Wenn der Mensch in seiner Vielfalt in Technik und Naturwissenschaften in den Mittelpunkt rückt, entstehen spannende Fragen und daraus ebenso spannende Ideen und Projekte. Einmal mehr zeigen dies eindrucksvoll die insgesamt fünf Publikationen und Projekte aus Forschung und Lehre, die kürzlich mit den „Mind_the Gap“-Preisen der TU Graz prämiert wurden. Sie alle beziehen unterschiedliche Aspekte von Vielfalt wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Sprache oder Kultur mit ein.
Dotiert sind die Diversitätspreise mit 750 Euro für Einreichungen von Einzelpersonen und mit insgesamt maximal 1.500 Euro für Teameinreichungen, abhängig von der Personenzahl. Wie jedes Jahr fasziniert die Vielfalt der eingereichten Publikationen und Projekte.
Für ihre Arbeiten mit einem „Mind_the Gap“-Preis ausgezeichnet werden jährlich Teams oder Einzelpersonen in den Kategorien „Wissenschaftliche Abschlussarbeiten“, „Forschungsprojekt“, „Konferenzbeitrag, Vortrag, Publikation“ sowie „Dissertationen“. Auch Lehrinhalte oder –methoden, Weiterbildungen und nichtwissenschaftliche Projekte werden akzeptiert. Details dazu – und in Kürze auch zu den diesjährigen prämierten Projekten – finden Sie auf der „Mind_the Gap“-Webseite.
Vielfältige Reaktionen auf Frauenfußball
2.8 Millionen Tweets aus der Europameisterschaft (EM) 2021 der Herren und der EM 2022 der Frauen werteten Jana Lasser und Max Pellert aus, um herauszufinden, welche Emotionen sie bei Fans weckten. In ihrem Forschungsprojekt – das übrigens ohne Projektmittel auskam – wurden von deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Frauen und Männern zum Ausdruck gebrachten Emotionen automatisiert klassifiziert. Dafür entwickelten Lasser und Pellert, beide Mitarbeitende am Institute of Interactive Systems and Datascience der TU Graz, neuartige, auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz basierende Tools. Diese stellten sie Wissenschaft und Gesellschaft im Sinne der Open Science frei zur Verfügung. Eines der Projektergebnisse zeigt, dass deutschsprachige Tweeterinnen und Tweeter geschlechtsunabhängig eher Ärger als Freude zum Ausdruck bringen.
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Fehlende Vielfalt in Multimedia-Empfehlungssystemen
Dass auf künstlicher Intelligenz basierende Mulitmedia-Empfehlungssysteme wie Spotify oder Netflix populäre Inhalte überrepräsentieren, veranschaulichen Emanuel Lacic und Dominik Kowald in ihrer wissenschaftlichen Publikation. Mehr Klicks führen zu mehr Empfehlungen, wodurch es zu Popularitätsverzerrungen kommt. Dieser sogenannte „Popularity Bias“ benachteiligt Menschen mit Neigungen zu unpopuläreren Inhalten. Durch mangelnde Vielfalt in den Trainingsdaten bekommen etwa Menschen, die Musik abseits des Mainstreams hören, weniger passende Vorschläge. Lacic und Kowald sind Mitarbeitende des Institute of Interactive Systems and Datascience der TU Graz und des Kompetenzzentrums Know Center.
Basis für breite Diskussion Künstlicher Intelligenz
Im Projekt „ENARIS – Education and Awareness for Intelligent Systems“ entwickelte ein Team am Institut für Softwaretechnologie Workshop-Formate und Lehrinhalte, die ein grundlegendes Verständnis künstlicher Intelligenz (KI) niederschwellig vermitteln. Die Materialien sind für den schulischen Unterricht oder Mini-Workshops auf Gemeindeebene konzipiert. Die Lehrbeispiele werfen ethische Fragestellungen auf und zeigen algorithmische und soziale Verzerrungen auf, die durch den Einsatz von KI entstehen und zu Diskriminierungen wie Sexismus, Rassismus oder Klassismus führen können. Alle Materialien sind diversitätssensibel und geschlechterinklusiv gestaltet. Gerald Steinbauer-Wagner, Bettina Jeram, Manuel Menzinger und Petra Weixelbraun wollen mit ENARIS breite Bevölkerungsschichten ermächtigen, an einer informierten gesellschaftlichen Diskussion der Technologie, die unser Leben zunehmend bestimmt, teilzunehmen.
Elektronik-Grundlagen geschlechtergerecht und mehrsprachig
Ein Team am Institut für Elektronik (IFE) der TU Graz entwarf den interaktiven online Kurs „ElectrONIX – Amplifiers“, um Grundlagen der Elektronik Studierenden, Schüler*innen der Oberstufe oder Personen in Fortbildung zu vermitteln. Mit Hinblick auf den Fachkräftemangel in der Branche wollen Nikolaus Czepl, Sabrina Koffler, Michael Fuchs, Clara Scheiber und Dominik Zupan damit bewusst ein breites Publikum ansprechen. Mehrere Mitarbeitende des IFE präsentieren die Lehrinhalte in Videos, wobei Frauen genauso selbstverständlich und stark vertreten sind wie Männer. Bereits jetzt hat der Kurs einen messbar höheren Zugriff durch Frauen – die im Elektrotechnik Studium bislang stark unterrepräsentiert sind. „ElectrONIX – Amplifiers“ wird auf Englisch, Deutsch und BKS (Bosnisch, Kroatisch, Serbisch) angeboten, um sprachliche Barrieren abzubauen. Der Kurs ist als Massive Open Online Course (Mooc) frei auf der Plattform iMoox zugänglich.
Männer als Unterstützer für Frauen in MINT-Fächern
Zur Kernzeit der RADEC Fach-Tagung auf dem Gebiet der Strahlung, die sich an Fachleute aus Elektrotechnik und Physik richtet, organisierte Alicja Michalowska-Forsyth ein Vortrags- und Diskussionspanel mit drei namhaften ehemaligen Forscherinnen. Alle drei sind heute in Leitungsfunktionen tätig – in Industrie und auf UN-Ebene. Im Fokus des „RADECS Women in Engineering Event“ stand die Frage, wie mehr Frauen für Fächer aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zu begeistern sind und welche strukturellen Änderungen dafür nötig wären. Michalowska-Forsyth – Absolventin des Pilotlehrgangs zu Gender- und Diversitätskompetenzen für Wissenschafter*innen an der TU Graz und Mitarbeiterin am Institut für Elektronik – sprach mit dem Event gezielt auch Männer als Mentoren und Unterstützer an. Das Panel richtete sich daher an Männer und Frauen. Die Beteiligung war mit 70 Teilnehmenden, davon rund 85 Prozent Männer, sehr hoch. Die folgende online-Befragung zeigte ein großes Interesse am Wissensaufbau von Gender- und Diversitätskompetenzen und zu Vereinbarkeitsthemen im Rahmen zukünftiger RADEC-Tagungen.