Sonnenlicht hat einen großen Einfluss auf chemische Prozesse, vor allem seine energiereiche UV-Strahlung wird von allen Materialien stark absorbiert und löst photochemische Reaktionen der in der Luft vorhandenen Stoffe aus. Ein bekanntes Beispiel ist die Bildung von bodennahem Ozon, wenn UV-Licht auf Stickoxide trifft. Ein Forschungsteam um Birgitta Schultze-Bernhardt vom Institut für Experimentalphysik der TU Graz macht sich dieses hohe Reaktionspotenzial nun für eine neue Methode des Umweltmonitorings zunutze: Sie haben das weltweit erste Breitband-UV-Dualkamm-Spektrometer entwickelt, mit dem Luftschadstoffe kontinuierlich gemessen und ihre Reaktion mit der Umgebung in Echtzeit beobachtet werden können. Ein Paper zu der Entwicklung ist jüngst im Fachmagazin Optica erschienen.
Dualkamm-Spektrometer gibt es seit knapp 20 Jahren. Dabei emittiert eine Quelle Licht in einem breiten Wellenlängenbereich, das in der Darstellung nach seinen optischen Frequenzen geordnet an die Zinken eines Kamms erinnert. Durchdringt dieses Licht eine gasförmige Materialprobe, absorbieren die darin enthaltenen Moleküle einen Teil des Lichts. Die so veränderten Lichtwellenlängen lassen Rückschlüsse auf die Inhaltsstoffe und die optischen Eigenschaften des untersuchten Gases zu.
Doppelte Laser-Lichtimpulse lassen Gasmoleküle rotieren und vibrieren
Das Besondere an dem von Birgitta Schultze-Bernhardt entwickelten Spektrometer ist, dass ein Lasersystem doppelte Lichtimpulse im ultravioletten Spektrum emittiert. Wenn dieses UV-Licht auf Gas-Moleküle trifft, regt es die Moleküle elektronisch an und versetzt diese zusätzlich in Rotationen und Vibrationen - sogenannte rovibronische Übergänge -, die bei jedem gasförmigen Stoff einzigartig sind. Zudem kombiniert das Breitband-UV-Dualkamm-Spektrometer drei Eigenschaften, die gängige Spektrometer bislang nur in Teilen zu bieten hatten: (1) eine große Bandbreite des ausgestrahlten UV-Lichts, wodurch sehr viele Informationen über die optischen Eigenschaften der Gasproben mit einer einzelnen Messung gesammelt werden können, (2) eine hohe spektrale Auflösung, die in Zukunft auch die Untersuchung komplexer Gasgemische wie unserer Erdatmosphäre ermöglichen werden, sowie (3) kurze Messzeiten bei der Untersuchung der Gasproben. „Dadurch eignet sich unser Spektrometer für empfindliche Messungen, mit denen sich Änderungen von Gaskonzentrationen und der Verlauf von chemischen Reaktionen sehr genau beobachten lassen“, erläutert Lukas Fürst, Doktorand in der Arbeitsgruppe „Coherent Sensing“ und Erstautor der Publikation.
Entwickelt und getestet am Beispiel Formaldehyd
Entwickelt und getestet haben die Forschenden ihr Spektrometer anhand von Formaldehyd. Der Luftschadstoff entsteht beim Verbrennen von fossilen Brennstoffen und Holz ebenso wie in Innenräumen durch Ausdünstungen von in Möbeln verwendeten Klebstoffen. „Mit unserem neuen Spektrometer ließen sich Formaldehydemissionen in der Textil- oder holzverarbeitenden Industrie oder in Städten mit erhöhtem Smogaufkommen in Echtzeit überwachen und so der Schutz von Personal und Umwelt verbessern“, erläutert Birgitta Schultze-Bernhardt. Die Anwendung des Spektrometers kann auch auf andere Luftschadstoffe wie Stickoxide und Ozon und weitere klimarelevante Spurengase übertragen werden. Dadurch erhofft sich das Forschungsteam neue Erkenntnisse über deren Wirken in der Atmosphäre. Darauf aufbauend ließen sich neue Strategien zur Verbesserung der Luftqualität ableiten.
Das Forschungsprojekt wurde im Rahmen eines ERC Starting Grants (Horizon 2020, Projektnummer 947288) und eines FWF START Preises (Projektnummer Y1254) und ist im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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