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PV Soiling: Der Dreck muss weg!

02.10.2024 | Planet research | FoE Sustainable Systems

Von Philipp Jarke

Staub, Pollen oder Vogelkot reduzieren die Leistung von Solarmodulen, doch automatische Reinigungssysteme sind teuer. Armin Buchroithner vom Institut für Elektrische Messtechnik und Sensorik tüftelt an einer Lösung, die mehr Ertrag und günstige Reinigung zugleich verspricht.

PV Soiling kann den Wirkungsgrad von Photovoltaikanlagen drastisch reduzieren. Bildquelle: Wichientep - AdobeStock

PV Soiling – könnten Sie kurz erklären, was das genau ist?

Armin Buchroithner: PV Soiling ist die Verschmutzung von Photovoltaik-Modulen, die dazu führt, dass deren Ertrag signifikant sinkt. Man hat in den letzten 50 Jahren sehr viel Aufwand betrieben, den Wirkungsgrad von Photovoltaikzellen von 16 auf 22 Prozent anzuheben. Fraglos eine großartige Leistung – die aber verpufft, wenn die Anlagen verdrecken. Die Quellen von PV Soiling können unterschiedlicher Natur sein: Verantwortlich für relativ homogene Verschmutzungen sind Pollenflug, Sand, Staub und Ruß, aber auch Abrieb von Reifen und Bremsen, wenn PV-Module an z.B. Lärmschutzwänden montiert sind. Woran man zunächst vielleicht gar nicht denkt, ist Vogelkot oder nasses Laub: Flächenmäßig mag die Verschmutzung nicht groß sein, aber in PV-Modulen sind die Zellen in Reihe geschaltet. Eine Abschattung durch Dreck von z.B. zehn Prozent der Fläche kann den Ertrag um 50, 60, manchmal sogar 80 Prozent reduzieren.

Wie werden solche Verschmutzungen üblicherweise entfernt?

Armin Buchroithner: Die Bandbreite ist riesig: Von robotischer Reinigung an einigen großen Anlagen, über Lkw mit Bürsten, Wasser und Hochdruckreinigern bis hin zu Reinigungskräften, die zu Fuß unterwegs sind und die Module per Hand oder Hochdruckreiniger säubern. Das Wasser muss dabei übrigens destilliert sein, um (Kalk-)Ablagerungen zu verhindern. Am weitesten verbreitet ist die manuelle Reinigung, es läuft also jemand mit Hochdruckreinigern, Tüchern oder Bürsten durch die Anlage. Bei in Gebäude integrierten Solarzellen oder auf Schrägdächern ist das natürlich oft nicht praktikabel, sodass Soiling die Leistung der Anlagen dauerhaft reduzieren kann. Das Reinigen ist jedenfalls nicht trivial.

Ein Sekundäreffekt von Soiling ist die Abrasion, also das Zerkratzen der Oberflächen, wodurch das Glas der Modulvorderseite milchig wird. Das betrifft besonders Regionen mit hohen Windgeschwindigkeiten und starkem Staubaufkommen - Wüsten zum Beispiel. Die Reinigung ist dort auf jeden Fall ein wichtiger Faktor, der auch relevante Kosten verursacht.

Wie weiß ein Anlagenbetreiber, wann der richtige Zeitpunkt für eine Reinigung ist?

Armin Buchroithner: Eine Sichtkontrolle ist natürlich eine naheliegende Variante, aber nicht immer praktikabel und zuverlässig. Partikel, die sich auf PV-Modulen ablagern, haben zum Teil sehr unterschiedliche Eigenschaften, die mit dem bloßen Auge oft nicht zu unterscheiden sind. Für ein automatisiertes Detektionssystem bräuchte es die passende Messtechnik. Man müsste dafür die Sonneneinstrahlung mit einem Pyrheliometer exakt messen und den Wert mit der Temperatur im PV-Modul kombinieren, um die zu erwartende Leistung einer PV-Anlage zu bestimmen. Gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem Potenzial und der tatsächlichen Leistung, muss gereinigt werden.

Die exakte Signalauswertung ist dabei mitentscheidend. Denn man kann nicht einfach die Gesamtleistung einer Anlage hernehmen und durch die Fläche der Module dividieren. Man müsste genau analysieren, welches Modul wie viel Energie liefert. Dafür müsste man kleine Messstationen bauen und verteilen, um die Situation räumlich höher aufgelöst zu analysieren.

Nach der Frage „Wann reinigen?“ kommt die Frage: „Wie?“

Armin Buchroithner: Ein automatisiertes Reinigungssystem wäre sicher wünschenswert, aber aktuell ist immer die Frage: Ist es wirtschaftlich rentabel? Wenn ich genau vermessen habe, wie hoch die Verluste aufgrund von Verschmutzung sind und ich die Strompreise in die Berechnung einbeziehe, könnte ich das einem automatisierten Reinigungssystem gegenüberstellen. Aber vollautomatisierte Reinigungssysteme sind noch Gegenstand der Forschung – es gibt Ansätze in Richtung Sprühdüsen, auch Abziehlippen sind eine mögliche Variante.

