem gibt es eine geografische Besonderheit einer Meeresbucht in Venezuela, dem „Lake Maracaimbo“. Die so genannten „Catatumbo-Gewitter“ Venezuelas treten an ca. 140 Tagen im Jahr auf und zeigen eine sehr hohe Blitzfrequenz.
Weltweit gilt: Sollte man sich dazu entschließen, ein Gewitter zu beobachten, sollte man dies ausschließlich in einem geschützten Bereich tun – im Auto oder in Gebäuden mit Blitzschutzanlage – und die Wetterprognose und aktuelle Radarbilder genau studieren und im Auge behalten.
Gibt es Mythen rund um Blitze? Weit verbreitete Missverständnisse?
"Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen": Das ist ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Bäume sind in einem Gewitter stets zu meiden, ganz egal welche Art.
Kugelblitze sind auch ein heiß diskutiertes Thema. Wissenschaftlich gibt es bis dato keinen Beweis bzw. keine physikalische Evidenz dieses Phänomens. Man nimmt an, dass in manchen Fällen besonders stromstarke positive Wolke-Erde-Entladungen als solche Phänomene wahrgenommen werden.
Lukas Schwalt beim Aufbau seines Equipments.
In seiner im Jahr 2019 abgeschlossenen Dissertation „Lightning Phenomena in the Alpine Region of Austria“ hat Lukas Schwalt sich mit der Erforschung von Wolke-Erde-Blitzen im österreichischen Alpenraum und der damit verbundenen Auswertung aufgezeichneter Daten beschäftigt. Hierfür wurden reale Abläufe von Wolke-Erde-Blitzen vor Ort an 21 Standorten in Österreich aufgezeichnet, um einen sogenannten „ground truth“ Datensatz (ca. 530 reale Bodeneinschläge) von Blitzentladungen zu generieren und analysieren zu können. Dieses Wissen fließt nun in die aktuellen Forschungsprojekte im Bereich der Blitzentladungen ein und ist international gefragt.