Fällt das Wort „Drohnen“, denken viele gleich an den Einsatz von ferngesteuerten Kampffliegern in Kriegsgebieten oder die totale Überwachung von oben. Doch die unbemannten Luftfahrzeuge, in der Fachsprache auch MAVs (Micro Aerial Vehicles) oder UASs (Unmanned Aircraft Systems), gewinnen für zivile und wissenschaftliche Zwecke immer mehr an Bedeutung – etwa für Such- und Rettungseinsätze im unwegsamen Gelände. Für diese Einsatzgebiete werden vollautonome Drohnen benötigt, die in Bodennähe fliegen und selbstständig Hindernisse wie Gebäude und Bäume erkennen und ihnen ausweichen. Die Software „an Bord“, mit der diese Drohnen sicher durch die Lüfte navigieren sowie zielgenau und sicher landen können, wird von Forschenden am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz weiterentwickelt.
Sensortechnologie für Drohnen mit Autopilot
„Wir entwickeln Bildverarbeitungsalgorithmen, die in die Computersysteme der Drohnen integriert werden und auch in die Drohnensteuerung eingreifen können“, erklärt Friedrich Fraundorfer am Institut für Maschinelles Sehen und Darstellen der TU Graz, der die Aerial Vision Group leitet. Damit die Drohne autonom und zielgerichtet fliegen kann, verarbeiten die Algorithmen die Bilddaten, die die an der Drohne installierten Kameras liefern. In den meisten Fällen werden diese Bilddaten noch mit Daten, die parallel aus den Bewegungs- und Orientierungssensoren an Bord der Drohne gewonnen werden, abgeglichen. „Die Drohne ist mit einem Messsystem (IMU, Inertial Measurement Unit) ausgestattet, das Beschleunigungen und Drehraten der Drohne laufend aufzeichnet. Zusammen mit den Bilddaten kann so die räumliche Bewegung und geographische Position der Drohne auch unabhängig von jeglichen Ortungssignalen aus der Umgebung - etwa GPS - bestimmt werden. Dies ist besonders für Innenräume, wo GPS nicht anwendbar ist, essentiell“, erklärt Fraundorfer. Durch die Kamerabilder gewinnt die Drohne ein detailliertes 3D-Geländemodell, das ihr hilft, die Umgebung zu interpretieren und kollisionsfrei zu navigieren. Die Computersysteme, die an der Drohne installiert sind, müssen dabei klein, leicht und gleichzeitig rechenstark sein, da die Auswertung von Bilddaten in Echtzeit sehr rechenintensiv ist.
Drohnen für Such- und Rettungseinsätze
Eine besondere Herausforderung für die Forschenden stellt der Einsatz von Drohnen für Such- und Rettungseinsätze dar: Die Drohnen unterstützen hier Rettungsmannschaften bei der Suche nach Vermissten in unwegsamen Gelände. Die MAVs müssen hier besonders genau, verlässlich und schnell operieren, und die Daten in Echtzeit an das Rettungsteam übermitteln können. Hier trägt die Grazer Drohnenforschung auch im Nachwuchsbereich Früchte: Im Sommer 2016 kamen die „Graz Griffins“, ein Team aus Master- und Doktoratsstudenten unter der Leitung von Friedrich Fraundorfer, in der internationalen „2016 DJI Developer Challenge“ in die Finalrunde. Die Aufgabe: Drohnen mit einer Software auszustatten, mit der sie in Bodennähe nach bestimmten Markierungen sucht, die verunglückte Personen repräsentieren. Danach muss die Drohne zurück zum Fahrzeug fliegen, sicher landen und die gewonnenen Daten und ermittelten Positionen bekanntgeben. Ein Video zeigt die Drohne bei der 2016 DJI Developer Challenge.
Die „Graz Griffins“, ein Team aus Master- und Doktoratsstudenten unter der Leitung von Friedrich Fraundorfer, kamen im Sommer 2016 ins Finale der weltweiten "2016 DJI Developer Challenge".
Die gewonnen Erkenntnisse fließen nun in die aktuelle Forschung der Gruppe ein, um die Technologien weiterzuentwickeln und sie für weitere zivile Einsatzbereiche nützen zu können. Ein solcher Einsatzbereich ist etwa die Postzustellung mittels Drohnen, die die Päckchen zuverlässig bei der gewünschten Lieferadresse ablegen. Ein Video zeigt den Paketzustelldienst mit Hilfe einer Drohne. Eine Projektstudie mit der Österreichischen Post ist gerade am Laufen.
Geländevermessung und Infrastrukturinspektion
Drohnen könnten in Zukunft auch im Bergbau effiziente Helfer werden. Denn bei einer Sprengung kann man im Vorfeld nicht genau abschätzen, wie die Beschaffenheit des Abraums ist, also wie groß die einzelnen Felsbrocken sind. In Zukunft könnte der Abraum nach einer Sprengung automatisiert von Drohnen zuerst von oben „inspiziert“ werden. Nach der Auswertung der Bilddaten könnte der Abtransport besser organisiert werden. Im Rahmen des EU Horizon 2020 Projekts „SLIM“ wird an diesem Einsatzbereich von Friedrich Fraundorfer und seinem Team intensiv geforscht.
Genauso wird an der TU Graz daran gearbeitet, Drohnen für die vollautomatisierte Überwachung von kritischer Infrastruktur (zum Beispiel Tunnel) oder von Hängen zu rüsten, um gefährliche Rutschungen möglichst früh und automatisch detektieren zu können. Derzeit werden Hänge mittels Laser- und Radarmessung überwacht. Die Messgeräte sind hier allerdings fix installiert, und so kann nur ein Bruchteil der Hänge inspiziert werden.
Dieser Forschungsbereich ist an der TU Graz im Field of Expertise „Information, Communication & Computing“ verankert, einem von fünf strategischen Forschungsschwerpunkten.