Entwickelt in Harvard, erfolgreich getestet an der TU Graz: Eine revolutionäre neue Meta-Optik für Mikroskope mit extrem hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung hat in Labortests am Institut für Experimentalphysik der TU Graz ihre Einsatztauglichkeit bewiesen. Mikroskope mit dieser Optik versprechen völlig neue Forschungs- und Entwicklungsansätze besonders in der Halbleiter- und in der Solarzellentechnologie. Das Forschungsteam aus Graz und Boston berichtet aktuell im Fachmagazin „Science“ über die Konstruktion und das erfolgreiche Laborexperiment mit dieser neuen Meta-Optik.
Die Mikroskop-Optik ermöglicht erstmals die Verwendung extrem ultravioletter Strahlung. Durch deren äußerst kurze Wellenlänge lassen sich ultraschnelle physikalische Vorgänge im Attosekundenbereich verfolgen: beispielsweise Echtzeitaufnahmen aus dem Inneren moderner Transistoren oder die Wechselwirkung von Molekülen und Atomen mit Licht. Die Idee für die neuartige Optik hatte Marcus Ossiander während seiner Forschungstätigkeit in der Gruppe von Federico Capasso an der Harvard University – seit Jänner 2023 forscht der ERC-Starting-Grant sowie FWF-START-Preisträger am Institut für Experimentalphysik der TU Graz.
Gemeinsamer Erfolg für Boston und Graz
Die Attosekundenphysik verwendet extrem ultraviolettes Licht. Weil dieses schnell oszilliert und alle Materialien aus dem Baukasten der Optikentwicklung für dieses Licht undurchsichtig sind, gab es bisher keine brauchbaren Abbildungssysteme dafür. Marcus Ossiander: „Ich habe mir die Frage gestellt, ob man das klassische Prinzip der Optik nicht umkehren kann. Kann man die Abwesenheit von Material in kleinen Bereichen als Grundlage eines optischen Elementes verwenden?“
Die auf Basis dieser Idee in Harvard entwickelte und an der TU Graz erfolgreich getestete Optik setzt dieses Designprinzip um: Eine exakt berechnete Anordnung kleinster Löcher in einer äußerst dünnen Siliziumfolie leitet und bündelt das einfallende Attosekundenlicht. Eine bemerkenswerte Beobachtung des Forschungsteams: Diese Vakuumtunnel transmittieren mehr Lichtenergie, als es aufgrund der mit Löchern bedeckten Fläche möglich sein sollte. Das bedeutet, die neuartige Meta-Optik saugt das ultraviolette Licht regelrecht in den Brennpunkt.
Löcher mit wenigen Nanometern Durchmesser
Für diesen Durchbruch erforderlich sind extrem kleine und genau kontrollierte Strukturen. Deren Herstellung bewegt sich nahe an der Grenze des heutzutage technisch Machbaren. Die technische Umsetzung bewerkstelligte das in diesem Bereich weltweit federführende Team um Federico Capasso in Harvard nach einer Experimentierphase von rund zwei Jahren. Der Nachweis der Funktionsfähigkeit gelang in Zusammenarbeit mit der TU Graz, wo sich die Gruppe von Martin Schultze am Institut für Experimentalphysik der Erzeugung und Anwendung ultrakurzer Ultraviolett-Lichtblitze widmet. „Das ist ein schöner Erfolg für die Kooperation zwischen Boston und Graz. Jetzt wollen wir damit bald Mikroelektronik, Nanopartikel und ähnliches untersuchen“, erklärt Marcus Ossiander.
Die Meta-Optik besteht aus einer etwa 200 Nanometer dünnen Folie, in die winzig kleine Lochstrukturen geätzt wurden. Die gesamte Optik besteht aus vielen hundert Millionen Löchern; pro Mikrometer finden sich circa zehn dieser Strukturen auf der Membran, ein einzelnes Loch misst zwischen 20 und 80 Nanometer im Durchmesser. Zum Vergleich: ein menschliches Haar ist etwa 60 bis 100 Mikrometer dick, ein kleines Virus hat einen Durchmesser von 15 Nanometern. Die Durchmesser der Löcher variieren und verkleinern sich von der Mitte der Membran nach außen hin. Je nach Größe des Lochs wird die dort einfallende Lichtstrahlung verzögert und kollabiert dadurch zu einem winzigen Fokalpunkt.
Laser trifft Gaswolke
Für die Vermessung der neuartigen Optik haben Martin Schultze und Hana Hampel vom Institut für Experimentalphysik an der TU Graz einzigartiges Know-how zur Erzeugung der notwendigen extrem ultravioletten Strahlung. „Zuverlässig kurze Lichtpulse mit hoher Energie zu erzeugen, erfordert die genaue Kontrolle lichtgesteuerter atomarer Prozesse und sehr präzise optische Aufbauten. Für dieses Projekt haben wir eine Lichtquelle entwickelt, welche besonders effizient Strahlung der Wellenlänge erzeugt, für die diese Meta-Optik ausgelegt wurde“ sagt Martin Schultze. Im Grazer Versuchsaufbau, bei dem ein Laser in einen Edelgas-Jet fokussiert wurde, konnte die extrem ultraviolette Strahlung erzeugt und in sehr kurzen Pulsen konzentriert werden. Mit dieser für die Attosekundenphysik optimierten Lichtquelle gelang der Beweis der Leistungsfähigkeit der Meta-Optik.
Nächster Schritt: Mikroskop mit Meta-Optik
Die Entwicklung eines Mikroskops, das mit dieser Optik arbeitet, ist nun der nächste Schritt. Für diese weiterführende Forschungsarbeit und die Untersuchung lichtabsorbierender Nanopartikel hat Marcus Ossiander auch seinen ERC Starting Grant erhalten – nach der Verleihung an Birgitta Schultze-Bernhardt im Jahr 2020 der zweite dieser hochkarätigen Forschungspreise am Institut für Experimentalphysik der TU Graz innerhalb kurzer Zeit. Die Anwendungsmöglichkeiten für das neue Forschungsgebiet der Attosekundenmikroskopie sind vielfältig. Besonders die Halbleiter und Solarzellentechnologie wird von der Möglichkeit profitieren, erstmals die ultraschnelle Bewegung von Ladungsträgern in Raum und Zeit verfolgen zu können. In modernen Transistoren und optoelektronischen Schaltkreisen laufen die relevanten Prozesse innerhalb weniger Nanometer räumlicher Ausdehnung innerhalb weniger Attosekunden ab. Die neue Meta-Optik wird es ermöglichen, diesen zentralen Bausteinen unserer Informationstechnologie bei der Arbeit zuzusehen und sie noch weiter zu optimieren.
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