Soft rock/hard soil – Übergangsgestein ist genau das: Es ist schwacher Felsen und harter Boden, es ist inhomogen, anisotrop und brüchig. „Dieses Material kommt fast überall vor, wo gebaut wird. Vor allem im Tunnelbau“, erklärt Thomas Marcher, Leiter des Instituts für Felsmechanik und Tunnelbau an der TU Graz. Bisher konnten die geotechnischen Eigenschaften dieses Gesteins europaweit nur in wenigen Laboren im Detail bestimmt werden – etwa an der ETH Zürich und an der RWTH Aachen. Seit Herbst ist mit der TU Graz ein weiterer Standort hinzugekommen.
Triaxialanlage
Thomas Marcher und sein Institut betreiben seit Herbst eine neue Triaxialanlage, die speziell auf Übergangsgesteine ausgerichtet ist. Denn: Triaxialanlagen an sich sind keine Seltenheit. Das Institut für Felsmechanik und Tunnelbau und auch das benachbarte Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik betreiben solche Versuchsanlagen seit vielen Jahren. „Unsere bestehende Anlage ist aber auf harten Fels ausgerichtet und kann nicht sensibel genug auf das Übergangsgestein eingehen. Die Anlage am Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik ist wiederum auf lockeres (weiches) Bodenmaterial ausgelegt und kann nicht die notwendige Spannung aufbringen, um härteres Material zu untersuchen“, erklärt Marcher.
Die neue Anlage mit einer maximalen Axialkraft von 300 kN (das entspricht dem Gewicht von 30 Klein-PKWs) kann nun sowohl harten Boden als auch schwachen Fels untersuchen.
So funktioniert die Anlage
Eine Triaxialanlage simuliert im Grunde den Berg, der um die Gesteinsprobe herum existieren würde. Das Gestein wird als zylindrische Probe zwischen Stahlendplatten eingespannt und durch eine eng anliegende Kunststoffmembran abgedichtet. Seitlich wird die Probe von einem größeren Stahlzylinder umhüllt. Im Raum zwischen Stahlzylinder und Membran wird mit Öl ein Flüssigkeitsdruck von bis zu 30 MPa aufgebracht (das entspricht einer Wassersäule von 3.000 Metern). Sind die gewünschten Spannungsrandbedingungen erreicht (quasi die Simulation der Spannungen im Berg), wird von oben (axial) der Druck auf die Probe solange erhöht, bis die Probe schließlich bricht. Das zeigt die maximal mögliche Spannung, die ein Gestein beim Tunnelbau verkraften kann. Mit den Messdaten aus solchen und ähnlichen Versuchsabläufen können die mechanischen Eigenschaften des Übergangsgesteins, grundlegend für die Planung eines Tunnels, bestimmt werden.
Die Anlage ist in einer eigens dafür vorgesehenen Klimakammer untergebracht. Das ermöglicht, die teils viele Stunden bis Tage dauernden Versuche unter den immer gleichen Umgebungsbedingungen (z.B. Temperatur und Luftfeuchtigkeit) durchzuführen.
Messen des Porenwasserdrucks
Ein besonderer Mehrwert der neuen Anlage: Mit ihr können auch die Veränderungen im sogenannten Porenwasser gemessen werden – das Wasser, das in den feinen Hohlräumen im Gestein vorhanden ist und eine Druckänderung erfahren kann. Andererseits kann die neue Anlage derart langsam den axialen Druck erhöhen, dass bei drainierten Verhältnissen kein Überdruck im Porenwasser entsteht. Im Fall der neuen Anlage an der TU Graz kann dies auf bis zu 0,015 μm/min reduziert werden. Dissertantin Kanthima Intachai wird sich in den kommenden Jahren genau diesem Thema der Porenwasserdruckmessungen in Übergangsgesteinen an der Triaxialanlage widmen.
Arbeiten an der TU Graz mit der Triaxialanlage: Cheftechniker Anton Kaufmann, PhD-Kandidatin Kanthima Intachai, Instituts-Leiter Thomas Marcher und Labor-Mitarbeiter Mehrdad Imani Tilenoei. © Lunghammer – TU Graz
Hilfsmittel aus der Pathologie: Die Diamantbandsäge
Eine zylindrische Gesteinsprobe mit planen (ebenen) Endflächen aus diesem Übergangsgestein zu erhalten, ist nicht einfach. Solch inhomogenes Material zerbröselt gerne. Insbesondere dann, wenn die zylindrischen Probenkerne in längeren Stücken aus dem anstehenden Gebirge gebohrt werden. Übergangsgestein besteht oft aus verschiedensten Einzelmaterialien, etwa feinste tonig-schluffige Teile und grobe Gesteinskomponenten nebeneinander. Die zylindrische Probe und speziell ihre Endflächen zu bearbeiten ist daher extrem schwierig und die Forschenden müssen sie händisch bearbeiten. Sie schnitzen die zylindrische Probe etwa und füllen die Fehlstellen mit Gips auf. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten: „Von der ETH Zürich bekamen wir den Tipp, dass ein Zuschneiden bzw. Trimmen der Probe, wie das genannt wird, mit einer speziellen Diamantbandsäge funktioniert. Diese Säge wird für gewöhnlich in der Pathologie eingesetzt, um aus Fleisch und Knochen – hartes und weiches Material nebeneinander – glatte Probenscheiben zu schneiden“, erzählt Marcher, der für eine adäquate Probenvorbereitung eine solche Diamantbandsäge erworben hat. Aufbereitete Proben werden bis zur Testdurchführung in ein Klimaschrank gelagert, die für dauerhaft passende Umgebungsbedingungen sorgt.
Auftrags- und Grundlagenforschung
Neben eigenen wissenschaftlichen Projekten, wie den Untersuchungen im Zuge der Doktorarbeit von Kanthima Intachai, sind an der Anlage auch industrielle Kooperationen und Auftragsforschung möglich. „Wir haben bereits Anfragen von Tunnelbauprojekten, die bei uns ihr Übergangsmaterial beproben wollen – zum Beispiel sollen wir Gesteinsproben aus der nördlichen Zulaufstrecke des Brennerbasistunnels untersuchen“, erzählt Marcher.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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