News+Stories: Sie sind im Referat für Frauenpolitik und Gleichstellungsfragen der HTU Graz tätig. Damit können Sie sicher gut einschätzen, wie es um die Gleichberechtigung an der TU Graz bestellt ist?
Christian Fior: Unsere Hauptaufgabe ist es, darauf zu achten, dass an der TU Graz keine Studentinnen diskriminiert werden. Und obwohl das unsere Hauptaufgabe ist, ist es tatsächliche auch eine der Aufgaben, die wir am wenigsten oft wahrnehmen müssen. In den meisten Fällen funktioniert das Thema an der TU Graz nämlich sehr gut.
„Je jünger man ist, desto wichtiger sind Role Models.“
Wie genau setzen Sie sich für Frauen an der TU Graz ein?
Fior: Wir haben zum Beispiel einen anonymen Kummerkasten: Studierende können dort ihre Probleme mit Tutor*innen, Professor*innen und anderen Studierenden einschicken. Sie können auch angeben, ob sie möchten, dass wir dem Problem aktiv nachgehen und eine Lösung anstreben oder ob sie es einfach nur loswerden wollen. In manchen Fällen – zum Beispiel wenn es blöde Kommentare von anderen Studierenden gab – können wir als HTU-Referat leider kaum etwas tun. Aber für weitere Gespräche oder Aktivitäten ist es wichtig, dass wir wissen, welche Probleme es grundsätzlich im Hörsaal gibt.
Ich persönlich schreibe außerdem Artikel zu Gleichbehandlungsthemen und zu frauenpolitischen Anliegen des Referats im Blog auf der Website der TU Graz – etwa Interviews mit Professorinnen.
In einer Interviewserie setzt sich die TU Graz ab 8. März schwerpunktmäßig mit den Karrierechancen und -herausforderungen von Frauen im Studium, in der Forschung, Lehre und Wirtschaft auseinander. Frauen an unterschiedlichen Karrierepunkten erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen. Hier geht es zu den Interviews mit Informatikerin Johanna Pirker, Experimentalphysikerin Birgitta Schultze-Bernhardt, Elektrotechnikerin Lia Gruber und TU Graz-Absolventin Esther Lind.
Über erfolgreiche Professorinnen zu lesen kann junge Frauen ja auf ihrem Weg in die Technik motivieren. Wie schätzen Sie den Impact von Role Models ein?
Fior: Ziemlich groß. Je jünger man ist, desto wichtiger ist das. Jedes Kind hat Vorbilder. Am Anfang sind das Eltern oder Geschwister. Später übernehmen diese Rolle auch Personen, die in den Medien vorkommen. Und genau da ist es wichtig Menschen zu sehen, die den Weg erfolgreich eingeschlagen haben, den man selbst gehen möchte. Das Unbekannte ist immer ein bisschen unheimlich.
„Das Unbekannte ist immer ein bisschen unheimlich.“
Hatten Sie selbst Vorbilder?
Fior: Verwandte, die bereits Studien abgeschlossen hatten – also habe ich gesehen, dass ein Studium eine Option und grundsätzlich möglich ist. Aber ich hatte nie nur ein Vorbild, sondern habe mir von unterschiedlichen Personen Dinge abgeschaut, die für mein Gesamtbild wichtig waren.
Wie haben Sie den Studieneinstieg erlebt?
Fior: Ich studiere Biomedical Engineering. Diese Studienrichtung hat einen besonderen Platz an der TU Graz, weil der Frauenanteil sehr hoch ist. Ich würde sagen, er liegt bei rund 40 Prozent. Ich hatte also schnell weibliche und männliche Freund*innen.
Ich habe eher damit zu kämpfen, dass es sehr viele große Menschen an der TU Graz gibt und ich sehr klein bin. Das führt immer wieder zu visuellen Problemen im Hörsaal (lacht).
Haben Sie das Gefühl, dass Sie anders behandelt werden, als Ihre männlichen Kollegen?
Fior: Ich habe es eher als Vorteil empfunden. Insofern, als das mehr Verständnis da zu sein schien, dass ich als Frau Null Vorwissen hatte. Ich habe an einer AHS maturiert und habe deshalb wenig technische Vorbildung. Männliche Kollegen, die ebenfalls an einer AHS maturiert haben, wurde da weniger Verständnis entgegengebracht. Obwohl sie es ja auch nie gelernt hatten, haben es Lehrende bei ihnen irgendwie vorausgesetzt, dass sie sich in der Elektrotechnik auskennen.
Sie haben es bereits erwähnt: Sie haben keine technisch orientierte Mittelschule besucht. Wie haben Sie dann den Weg an die TU Graz gefunden?
Fior: Ich habe über das Projekt „Frauen in die Technik“ mehrere Sommerjobs an der TU Graz gemacht. Mir hat das sehr viel Spaß gemacht und die Betreuer*innen waren sehr nett. Es hat sich herausgestellt, dass das genau die Richtung ist, in die ich gehen will.
Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Entscheidung reagiert?
Fior: Sehr supportive. Nur meine Großeltern waren der Meinung, dass ein technisches Studium furchtbar schwer sei und bemitleiden mich nach wie vor unheimlich, wenn ich eine Prüfung habe (lacht).
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, damit mehr Frauen ein technisches Studium absolvieren?
Fior: Die Einstellung der Gesellschaft. Es sollte ganz selbstverständlich werden, dass auch junge Mädchen einen Schraubenzieher und einen Hammer in die Hand gedrückt bekommen und helfen, ein Baumhaus zu bauen. Oder dass sie einen Elektrotechnikbausatz geschenkt bekommen. Solche Aktivitäten interessieren nicht nur Burschen. Viele Erwachsene haben noch sehr geschlechtsstereotype Vorstellungen, gerade in Bezug auf Geschenke. Das hat dann einen großen Einfluss auf den weiteren Lebensweg. Kinder wissen in jungen Jahren noch nicht von selbst, was sie interessiert. Und bekommen dann geschlechterstereotypische Dinge vorgesetzt, für die sie sich interessieren sollen.