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GAM 20 „The Infraordinary“: Alltägliches in der Architektur

07.05.2024 | TU Graz news | Events

Von Ute Wiedner

In der 20. Ausgabe des GAM – Graz Architecture Magazine begegnen uns italienische Autogrill-Raststationen, Hinterhöfe neapolitanischer Palazzi oder K67 Kioske aus Ex-Jugoslawien. Erhältlich ist GAM 20 im Buchhandel oder online im JOVIS Verlag.

In GAM 20 bekommt das Alltägliche in der Architektur eine Bühne. Präsentation und Jubiläumsfeier: am 6. Mai im Filmzentrum im Rechbauerkino. Bildquelle: TU Graz/GAM.Lab (Coverbild: Friedrich Weimer – Deutsche Fotothek)

In GAM 20 „The Infraordinary“ bekommt das Alltägliche in der Architektur eine Bühne. Dabei beziehen sich die Gastherausgeber Matthias Castorph und Julian Müller vom Institut für Entwerfen im Bestand und Denkmalpflege der TU Graz auf den Kunstbegriff l’infra-ordinaire von Georges Perec, der in den 1970er-Jahren alltägliche Orte wie Pariser Straßen, Plätze oder Mietshäuser in den Blick nahm, um all das einzufangen, was zumeist übersehen wird. Bei Perec als auch in GAM 20 ist das Gewöhnliche aber nicht abwertend gemeint, sondern bezeichnet vielmehr das Nicht-Extraordinäre, das Nicht-Außergewöhnliche. Ganz in diesem Sinne widmen sich die Beiträge in GAM 20 dem Nicht-Außergewöhnlichen im Kontext von Architektur. Die Betrachtungsweisen sind dabei soziologischer ebenso wie architektonischer Natur. Hier ein – unvollständiger – Vorgeschmack für interessierte Leserinnen und Leser.

Neue Gebrauchsweisen historischer Architektur

Alberto Calderoni und Luigimanuele Amabile stellen in ihrem Beitrag die Hinterhöfe und Treppenhäuser neapolitanischer Palazzi in den Mittelpunkt und illustrieren sie mit Fotografien, die die Spuren ihrer alltäglichen Benutzung einfangen. Auch Ena Kukić widmet sich neuen Gebrauchsweisen historischer Architektur. Ohne Nostalgie zeichnet sie die Geschichte des K67 Kiosks nach, der als Zeitungsstand, Skilifthäuschen oder Blumenladen aus dem Alltag im früheren Jugoslawien nicht wegzudenken war. Dabei interessiert sie sich vor allem für die erstaunliche Beständigkeit und die heutige Nutzung des massenhaft produzierten Kiosks.

Beharrlicher Blick statt Ästhetisierung

Michael Heinrichs Fotoserie zeigt einfache Schutzhütten, Taubenhäuser und Ställe in der Serranía Celtibérica, einem dünn besiedelten Gebiet im Nordosten Spaniens, die nach längerer Betrachtung ihrer Proportionen, Details oder Materialien den Anschein des Einfachen verlieren.  Auch Helmut Tezaks Jahrzehnte umspannende Fotodokumentation des eigenen Alltags in der Stadt Graz erfordert den beharrlichen Blick. Wer die Bilder genau betrachtet, erkennt die Akribie, Beharrlichkeit und Repetitivität, die Tezaks fotografische Auseinandersetzung mit dem Alltag auszeichnen.

Architektur und Soziologie

Der Beitrag der amerikanischen Soziologin Sherri Cavan ist das Resultat ihrer Feldforschung in kalifornischen Bars und beschäftigt sich mit dem Wechselverhältnis von Raum und sozialem Verhalten, indem Cavan Sitzordnungen analysiert und räumliche Bewegungen rekonstruiert. Auch Denise Scott Brown betrachtet in ihrem Text aus dem Jahr 1971 Architektur durch die soziologische Linse und plädiert für eine verstärkte Auseinandersetzung mit Popkultur, die stärker auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtet ist und eine Informationsquelle zu den symbolischen und kommunikativen Aspekten von Architektur darstellt.

Architektur der Mobilität

Der Zusammenhang zwischen Architektur und Mobilität spielt in den Beiträgen von Beatrice Azzola und Svenja Hollstein eine zentrale Rolle. Azzola rekonstruiert die Entstehungsgeschichte der Autogrill-Raststationen und legt die verschwundenen Zukunftsvorstellungen frei, die mit diesen markanten Gebäuden einst verbunden waren. Auch Svenja Hollstein widmet sich der Automobilität, betrachtet das Auto aber nicht als Fortbewegungsmittel, sondern als beweglichen Einrichtungsgegenstand. Ausgehend von Josef Franks Überlegungen zur Möblierung von Innenräumen unternimmt sie den Versuch einer Übertragung auf die Straßenraumgestaltung von Graz.

Im Buchhandel erhältlich

In zahlreichen weiteren spannenden Beiträgen begeben sich die Autorinnen und Autoren von GAM 20 „The Infraordinary“ auf die Suche nach dem Alltäglichen in der Architektur. Die 268 Seiten starke zweisprachige Publikation (Deutsch und Englisch) ist ab 6. Mai im Buchhandel erhältlich oder kann direkt über den JOVIS Verlag bezogen werden.
GAM 20: Mit Beiträgen von Luigiemanuele Amabile, Beatrice Azzola, Ajna Babahmetović, Alberto Calderoni, Andrea Canclini, Matthias Castorph, Sherri Cavan, Michael Heinrich, Svenja Hollstein, Johanna-Charlotte Horst, Ena Kukić, Thomas Meinecke, Luc Merx, Julian Müller, Denise Scott Brown und Helmut Tezak.

Die Fakultät für Architektur der TU Graz lud am Montag, den 6. Mai, zur Präsentation von GAM 20 und zur 20-jährigen Jubiläumsfeier in das Filmzentrum im Rechbauerkino. Bildquelle: TU Graz/GAM.Lab

Nach GAM 20 ist vor GAM 21

Den aktuellen Call for Contributions für die Ausgabe GAM 21 „Confronting the Environmental Crisis“ finden interessierte Autor*innen auf der GAM-Webseite.

Information

GAM 20 The Infraordinary, 2024.

Deutsch/Englisch, 268 Seiten, zahlr. farb. und s/w Abb.
Broschur: EUR 19,95
E-Book: 16,99
ISBN 978-3-98612-066-5 | Jovis Verlag (Berlin)
Bestellungen direkt über den Jovis Verlag

Kontakt

Kontakt TU Graz:

Annalena ARMINGER, BSc
GAM Redaktionsbüro
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Rechbauerstraße 12/1.KG
8010 Graz
Tel.: +43 316 873 4186
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