Ein großer, hoher Raum mit riesigen Bildschirmen, in dem dutzende Menschen vor ihren Computern sitzen und die für sie relevanten Daten im Auge haben – so in etwa kennt man eine Bodenstation der ESA oder NASA von Fernsehübertragungen großer Raketenstarts. Dass es für den Betrieb erfolgreicher Satellitenmissionen nicht ganz so pompös sein muss, zeigt die Bodenstation des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz. Zugegebenermaßen starten von hier keine Raketen, aber für die Geschichte von Österreich als Weltraumnation ist es ein äußerst relevanter Ort, schließlich wurde im gleichen Gebäude der erste österreichische Satellit gebaut und auch seine ersten Signale aus der Erdumlaufbahn wurden hier empfangen.
Wer den kleinen Raum unter dem Dach des Gebäudes Inffeldgasse 12 betritt, würde das allerdings nicht sofort vermuten. Ein paar Bildschirme, auf denen Umlaufbahnen verschiedener Satelliten sowie wichtige Messdaten zu sehen sind, ein Rack mit Computer-Hardware und funktional gehaltenes Mobiliar lassen ihn eher spärlich eingerichtet erscheinen. Die Schauwerte spielen hier allerdings eine sehr untergeordnete Rolle, die Daten, die von den Antennen am Dach oder den umliegenden Gebäuden über die Hardware auf die Bildschirme bzw. weiter zu Forschern gelangen, sind das, was wirklich zählt.
Blick ins All seit 2013
Das Hauptaugenmerk der Himmelsbeobachtung gilt dem Satelliten TUGSAT-1, der seit 2013 im All ist und nach seinem Start im Jahr 2023 dann auch dem Nanosatelliten PRETTY. Zusätzlich dient die Bodenstation als Backup-Station für den ebenfalls an der TU Graz gebauten und 2019 ins All gestarteten OPS-SAT. Am Beispiel von TUGSAT-1 zeigt sich, dass Technik und eine genaue Vorbereitung entscheidend sind, um vom Satelliten das zu bekommen, was man möchte. Denn Daten senden und empfangen ist nur während eines Überfluges (in Fachkreisen auch als Pass bezeichnet) möglich und der dauert zwischen acht und 15 Minuten – abhängig davon, wie weit der Satellit beim Überflug über dem Horizont und damit in Reichweite ist.
Das Testen ist bei Weltraummissionen eigentlich am kritischsten
Damit hier wirklich alles reibungslos läuft, hat die Empfangsantenne vor nicht allzu langer Zeit bessere Rotoren bekommen, um schnell genug mitdrehen zu können, wenn der Satellit direkt über die Station fliegt. Denn je genauer die Antenne ausgerichtet werden kann, desto höher die möglichen Übertragungsraten von und zum Satelliten.
Die Rolle des Mission Control Center
Auch die Ausrichtung des Satelliten selbst spielt für die Datenübertragung eine wichtige Rolle. Damit diese stimmt, sobald der Satellit über dem Horizont auftaucht, bekommt er bei einem Überflug schon vorab Kommandolisten für kommende Überflüge geschickt. Dadurch fängt er schon ein paar Minuten vor seinem Pass damit an, sich auszurichten und ist somit sende- und empfangsbereit, wenn er in Reichweite kommt.
Ist alles passend ausgerichtet und die Daten kommen an, ist die Hard- und Software in der Bodenstation am Zug. Diese Kombination wird als Mission Control Center bezeichnet und dient einerseits dazu, den Datenstrom so zu modulieren, damit Satellit und Bodenkontrolle ihn auch verstehen und andererseits dazu, die Daten auszuwerten, vorzubereiten und Scripts zu planen und zu analysieren. Damit sich nicht jeder in die Kommunikation zwischen Boden und Weltraum einmischen kann, haben beide Seiten eine eigene Adresse, über die sie sich gegenseitig erreichen. Und um das Signal neben der genauen Ausrichtung auch stark genug zu machen, sind Verstärker zwischengeschaltet.
