Das Institut für Neurotechnologie der TU Graz möchte mit seinen Forschungsbemühungen Brain-Computer-Interfaces entwickeln, durch die Menschen mit unterschiedlichen motorischen Einschränkungen Prothesen oder Roboterarme mit der Kraft ihrer Gedanken steuern können. Dazu nutzen die Forschenden nicht-invasive Messmethoden wie das EEG.
Zur Forschung am Institut finden Sie unter „BCI-Forschung: Computer dekodiert kontinuierliche Bewegungen aus Hirnsignalen“ weiterführende Informationen.
Doktorandin Hannah Pulferer hat sich vor allem auf jene Muster im Gehirn spezialisiert, die mit Fehlererkennung in Verbindung stehen, um in einem Brain-Computer-Interface auftretende Fehler automatisch zu korrigieren. Und dabei vor allem auf kontinuierliche auftretende Fehlerwahrnehmung, wie beispielsweise beim Autofahren.
Um in den EEG-Daten Muster zu erkennen, die mit Fehlerverarbeitung in Verbindung stehen, wurden Probandinnen und Probanden im Labor wiederholt korrekte und fehlerhafte Stimuli präsentiert. Der genaue Zeitpunkt der fehlerhaften Events wurde gespeichert. „In diesen Daten gibt es sehr viel Rauschen, weil zu jedem Zeitpunkt etliche Prozesse gleichzeitig im Gehirn ablaufen“, erklärt Hannah Pulferer. „Wenn wir aber wiederholt den gleichen Stimulus präsentieren, und die dabei gemessenen EEG-Signale mitteln, dann bleiben die Stimulus-bezogenen Prozesse übrig und das Rauschen fällt raus.“
Bei den bisher zur Forschung verwendeten fehlerhaften Stimuli handelt es sich allerdings um klar abgegrenzte, diskrete Ereignisse, die nur binär in ‚korrekt‘ oder ‚fehlerhaft‘ unterteilt werden können. Das unterscheidet sie gänzlich von kontinuierlichen fehlerbehafteten Prozessen, bei denen eine einfache Unterteilung dieser Art nicht mehr reicht – beispielsweise, um beim Fahren das Auto auf der Straße zu halten. „Bei solchen Tätigkeiten müssen kontinuierlich kleine Korrekturen vorgenommen werden, man muss also nicht mehr nur die Entscheidung „Fehler oder kein Fehler“ treffen, sondern den Schweregrad der Abweichung – beispielsweise, wie weit das Auto von der Straße abgekommen ist - erfassen und verarbeiten, und sich überlegen, wie das alles korrigiert werden soll.“ Und genau um diese kontinuierlichen Abweichungen und wie sie im Gehirn verarbeitet werden geht es in der Forschung von Hannah Pulferer. Bei ihren Messungen wurden Proband*innen gebeten, ein sich bewegendes Objekt (die Snake) auf dem Bildschirm mit den Augen sowie mit Handbewegungen (wie mit einer Computermaus) zu verfolgen. In verschiedenen Versuchsbedingungen wurde den Probanden dabei ein Feedback-Punkt angezeigt, der zunehmend von der Snake abwich. „So konnten wir uns sehr genau anschauen, wie sich die kontinuierliche Fehlerverarbeitung im Gehirn abspielt“, erzählt Pulferer.
Vielfältige Anwendungen
Diese Daten sind für eine Vielzahl von Themen relevant. Gehirnsignale im Zusammenhang mit diskreter Fehlerverarbeitung wurden bereits mit unterschiedlichen Erkrankungen wie ADHS oder Depressionen in Verbindung gebracht. „Wir wissen, dass bei diesen Erkrankungen das diskrete Fehlerpotential abweicht. Unklar ist allerdings im diskreten Fall noch, wie einzelne Gehirnregionen bei der Fehlerverarbeitung miteinander kommunizieren – wir sehen zwar, dass sie es tun, wissen aber oft nicht, warum eine Region gerade aktiviert wird und in einem anderen Szenario nicht.“
Die Daten zur kontinuierlichen Fehlerverarbeitung können darüber Auskunft geben, wie einzelne Gehirnareale tatsächlich zusammenarbeiten. Und natürlich wäre das auch für Fahrsicherheitsthemen interessant: „Wir könnten uns zum Beispiel ansehen, wie unterschiedliche Workloads – etwa, wenn die Umgebung von einer Landstraße zum Stadtverkehr wechselt – oder verschiedene Ablenkungsfaktoren die Interaktion unterschiedlicher Hirnregionen beeinflussen.“
Kein vorgezeichneter Weg in die Technik
Heute erzählt Hannah Pulferer begeistert von ihrer Forschung. Ein Thema, für das sie sich während ihrer Schulzeit erst spät erwärmen konnte. „Ich habe mich anfangs überhaupt nicht für Technik oder Naturwissenschaften interessiert, wollte eher in Richtung Sprachen gehen. Aber wir hatten am BORG einen unglaublich guten Physiklehrer, der mich ungemein für das Thema begeistern konnte.“ Dank dieses Einflusses startete Hannah Pulferer das Studium der Technischen Physik an der TU Graz, absolvierte Bachelor und Master und wechselte für ihren PhD in den Bereich Biomedical Engineering mit Fokus auf Neurotechnologie. Derzeit ist sie in der finalen Phase ihres PhD-Studiums, das sie in einem Joint-Degree-Programme mit der Nanyang Technological University in Singapur absolviert, wo sie auch einen Großteil des vergangenen Jahres verbracht hat. „Ich möchte aber in den nächsten Monaten mein Doktorat abschließen und hoffe, dass ich danach in der Forschung bleiben kann.“
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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