Warum hat sich bislang noch kein automatisiertes Reinigungssystem etablieren können?

Armin Buchroithner: Die Zusatzkosten sind ein wesentlicher Punkt. Die Herausforderung ist, dass man in ein statisches System bewegte Komponenten reinbringen muss, was zusätzliche Kosten versursacht.  Aber zumindest bei neu geplanten Großanlagen deutet sich ein Paradigmenwechsel an: Wenn man den fluktuierenden Strompreis in die Rechnung einbezieht, kann einachsige Nachführung der Module mittlerweile günstiger sein als der klassisch-statische Aufbau. Wenn ich im Tagesverlauf die Module einachsig – also von Ost nach West – der Sonne nachführe, habe ich je nach Standort 20 bis 30 Prozent Mehrertrag, der vor allem am Vor- und Nachmittag anfällt. Wenn ich sogar zweiachsig nachführe, also die Ausrichtung auch der Höhe der Sonne anpasse, sind die Moduloberflächen immer orthogonal zur Einstrahlung ausgerichtet. Dadurch steigt der Jahresertrag je nach Standort um bis 40 Prozent.

Was hat das mit der Reinigung zu tun?

Armin Buchroithner: Diese Drehbewegungen der Module ließen sich nutzen, um sie mit einer statischen Reinigungsvorrichtung zu kombinieren, z.B. einer Abziehlippe oder einer Bürstenleiste, an der das Modul entlangfährt. Der Vorteil ist: Das System bewegt sich nicht extra für die relativ selten nötige Reinigung, sondern tagtäglich, um den Ertrag zu steigern. Die Reinigung erfolgt also ganz nebenbei und dadurch kostengünstig.

Wir haben ein europäisches Patent für so einen Dual-Use-Aktuator angemeldet und erhalten, der sich potenziell mit einer statischen Reinigungsvorrichtgung kombinieren ließe: Der „FLAP PV“ ist ein zweiachsiger Tracker, aber mit nur einem Aktuator: Je zwei Solarmodule folgen dem Lauf der Sonne, können aber auch face-to-face zusammengeklappt und in Bodennähe abgelegt werden [FLAP PV im Video]. Das geschieht u.a. in der Nacht, wodurch die Zeit, in der Verschmutzung auftreten kann, stark verringert wird. Oder bei Schneefall oder Hagel. Denn Hagelschäden sind für PV-Anlagen ein Problem, dabei muss nicht einmal das Frontglas zerbrechen: Hagel kann auch durch Kompression des Siliziumwavers sogenannte Hotspots hervorrufen, die einen erhöhten Innenwiderstand haben und sich dadurch lokal stark erwärmen, wodurch der Wirkungsgrad des Moduls sinkt. Klappt man vor Hagelschauern die Module zusammen, halbiert sich die Angriffsfläche, und die Vorderseite ist komplett geschützt. Die Rückseiten bifazialer Module, deren Unterseite das gestreute Sonnenlicht auffangen und nutzen, könnte man mit einem günstigen Hagelnetz überspannen - für die diffuse Strahlung wäre das im Hinblick auf den Wirkungsgrad irrelevant.

Und wie ließe sich dieser Mechanismus mit einer automatischen Reinigung kombinieren?

Armin Buchroithner: Man könnte in Systemen wie unserem „FLAP PV“ eine statische Reinigungslippe installieren – ähnlich wie ein Lesebändchen in einem gebundenen Buch –, die beim Zusammenfalten an den Innenseiten der Module entlangstreicht. Die Mehrkosten für solche eine Abzieh- oder Bürstenleiste wären verhältnismäßig gering verglichen mit einer aktiven Reinigungsvorrichtung mit eigener Aktuatorik.

Das Zusammenklappen hat übrigens noch positive Effekte: Im Winter schützt es vor Abschattung durch Schnee, und einem Sturm bieten die gefalteten Module deutlich weniger Angriffsfläche, was Schäden vorbeugt. Unser nächstes Ziel ist es, die Robustheit unseres „FLAP PV“-Systems in der Praxis nachzuweisen. Das wäre aus meiner Sicht ein schönes Demonstrationsprojekt für den Innovation District Inffeld.

Kontakt

Armin BUCHROITHNER
Dipl.-Ing. Dr.techn.
TU Graz | Institut für Elektrische Messtechnik und Sensorik
Tel.: +43 316 873 30514
armin.buchroithnernoSpam@tugraz.at