Bauingenieurinnen und Bauingenieure planen und errichten Bauwerke und halten diese instand. Ihr Betätigungsfeld reicht von Gebäuden wie Wohnungs- oder Gewerbeimmobilien bis hin zu Verkehrsinfrastruktur wie Straßen oder Eisenbahnnetzen. Auch für die Versorgung unserer Städte und Siedlungen mit Wasser und Energie schaffen Bauingenieurinnen und -ingenieure die bauliche Basis. Nicht zu vergessen die Schutzbauwerke, zum Beispiel für den Hochwasserschutz, die angesichts sich häufender Extremwetterereignisse an Bedeutung gewinnen. Wenige Ausbildungen bieten so vielfältige Einsatzbereiche wie das Studium der Bauingenieurwissenschaften.
„Wenn wir von Bauingenieurwissenschaften sprechen, geht es um die gebaute Umwelt, das was wir als Menschen gestalten, wo wir in die Natur eingreifen – um Gebäude und Infrastruktur zu bauen, die wir als Gesellschaft brauchen, um unser Schutz- und Mobilitätsbedürfnis und unseren Energiebedarf zu erfüllen. Die nachhaltige und klimaschonende Gestaltung der gebauten Umwelt ist eine Schlüsselaufgabe zukünftiger Bauingenieurinnen und Bauingenieure.“ (Michael Monsberger, Studiendekan für Bauingenieurwissenschaften an der TU Graz)
Bauingenieurinnen und Bauingenieure gefragt
Dem entsprechend gibt es für Absolventinnen und Absolventen eine große Spannweite bei der Ausübung des Berufs – und sie sind national und international stark nachgefragt. „Bauen ist einerseits immer ein lokales Geschäft. Errichten, sanieren und Instandhalten von Gebäuden und Infrastruktur geschieht vor Ort und erfordert Arbeitskräfte. Gerade in Österreich gibt es sehr viele bestehende Bauwerke wie zum Beispiel Gründerzeitgebäude in Städten oder bestehende Verkehrsinfrastruktur, die zu erhalten es gilt. Andererseits gibt es Großbauprojekte in der ganzen Welt. Fachkräfte aus Österreich haben etwa im Wasserkraftwerksbau oder Tunnelbau eine große Expertise, die nicht nur vor Ort sondern auch in internationalen Projekten gefragt ist“, umreißt Michael Monsberger, Studiendekan für Bauingenieurwissenschaften an der TU Graz, die Situation. „In Ländern außerhalb Europas wird heute sehr viel neu gebaut. Viele Studierende nutzen nach dem Abschluss die Gelegenheit, bei international agierenden Unternehmen zu arbeiten und die Welt zu sehen. Danach gibt es immer die Möglichkeit, zurückzukommen.“
Wo Bauingenieurinnen und -ingenieure arbeiten: ein Überblick
Bauingenieurinnen und -ingenieure arbeiten in
- der Planungsbranche: In Büros, zum Beispiel für Tragwerksplanung oder Bauphysik, wird konzipiert, entworfen und die Auslegung der Bauwerke durchgeführt. Hier bietet sich mit entsprechender Berufserfahrung die Möglichkeit selbst ein Unternehmen zu gründen, beispielsweise als ZivilingenieurIn. Nach dem Abschluss des Masterstudiums sind drei Berufsjahre und eine eigenen Ziviltechnikerprüfung bei der Kammer der ZivilingenieurInnen Voraussetzung. Internationale Karrieren sind in der Planungsbranche möglich.
- der Ausführung: In einem ausführenden Unternehmen, meist einem klassischen Bauunternehmen, arbeiten Absolventinnen und Absolventen im Management, der Kalkulation, oder der konkreten technischen und organisatorischen Umsetzung. Karrieremöglichkeiten reichen bis in die Führungsetagen international agierender Unternehmen.
- bei Investoren und öffentlichen sowie privaten Auftraggebern: Absolventinnen und Absolventen wirken bei der grundlegenden Konzeption von Projekten mit, erarbeiten die wirtschaftlichen und technischen Grundlagen für Investitionsentscheidungen und betreuen, steuern und überwachen Projekte als VertreterInnen der Auftraggeber.