Einfach aus- und wieder einschalten
Für Manuela Wenger sind aus diesem Datenstrom vor allem die Gesundheitsdaten des Satelliten und ihre Kommandos für den Satelliten wichtig, die wissenschaftlichen Daten gehen an die relevanten Forschungsgruppen. „Zuerst wird überprüft, ob es dem Satelliten aktuell gut geht. Anschließend kann ich mir die gesamten Daten herunterladen, weil ich nicht nur wissen muss, ob es ihm aktuell gut geht, sondern ob es ihm die gesamten 90 Minuten während seiner letzten Erdumkreisung gut gegangen ist“, sagt Manuela Wenger. War etwas nicht in Ordnung, erhält sie einen Alarm und kann beim nächsten Überflug manuell eingreifen, um das wieder in Ordnung zu bringen. Dabei wird auch gerne auf eine auf der Erde bekannte Taktik bei IT-Problemen zurückgegriffen: aus- und wieder einschalten. „Wenn ich etwa den Alarm bekomme, dass der Satellit seine Lage verloren hat, dann setze ich den Computer wieder neu auf, starte ihn neu und lade alles neu.“
Mehr Informationen und Geschichten zu den Aktivitäten der TU Graz im All finden Sie im TU Graz Dossier "Die TU Graz im All".
Zwischendurch gibt es auch kontrollierte Neustarts, da es aufgrund der höheren Strahlung im Orbit zu Aufladungen kommt, die zu Kurzschlüssen führen können. Durch kontrolliertes Aus- und wieder Einschalten lässt sich das vermeiden. Für den TUGSAT-1 hat sich das bewährt. „Bis jetzt hat er zehn Jahre so funktioniert“, meint Manuela Wenger. Damit sie überhaupt eine Minute im Weltall funktionieren, haben Satelliten wie TUGSAT-1, OPS-SAT oder PRETTY aber schon vor ihrem Start eine weite Reise hinter sich. Und auch dafür ist an der TU Graz einiges an Infrastruktur notwendig.
Wie mache ich einen Satelliten flugbereit?
Immerhin hat die TU Graz diese drei Satelliten selbst gebaut und musste daher sicherstellen, dass sie den Weg bis in den Orbit heil überstehen und dort dann auch funktionieren. Neben einigen Zukaufteilen sind die Nutzlasten in Eigenregie entstanden, also wurden Computer gebaut oder Antennen gefertigt, wofür es eigene Laborplätze brauchte. Auch das Chipdesign mit 24 Layern für den Hauptcomputer, das bei OPS-SAT und PRETTY zum Einsatz kommt, ist im eigenen Haus entstanden – lediglich die Fertigung wurde dann an einen externen Auftragnehmer übergeben. Für den Zusammenbau gibt es einen eigenen Reinraum am Campus Inffeldgasse der TU Graz. Doch die Produktion der Teile und die Konstruktion des Satelliten sind nur die eine Seite. „Das Testen ist bei Weltraummissionen eigentlich am kritischsten“, sagt Manuela Wenger.
Daher braucht es dafür besonders viel Infrastruktur. Da viele Teile selbst gebaut werden, müssen diese vorab einzeln Tests durchlaufen, bevor der Gesamtsatellit dann ebenfalls einen Testparcours zu bewältigen hat. Der beginnt damit, dass Temperaturen von minus 40 bis plus 80 Grad durchgetestet werden. Dafür hat das Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation noch aus Zeiten von AUSTROMIR aus dem Jahr 1991 einen Klimaschrank und leiht sich vom Institut für Elektronik einen zweiten aus. „Den kühlen wir auf minus 40 und unser Schrank ist auf plus 80 °C und dann kann man die Satellitenteile wirklich schocktesten. Aus dem einen raus, in den anderen hinein und dann sieht man, ob die Platine oder das Modul das auch so aushält, wie es gedacht ist“, erklärt Manuela Wenger.
