Cyanobakterien, die – obwohl sie Wasser durch ihre speziellen Pigmente grün färben – umgangssprachlich auch als „Blaualgen“ bekannt sind, wandeln dank ihrer hochaktiven photosynthetischen Zellen Lichtenergie besonders effektiv in chemische Energie um. Das macht sie attraktiv für den biotechnologischen Einsatz, wo sie mit gezielt eingeschleusten Enzymen als umweltfreundliche und gut verfügbare Biokatalysatoren zur Herstellung neuer Chemikalien genutzt werden könnten.
Limitierende Lichtverfügbarkeit
Was in der Theorie gut klingt, steht in der praktischen großtechnologischen Umsetzung noch vor Hürden: Ein entscheidender limitierender Faktor ist derzeit die Lichtverfügbarkeit, wie Robert Kourist vom Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz erläutert: „Wenn Cyanobakterien dicht gewachsen, also hochkonzentriert sind, dann bekommen nur die außen angesiedelten Zellen genug Licht. Innen ist es ziemlich dunkel. Das heißt, man kann die Katalysatormenge nicht beliebig steigern. Ab einer Zelldichte von wenigen Gramm pro Liter nimmt die photosynthetische Aktivität und damit die Produktivität der Zellen stark ab. Das ist natürlich für die biotechnologische Großproduktion ein erheblicher Nachteil.“
Zum Vergleich: Bisher etablierte Biokatalysatoren wie etwa Hefen können mit Zelldichten von 50 Gramm pro Liter und mehr genutzt werden. Die etablierten Produktionsorganismen haben dafür den großen Nachteil, dass sie auf landwirtschaftliche Produkte als Wachstumsgrundlage angewiesen sind und damit viele Ressourcen verbrauchen. „Algenbasierte Katalysatoren können aus Wasser und CO₂ herangezogen werden, sind also in doppelter Hinsicht ‚grün‘. Daher gibt es intensive Bemühungen, die katalytische Performance von Cyanobakterien zu erhöhen“, so Kourist.
Verfügbares Licht besser nutzen
Gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum und der finnischen Universität Turku ist es der Algen-Arbeitsgruppe an der TU Graz nun gelungen, genau diese katalytische Performance zu steigern, indem der photosynthetische Elektronenfluss gezielt in die gewünschte katalytische Funktion umgeleitet wurde. „Wir konnten erstmals die Bereitstellung photosynthetischer Energie direkt in den Zellen zeitaufgelöst messen, sodass wir darüber Engpässe im Metabolismus identifizieren konnten“, erklärt Marc Nowaczyk vom Lehrstuhl für Biochemie der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum. „Daher haben wir im Genom des Cyanobakteriums ein System ausgeschaltet, das die Zelle vor fluktuierendem Licht schützen soll. Dieses System ist unter kontrollierten Kultivierungsbedingungen nicht notwendig, verbraucht aber photosynthetische Energie. Energie, die wir lieber in die Zielreaktion einbringen“, erläutert Hanna Büchsenschütz, Doktorandin an der TU Graz und Erstautorin der Studie. Damit kann die aufgrund der hohen Zelldichten niedrige Produktivität von Cyanobakterien verbessert werden. „Anders gesagt: Wir können nur eine gewisse Menge an Zellen einsetzen. Deswegen müssen wir die Zellen schneller machen. Und dafür haben wir über das sogenannte Metabolic Engineering einen Weg aufgezeigt, der Cyanobakterien einen großen Schritt reifer macht für die biotechnologische Anwendung“, sagt Kourist.
Neben der Produktivitätssteigerung der Zelle an sich durch gezielte Eingriffe auf der Gen-Ebene befassen sich die Grazer Forscherinnen und Forscher gleichzeitig mit neuen Konzepten für den Algen-Kultivierungsprozess. Ein Ansatz ist es, Lichtquellen direkt in die Zellsuspension einzubringen, etwa über Mini-LEDs. Auch mit neuen Geometrien wird experimentiert. So können Cyanobakterien in der Form abgekapselter kleiner Kügelchen, sogenannten „Beads“, insgesamt mehr Licht aufnehmen. Robert Kourist dazu: „Es ist ganz wichtig, alle Maßnahmen auf dem Weg zur großindustriellen Anwendung von algenbasierten Biokatalysatoren integriert zu entwickeln. Das geht nur mit interdisziplinärer Forschung, die die Funktionsweise eines Enzyms genauso betrachtet wie das Engineering in der photosynthetischen Zelle.“
Diese Forschung ist an der TU Graz im Field of Expertise „Human & Biotechnology" verankert, einem von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten der TU Graz.