- im öffentlichen Bereich: Expertinnen und Experten in Behörden schaffen mit ihrer Arbeit zum Beispiel die regulativen Rahmenbedingungen für das Bauwesen.
Was sollten Studierende mitbringen?
„Wer Bauingenieurwissenschaften studieren will, sollte Lust am Gestalten und ein Grundinteresse an Technik haben“, erklärt Monsberger. „Im Bachelorstudium lernen Studierende die Grundlagen und eignen sich damit ein Überblickswissen an.
Im Bachelorstudium „Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen“ der TU Graz erlernen Studierende ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen wie Mathematik und Darstellende Geometrie, Physik und Mechanik sowie Baustatik. Und sie erlangen ein Querschnittwissen in Informatik, Bauwirtschaft, Grundlagen des konstruktiven Ingenieurbaus, Umwelt und Verkehr, Wasserbau, Geotechnik.
Im Masterstudium erfolgt die Spezialisierung in den verschiedenen Richtungen – je nach Interessen und Begabungen.
Liegt die Stärke im organisatorisch-wirtschaftlichen Bereich, vertiefen sich Studierende in die Bauwirtschaft und beschäftigen sich mit der bauwirtschaftlichen und baubetrieblichen Organisation und Abwicklung von Bauprojekten. Liegt jemandem der technische Aspekt mehr, arbeitet sie oder er darauf hin, die Realisierung und Umsetzung von Bauwerken von der technischen Seite her mitzugestalten. Ein klassisches Bauingenieurthema ist die statische Berechnung, damit das Bauwerk nicht zusammenstürzt, aber auch die Baustoffwahl und der Baustoffeinsatz. Wer sich speziell für bauphysikalische Themen interessiert, beschäftigt sich mit Fragen rund um Wärme-, Feuchte-, Schallschutz und Raumakustik in Gebäuden. TU Graz-Absolventin Theresa Reif beispielsweise arbeitet in einem Ziviltechnikerbüro im Bereich Bauphysik an zahlreichen Sanierungsprojekten ebenso wie an kleinen und großen Neubauprojekten. „Ich bin vom Entwurf bis zur Fertigstellung dabei, erstelle Simulationen etwa zur Heizlast oder Vermeidung sommerlicher Überwärmung und beantworte Planenden, Bauherrinnen und Bauherren sowie ausführenden Firmen bauphysikalische Fragen“, beschreibt die gebürtige Osttirolerin ihren Arbeitsalltag.
Wer sich in Österreich mit einem Masterabschluss in Architektur oder Bauingenieurwissenschaften selbständig machen will, legt nach drei Jahren Berufserfahrung die Ziviltechnikerprüfung bei der Kammer der ZiviltechnikerInnen ab.
Theresa Reif misst im Rahmen eines Sanierungsprojektes die Feuchte des Bestandsmauerwerks. Zahlreiche Laborübungen und Feldversuche sind bereits im Bachelorstudium Teil der Ausbildung zur Bauingenieurin oder zum Bauingenieur. © Pilz & Partner ZT GmbH
Unterschiede zwischen Bauingenieurwesen und Architektur
Im Gegensatz zu TU Graz-Studentin Lena Brigitte Mahringer, die als Kind schon in die Baubranche wollte, führte Theresa Reif der Weg nach der höheren Schule zunächst zum Architektur-Studium. Nach dem Bachelorabschluss arbeitete sie nebenbei in einem Architekturbüro und entdeckte dort ihre Liebe zu bauingenieurwissenschaftlichen Themen. „Ich schrieb mich dann in das Bachelorstudium Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen ein, arbeitete nebenher bei einem Bauingenieur und legte meinen Master in Architektur auf Eis. Mittlerweile habe ich das Masterstudium Bauingenieurwissenschaften-Konstruktiver Ingenieurbau abgeschlossen UND beende gerade mein Architekturstudium.“ Während Architektinnen und Architekten Gebäude vor allem künstlerisch-kreativ entwerfen und gestalten, übernehmen Bauingenieurinnen und Bauingenieure primär die konkrete Umsetzung. Allerdings baut auch die Architektur auf konstruktive und materialtechnische Grundkenntnisse – und umgekehrt erfordert die bauliche Umsetzung ebenfalls Kreativität. In der Praxis gibt es enge Berührungspunkte. „In der Planungsphase arbeite ich teilweise eng mit Architektinnen und Architekten zusammen und unterstütze vor allem bei der Detailplanung“, erklärt Reif. „Was mir an der Bauphysik besonders gefällt ist, dass es sehr viel Spielraum für neue Methoden und Herangehensweisen und somit auch für Kreativität gibt.“
Als Bauingenieurinnen und -ingenieure etwas für die Umwelt tun
Diese Kreativität ist heute mehr denn je gefragt. Die Bauwirtschaft ist insbesondere durch die Herstellung und den Einsatz von Baustoffen aber auch durch den Gebäudebetrieb, zu dem Heizung und Kühlung gehören, ein zentraler Verursacher der Umweltbelastung durch Kohlendioxid. Nachhaltige und energieeffiziente Bauweisen sind daher ein Schlüssel für das Erreichen der Energie- und Klimaziele.
