Bildmaterial von Helmut Schreiber am Ende der Meldung
Er gehört zur gesetzlichen Pflichtausstattung von zivilen Flugzeugen: der Transponder; ein elektronisches Gerät, das auf Radarabfragen antwortet und so der Flugsicherung und den Kollisionsvermeidungssystemen (air collision avoidance systems) anderer Luftfahrzeuge am Himmel hilft, die genaue Position des Flugzeugs zu ermitteln. Die Dauer, die das Signal vom Transponder bis zum Empfänger braucht, gibt Aufschluss über die genaue Position des Flugzeugs. Je nach Transpondertyp werden auch weiterführende Informationen übermittelt, etwa zu Flughöhe oder Flugkennung.
Hat ein Transponder besonders viele Signalabfragen zu bewältigen, besteht die Gefahr einer Überlastung – der Transponder antwortet dann nicht mehr auf alle Abfragen und im äußersten Fall auf gar keine Abfragen mehr. Das Flugzeug kann dadurch für kurze Zeit vom Radar verschwinden. Das Risiko eines solchen Szenarios ist zwar gering, aber gegeben.
„Ein Flugzeug, das plötzlich vom Bildschirm der Flugüberwachung verschwindet, ist immer höchst alarmierend“, sagt Helmut Schreiber vom Institut für Hochfrequenztechnik der TU Graz. Er untersuchte im Auftrag der österreichischen Flugsicherung Austro Control sämtliche Einflussfaktoren auf die Transponderbelastung und entwickelte darauf aufbauend das Simulationstool „TOPAS (Transponder Occupancy Analysis Software)“ für die Transponderbelastung im österreichischen Luftraum. Im Auftrag der EUROCONTROL wird dieses Tool nun für den gesamteuropäischen Luftraum weiterentwickelt. Unter dem Akronym ESIT (EUROCONTROL Simulator of Surveillance Interrogators and Transponders) arbeitet die TU Graz dafür eng mit Austro Control sowie mit der deutschen Firma SeRo Systems und der EUROCONTROL zusammen. „Für die Planung und den Ausbau von Flugsicherungsinfrastruktur ist es essentiell zu wissen, wie sich diese Infrastruktur auf die Transponderbelastung auswirkt. Das betrifft etwa das Hinzufügen neuer Radaranlagen oder Änderungen von Abfragestrategien. Da ist es wichtig herauszufinden, wo es bereits Hotspots gibt und eine Entlastung notwendig ist. Unsere Simulationswerkzeuge leisten hier einen wichtigen Beitrag“, so Schreiber.
Paul Bosman, Abteilungsleiter der ATM-Infrastruktur bei EUROCONTROL ergänzt: „Wir freuen uns über die hervorragende Zusammenarbeit mit der TU Graz, Austro Control und SeRo Systems. Die Simulationstools werden zu einer nachhaltigen Nutzung der kritischen Ressourcen Funkfrequenzen und Transponderkapazität beitragen, wovon alle europäischen Luftraumnutzer profitieren werden."
Digitaler Zwilling
Einen raschen und ungefähren Überblick über die Transponderbelastung gibt eine relativ einfache Tabellenkalkulation. Sie berücksichtigt nur die Anzahl der Sensoren und der Flugzeuge, nicht aber deren räumliche Verteilung. Die Tools TOPAS und ESIT hingegen beziehen als digitaler Zwilling die tatsächlichen Positionen aller Radarsensoren und auch die reale Luftverkehrssituationen mit ein. „Mit so einer Simulation sind auch komplexere Abfragefolgen programmierbar, sowohl für ganze Radarsysteme als auch isoliert für einzelne Sensoren. Damit erzielen wir realistischere und genauere Ergebnisse: Wir erfahren konkret, wann und wo es welche Belastungssituationen für Transponder geben wird“, erklärt Helmut Schreiber.
Mit dem ESIT-Tool können Nutzer (staatliche Behörden, Flugsicherungen) die Transponderbelastung in ihrem Luftraum bestimmen, die durch eigene Systeme und die der Nachbarstaaten verursacht wird. Nachdem das Tool ausschließlich auf Servern der EUROCONTROL laufen wird, haben die Nutzer keinen Zugang zu sensiblen Daten der Infrastruktur anderer Länder.
Radar fragt, Transponder antwortet
Neben zivilen und militärischen Radarstationen an Flughäfen oder an neuralgischen Punkten wie der Koralpe, beanspruchen außerdem laufende Funkkontakte sogenannter Multilaterations-Systeme die Transponder. Österreichweit gibt es dafür rund 70 Sende- und Empfangsstationen. Die Multilateration, kurz MLAT, funktioniert wie ein umgekehrtes GPS: Mehrere Antennenstationen auf dem Boden tasten das ausgesandte Funksignal eines Transponders ab und schicken zusätzlich auch eigene Abfragen an den Transponder.
Je nach Entfernung des Flugzeugs erreichen die Funkwellen des Transponders die jeweiligen Empfangsantennen zu anderen Zeitpunkten. Jede Empfangsstation meldet den exakten Zeitpunkt, an dem sie das Signal erhalten hat, an einen Zentralrechner. So lässt sich der Weg des Flugzeuges mitverfolgen. Helmut Schreiber vom Institut für Hochfrequenztechnik der TU Graz erklärt: „MLAT-Systeme haben große Vorteile: Sie können teure Radarstationen ersetzen. Und der Ausfall eines einzelnen Empfängers ist weniger dramatisch als etwa der Ausfall einer ganzen Radarstation. Trotz dieser Vorteile können die laufenden Funkkontakte bei einer schlechten Konfiguration Transponder in einem außerordentlich hohen Maß belasten und ebenso dazu führen, dass ein Flugzeug quasi unsichtbar wird.“
Die Entwicklung der zivilen Flugüberwachung geht laut Schreiber in die Richtung, dass längerfristig auf Radaranlagen zumindest teilweise verzichtet werden kann: Flugzeuge bestimmen mittels Satellitennavigationssystem ihre Position selbst und schicken diese automatisch an die Flugüberwachung. Auch dies wird durch ESIT simuliert. Durch Berechnung der potentiellen Transponderbelastungen erhöhen TOPAS und ESIT somit die Sicherheit in der Luft für bestehende und zukünftige Systeme.
Diese Forschung ist an der TU Graz im Field of Expertise „Information, Communication and Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern.