Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die US-Luftwaffe noch etliche Kampfflieger in Europa stationiert. Anstatt sie abzuziehen, wurden sie für ein Kartierungsprojekt genutzt mit dem vorrangigen Ziel, anhand von Bildern die effiziente Zerstörung zu dokumentieren. Diese Archiv-Aufnahmen nutzt nun ein Forschungsteam um den Projektleiter Jakob Abermann vom Institut für Geographie und Raumforschung der Uni Graz und Tobias Bolch vom Institut für Geodäsie der TU Graz für die Vermessung der damaligen Gletscher.
„Die 1940er-Jahre sind für uns besonders interessant, weil es damals auch relativ warm war und somit die Schneegrenze im Sommer sehr hoch lag“, sagt Jakob Abermann. „Außerdem bieten die historischen Luftaufnahmen die einmalige Möglichkeit, die Gletscher flächendeckend zu analysieren.“ Bis jetzt gibt es nur punktuelle Vermessungen einzelner Eisfelder. Mit seinem Projektteam gelang es dem Wissenschaftler, Kopien der Bilder anzukaufen. Ein erster Blick auf die Dokumente zeigt deutlich den Zerfall größerer Gletscher in kleine, fast statische Eisfelder. Weiters bestimmten die Forscher:innen etliche neu gebildete Seen sowie Änderungen der Flussläufe.
„Wir sehen es als unsere gesellschaftliche Verantwortung, den Datenschatz nicht in Archiven schlummern zu lassen, sondern aufzuarbeiten“, sagt Abermann. Tobias Bolch, Experte für die Auswertung historischer Luftaufnahmen an der TU Graz, hat die ersten Bilder bereits gescannt. „Es ist schon erstaunlich, welch hohe Qualität man damals erreichte. Höchste Zeit, dass wir detaillierte Informationen zu einem wichtigen Zeitpunkt in der Geschichte des Hochgebirges bekommen“, unterstreicht der Forscher.
In einem weiteren Schritt wird die Änderung der Gletscherflächen und -volumina seit der kleinen Eiszeit um 1850 analysiert und klimatologisch interpretiert. Die Ergebnisse sollen in vier Jahren vorliegen und über österreichische Kartierungsdienste öffentlich zugänglich gemacht werden.
Das Projekt wird von einigen Bundesländern, dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie den Universitäten Graz, Innsbruck und der TU Graz finanziert.