Wer sich für Baustoffe interessiert, kann im TU Graz news-Beitrag „Was ist Beton“ nachlesen, wie nachhaltig der Baustoff Beton wirklich ist und sein kann. Mit dem Baustoff Holz befasst sich der Beitrag „Holzbau verändert unsere Städte“.
Die Art, wie ein Gebäude gebaut wird, hat einen großen Einfluss darauf, wieviel Energie verbraucht wird. Das beginnt schon bei der Wahl der Materialien und Rohstoffe und hängt auch von deren Einsatz ab. „Durch meine Berechnungen wird die Gebäudehülle maßgeblich bestimmt, somit auch deren Nachhaltigkeit. Es gehört dabei auch zu meiner Verantwortung, Bauherrinnen und Bauherren zu vermitteln, was das so oft verwendete Wort „Nachhaltigkeit“ im Einzelfall bedeutet – und was nicht“, führt Reif aus. „Immer häufiger werden auch Zertifizierungen bestehender Gebäude vorgenommen, um deren Nachhaltigkeit im Gesamten zu bewerten. Ein Teil dieser Bewertungen wird von Bauingenieurinnen und -ingenieuren gemacht.“
Informationen zum Studium Bauingenieurwesen in Graz
Wer sich für das Studium „Bauingenieurwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen“ in Graz interessiert, aber noch nicht sicher ist, findet am Tag der offenen Tür an der TU Graz, der jährlich in der Woche nach Ostern stattfindet, Beratungsangebote für alle Studien. Jährlich im Herbst findet an der TU Graz die Berufsmesse für das Bauwesen „BIT-BAU“ für Schülerinnen, Schüler und Studierende statt. Charakteristisch für das Studium an der TU Graz ist die Kultur der Zeichensäle. Die Fakultät stellt Räumlichkeiten zur Verfügung, in denen Studierende selbstorganisiert gemeinsam lernen, sich austauschen und soziale Kontakte knüpfen. „Gefallen hat mir der Umgang der Studierenden untereinander. Man hat immer versucht, sich gegenseitig zu helfen, das ist nicht selbstverständlich“, erinnert sich Theresa Reif an ihr Studium.
Lena Brigitte Mahringer entschied sich zunächst für die TU Graz, weil sie sich in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs mit rund 280.000 Einwohnerinnen und Einwohnern sofort wohlfühlte. Ein zusätzlicher Benefit war das TU Graz 100 Stipendium, für das sie sich als gute Schülerin bewarb und das ihr die Studienfinanzierung erleichtert.
Studienfinanzierung: Mit 100 Stipendien für Bachelor- und Masterstudierende verschiedener Fachrichtungen fördert die TU Graz in Kooperation mit Unternehmen junge Talente aus dem In- und Ausland. Im Rahmen des Programms TU Graz 100 werden bis zu 100 Stipendien pro Jahr für Bachelor- und Masterstudien vergeben. Einen Überblick über alle Stipendien finden Sie auf der TU Graz-Webseite „Stipendien für Studierende“.
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Video „Bauingenieurwissenschaften: Kaum ein Berufsfeld ist so vielfältig und interdisziplinär“