Bauwerke und Infrastruktur altern wie Menschen. Um schwerwiegenden Erkrankungen wie einem Herzinfarkt vorzubeugen, können wir Menschen beispielsweise in regelmäßigen Abständen zur Vorsorgeuntersuchung gehen. Oder heutzutage auch kleine digitale Health-Tracker tragen, die kontinuierlich unsere Körperfunktionen wie den Puls messen und uns jederzeit über zu hohe Werte informieren. Auch für Bauwerke, Straßen- und Schienenwege gibt es die "Vorsorgeuntersuchungen", also routinemäßige Inspektionen in festgelegten Wartungsintervallen, und "Health-Tracker" – an den Strukturen installierte Sensorsysteme, die den aktuellen Zustand ständig automatisch diagnostizieren.
"Das 'Health Tracking' an statischen Bauteilen liefert permanent Kennwerte, die auch über kleinste Risse und Verformungen der Strukturen informieren und mögliche Schwächen erkennen. So können Materialveränderungen und Schädigungen sehr frühzeitig erkannt und repariert werden, bevor die Funktionsfähigkeit gefährdet wird und schwerere Schäden entstehen", erklärt Werner Lienhart, der das Institut für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme (IGMS) der TU Graz leitet und die Methoden des sogenannten "Structural Health Monitoring" mit seinem Team weiterentwickelt.
Forschung auf Schiene
Zum Tragen kommt die Forschung an der TU Graz beispielsweise beim Monitoring von Gleisen. Die ÖBB überprüfen die Gleisanlagen routinemäßig bei zweimal jährlich stattfindenden Testfahrten, und während des Regelverkehrs melden die Zugführer Schäden an den Gleisen. Um Veränderungen nun eben schneller zu erkennen, evaluieren die Forschenden an der TU Graz ein neuartiges Messverfahren mit faseroptischen Sensorkabeln, die an den Gleisen montiert werden.
Beim Structural Health Monitoring werden faseroptische Sensorkabel an den Eisenbahngleisen montiert.
"Die Gleise werden sozusagen mit einem Nervensystem ausgestattet", erklärt Werner Lienhart. In den optischen Fasern wird Licht zwischen zwei Punkten übertragen. Durch geringe Änderungen an der Faser, die beispielsweise durch Dehnungen oder Temperaturschwankungen entstehen, verändert sich auch die Frequenz des Lichts. Die Forschenden an der TU Graz erfassen diese Lichtvariationen und können damit den Zustand der gesamten Faser bestimmen. So können sie bereits Veränderungen im tausendstel Millimeterbereich messen. Die automatische Interpretation der riesigen Datenmenge erfolgt durch neu entwickelte Algorithmen für die Signalverarbeitung und Mustererkennung.
Das Projekt, das von der FFG finanziell unterstützt wird, wurde am Joint International Symposium in Deformation Monitoring (JISDM) 2016 detailliert vorgestellt.
Der Einsatz von faseroptischen Messungen wird von Werner Lienhart und seiner Forschungsgruppe am IGMS der TU Graz in Zusammenarbeit mit der Montanuni Leoben und den ÖBB auch im Zuge des Koralmtunnelbaus getestet. Hier werden faseroptische Sensorkabel gleich bei der Herstellung in die Tübbinge – die Bauteile für die Tunnelschale – miteingegossen. Mithilfe des einbetonierten Sensorkabels können die Forschenden Dehnungen in den Tübbingen erfassen und die Rissentwicklung messen. Zudem testen die Forschenden am Prüfstand die Langzeitstabilität der eingebetteten Sensoren. Für dieses innovative Verfahren wurde ein Patent (AT 516158) eingereicht, welches im Frühjahr 2016 erteilt worden ist.
Tübbingprüfstand an der Montanuniversität Leoben, an dem die faseroptischen Messungen evaluiert werden.
Weitere Forschungsgebiete im Bereich Structural Health Monitoring an der TU Graz sind auf der Homepage des Instituts für Ingenieurgeodäsie und Messsysteme näher beschrieben.
Dieses Forschungsgebiet ist an der TU Graz im Field of Expertise "Advanced Materials Science" verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern.