Der Festkörperphysiker nahm als einer von zwei TU Graz-Jungforschern an der 69. Lindauer Nobelpreisträgertagung teil.
Planet research: Sie hatten vor kurzem die Möglichkeit, mit 39 Nobelpreisträgerinnen und -trägern über deren Arbeit und Leben zu diskutieren. Wie war diese Erfahrung für Sie?
Andreas Jeindl: Es war sehr spannend und unglaublich inspirierend. Es gab unterschiedliche Formate: klassische Vorlesungen zu ihrer Arbeit, Agora-Talks mit Pitch und Fragerunde und vor allem die Open Discussions, wo die Nobelpreisträgerinnen und -träger 45 Minuten nur da waren, um unsere Fragen zu beantworten. Da konnte man sich intensiv wissenschaftlich auseinandersetzen und auch persönliche Fragen stellen. Zum Beispiel an Steven Chu, der zuerst den Nobelpreis für Laserkühlung bekommen hat, dann als Energieminister in die US-Regierung wechselte und heute wieder in der Forschung, jedoch im Bereich biologischer Physik, arbeitet. Da ist es wirklich spannend geworden.
Aber einige Teilnehmende hatten auch die Möglichkeit, ihre eigenen Projekte auf Postern zu präsentieren und in zweiminütigen Pitches vorzustellen. Das ist gar nicht so einfach. Zwar sind alle 600 Teilnehmenden Physikerinnen und Physiker, aber wer sich mit Gravitationswellen beschäftigt, ist von der organischen Elektronik, mit der ich arbeite, ähnlich weit weg wie eine Maschinenbauerin oder ein Maschinenbauer. Ich habe aber sehr viel dazu gelernt – vor allem, wie ich meine Arbeit erklären kann.
Ich würde es sofort wieder machen, wenn ich dürfte – aber man darf als Jungwissenschafterin oder -wissenschafter nur einmal dabei sein. Ich könnte nur mehr als Teil des Scientific Committee hin, oder wenn ich selbst einen Nobelpreis gewinnen würde (lacht).
Und ist das ein Ziel für junge Forschende, einen Nobelpreis zu bekommen?
Jeindl: Eine Sache, die ich beim Treffen auch gelernt habe, ist, dass auch Nobelpreisträgerinnen und -träger zwar sehr engagiert, aber auch nur Menschen sind und zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz eine große Portion Glück zu einem Nobelpreis gehört. Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort das Richtige tun und dazu noch die richtigen Menschen kennen. Ich weiß nicht genau, was ich – außer exzellenter Arbeit – noch tun könnte, um auf dieses Ziel hinzuarbeiten.
Ein erstrebenswerteres Ziel in meinem Bereich ist es, Direktor von einem Max-Planck-Institut, oder einer gleichwertigen Einrichtung, zu werden. Diesen Posten haben viele Koryphäen auf meinem Gebiet. Und da kann man gezielte Karriereplanung betreiben. Auch wenn ich es vielleicht nicht ganz bis zum Direktor schaffe, wäre ich vermutlich ein Professor auf einer angesehenen Universität. Den Nobelpreis bekommt man, wenn man ein neues Forschungsfeld begründet oder in einem bestehenden Feld sehr innovative Dinge tut. Wenn man in einem bestehenden Feld solide, wesentliche Beiträge leistet, steigert man seine Chancen auf eine Professur, wird aber keinen Nobelpreis dafür bekommen.
Andreas Jeindl arbeitet mit Simulationen, um die Eigenschaften von Materialien zu verbessern.
Können Sie uns das Feld, in dem Sie arbeiten – die Festköperphysik – etwas genauer erklären?
Jeindl: Ich arbeite in der Gruppe von Oliver Hofmann, der im vergangenen Jahr für sein Projekt „MAP-DESIGN“ den START-Preis bekommen hat. Wir legen im Grunde Moleküle auf Oberflächen und schauen, wie sie sich orientieren und welche geometrische Struktur die energetisch günstigste wäre. Wir glauben, dass wir die organische Elektronik verbessern können, wenn wir die erste Lage besser beschreiben können. Zum Beispiel geht es da um organische LEDs, die heute in vielen Handybildschirmen verbaut sind. Man verwendet statt anorganischen Halbleitern organische Materialien für die aktiven Schichten. Sie sind dafür verantwortlich, dass die LED Licht produziert. Dazu muss man über einen metallischen Kontakt in diese aktiven Schichten Elektronen hineinbringen und das wollen wir verbessern. Das ist harte Grundlagenforschung, aber vielleicht wird es in einigen Jahren Bauteile geben, die auf unserer Arbeit beruhen und besser sind als die, die es heute gibt.
Info: Forschungsgruppenleiter Oliver Hofmann arbeitet seit mehreren Jahren an der Verbesserung von Materialien für den Bau von zum Beispiel Solarzellen. Einen tieferen Einblick in das Forschungsfeld gibt der Beitrag „Verbesserte Energie-Ernte in Solarzellen“ auf Planet research.
Das Verstehen der ersten Lage ist der erste Teil des START-Projektes. Schlussendlich wollen wir aber den Experimentatorinnen und Experimentatoren ein Rezept geben, wie man diese Dinge besser bauen kann. Wir wollen ihnen sagen können: Nimm diesen Druck, diese Temperatur und bedampfe das Material so lange – und dann bekommst du ein besseres Ergebnis als das, das du heute hast. Das beste Rezept für den Kuchen sozusagen.
Woher kommt die Faszination für dieses Thema?
Jeindl: In der Schule habe ich mich sehr für Chemie interessiert. Schnell habe ich aber bemerkt, dass einen eigentlich die Physik weiter bringt, wenn man Dinge von Grund auf verstehen will. Deshalb habe ich Physik studiert. Für die Festkörperphysik habe ich mich schon im Bachelor interessiert und bin dann im Master bereits zu Oliver Hofmann gekommen. Die grundlegendsten Fragen der Physik wie „Wie ist unser Universum entstanden?“ interessieren mich zwar privat, ich wollte aber lieber in Richtung technische Physik und Anwendung gehen. Da ist man in der Festkörperphysik zwar auch noch weit entfernt, aber zumindest könnte sich in einigen Jahren ein reales Produkt aus dem entwickeln, was wir heute erforschen.
Wie wichtig ist in Ihrem Feld die Diskussion mit Kolleginnen und Kollegen? Sie haben betont, wie inspirierend es beim Treffen mit den Nobelpreisträgerinnen und -trägern war.
Jeindl: Wenn man von Null an eine neue Theorie entwickeln will, dann kann man das sicher auch alleine in seinem Elfenbeinturm tun und etwas Großes erreichen. In meinem Feld geht das nicht. Ich bin Simulant. Ich simuliere Dinge, die es geben sollte. Das kann ich schon alleine auch tun, aber das hilft dann niemandem. An einem bestimmten Punkt brauche ich Experimentatorinnen und Experimentatoren, die entweder meine Simulationen bestätigen oder sie widerlegen.
Mir ist der Austausch auch persönlich sehr wichtig. Wenn ich fünf Minuten mit jemandem aus einem komplett anderen Feld diskutiere, dann kommen oft neue Ideen zu Tage, mit denen ich in der kurzen Zeit viel mehr weiterbringe als in mehreren Jahren Forschung für mich alleine. Gemeinsam zu diskutieren ist viel spannender und innovativer, als in einer eigenen Blase zu forschen.