Zerstörerische Frequenzen
Weiters gibt es eine Vakuumkammer, um zu schauen, ob der Satellit Lufteinschlüsse hat und wie der thermische Transfer funktioniert. Vor allem die integrierten Schaltkreise können sich stark erhitzen und da im Weltall nur eine Abstrahlung und keine Ableitung oder Kühlung möglich ist, muss im Vakuum geprüft werden, wie das thermische Verhalten ist. Außerdem muss so ein Satellit einen Raketenstart überstehen, weswegen er in der Testphase auf den Schütteltisch kommt. Entscheidend ist hierbei, dass die niedrigen Frequenzen eines Raketenstarts nicht der Eigenfrequenz des Satelliten gleichen, da er sonst einfach zerspringen würde. Für die Einzelmodule gibt es an der TU Graz einen Schütteltisch, der mit bis zu fünf Kilogramm belastet werden kann. Für den ganzen Satelliten inklusive Auswurfmechanismus braucht es die Infrastruktur von Partner*innen, wie etwa Beyond Gravity oder SGS Deutschland.
In den Sekunden, die man da wartet, wird man gefühlt schon ein paar Jahre älter
Anders verhält es sich mit Tests in der Antennenmesskammer, die am Institut für Hochfrequenztechnik der TU Graz zur Verfügung steht. „Dort testen wir, ob sich der Satellit selbst elektromagnetisch auflädt, ob er sich selbst stört, wenn man beispielsweise die Schwungräder einschaltet, wodurch dann etwa der Computer fehlerhaft läuft oder auf einmal keine Kommunikation mehr möglich ist“, sagt Manuela Wenger. Neu entwickelte Antennen für den Satelliten lassen sich in der Antennenmesskammer ebenfalls vermessen.
Wenn Sekunden sich wie Jahre anfühlen
Wenn dann all das überstanden ist und der Satellit in einer Rakete verstaut auf der Startrampe steht, sind die Konstrukteure machtlos. Wird alles gutgehen? Erreicht die Rakete plangemäß den Orbit? Funktioniert der Auswurf? Besondere Anspannung herrscht letztendlich, wenn in der Bodenstation der Erstkontakt ansteht. „In den Sekunden, die man da wartet, wird man gefühlt schon ein paar Jahre älter“, berichtet Manuela Wenger. Bislang hat es mit dem Kontakt immer funktioniert und die Kommissionierungsphase, die in den ersten Wochen zur vollen Aktivierung des Satelliten besonders viel Aufmerksamkeit erfordert, hat ebenfalls reibungslos geklappt. Das heißt aber nicht, dass es danach keine Aufregung mehr geben kann.
Das gilt besonders für TUGSAT-1, der in 780 Kilometern Höhe in den Orbit entlassen wurde, wo viele andere Satelliten und Weltraumschrott unterwegs sind. Das führte zwei Mal dazu, dass das North American Aerospace Defense Command (NORAD) anrief, um vor Kollisionen zu warnen und den Hinweis zu geben, TUGSAT-1 möge doch ausweichen. Da der Satellit aber keinen eigenen Antrieb hat, ist das gar nicht möglich. „Da sind wir dann auf Nadeln gesessen und mussten am Abend schauen, ob er sich wieder meldet. Einmal war es wirklich so, dass die größte Annäherung mit zwölf Metern berechnet wurde, wobei die mögliche Schwankung in der Berechnung größer als zwölf Meter war. Da lag die Kollisionswahrscheinlichkeit bei 16 Prozent“, erinnert sich Manuela Wenger.
Blick auf den Klimawandel
Da alles gut ging, konnte die Arbeit in der Bodenstation aber weitergehen und mit dem Start von PRETTY 2023 wird das auch noch für einige Jahre so bleiben. Der neue Satellit wird Informationen zum Klimawandel sammeln und Manuela Wenger wird dafür sorgen, dass die gesammelten Daten bei den Forschenden ankommen, während sie und ihre Kolleg*innen darauf achten, dass es PRETTY gutgeht. Und so wird in diesem kleinen Raum unter dem Dach des Gebäudes Inffeldgasse 12 auch in Zukunft Großes bewegt, damit wir unsere Erde und das sich ändernde Klima besser verstehen.
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