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Intensiv wurde in den vergangenen Jahren an Festkörperelektrolyten geforscht und Materialien entwickelt, die eine ähnlich hohe Ionen-Leitfähigkeit besitzen wie Flüssigelektrolyte. Das Ziel vor Augen war stets klar: Batterien mit festen Elektrolyten, etwa aus Keramiken, erreichen ungemein höhere Energie- und Leistungsdichten als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien mit Flüssigelektrolyt, und wären obendrein feuerfest. „Festkörperbatterien wären ein Riesenschritt in Richtung flächendeckende E-Mobilität“, betont Daniel Rettenwander vom Institut für Chemische Technologien von Materialien der TU Graz.
Grenzflächen im Fokus des Interesses
Bei der Implementierung von neu entwickelten Festkörperelektrolyten in Lithium-Ionen-Batterien zeigte sich aber schnell ein großes Problem, wie der Forscher schildert: „An den Grenzflächen bilden sich hohe Widerstände aus, die einen schnellen Ionentransport zwischen den Elektroden verhindern und somit zu einem signifikanten Perfomanceverlust führen. Bei den Übeltätern handelt es sich in den meisten Fällen um die Grenzflächen zwischen Festkörperelektrolyt und Elektrodenmaterial sowie zwischen Partikeln des Elektrolyten selbst.“ Den gebremsten Ionen wieder Schwung verleihen will das von Rettenwander geleitete neue „Christian Doppler Labor für Festkörperbatterien“, das gemeinsam mit dem Unternehmenspartner AVL am 12. November 2020 eröffnet wurde.
Für AVL ist dieses CD-Labor von sehr großer Bedeutung. „Als Entwickler innovativer Antriebsbatterien sind die Forschungserkenntnisse extrem wertvoll für die Entwicklung zukünftiger Batteriemodule auf Basis der Festkörperbatterietechnologie“ betont Volker Hennige, Fachbereichsleiter Batterie bei AVL. Dementsprechend unterstützt AVL die auf sieben Jahre ausgelegte Forschung gemeinsam mit der öffentlichen Hand. Das Budget des CD-Labors mit sieben Mitarbeiter*innen beläuft sich auf insgesamt rund zwei Millionen Euro. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW).
Dr. Margarete Schramböck, Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, führt dazu aus: „Die Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft ist essenziell, um nachhaltige und umsetzbare Lösungen für komplexe Herausforderung wie die Klimakrise zu finden. Gerade für den Wirtschaftsstandort Österreich birgt der Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Hochschulen enormes Potential, um über die konkrete Umsetzung von Forschungsergebnissen durch die Unternehmen international kompetitiv zu bleiben. Deshalb freut es mich sehr, dass im Christian Doppler Labor für Festkörperbatterien die nächsten sieben Jahre intensiv zu diesem wirtschaftlich und gesellschaftlich höchst relevanten Thema geforscht wird.“
Lösungen für den Abbau von Grenzflächenverlusten
Das vorrangige Problem bei Festkörperbatterien sind Kontaktinhomogenitäten an den diversen Grenzflächen. Diese führen bei sehr hohen Stromraten zu lokalen Stromspitzen, wodurch Lithium-Ionen nicht mehr genug Zeit haben, sich gleichmäßig an der Grenzfläche zu verteilen. Im Fall der Grenzflächen von Lithium-Metall-Festkörperelektrolyten bilden sich dadurch nadelartige Strukturen aus, sogenannte Dendriten, die durch den Elektrolyten hindurch wachsen und im schlimmsten Fall zum Kurzschluss und zum Entzünden der Batterie führen. Der Kontaktverlust durch die Volumsänderung des Kathodenmaterials während der Lade- und Entladevorgängen und die elektrochemische Zersetzung des Festkörperelektrolyten bei hohen Zellspannungen aufgrund thermodynamischer Instabilität sind weitere Gründe, die der Entwicklung von Festkörperbatterien derzeit im Wege stehen.
Rettenwander und sein Team haben mehrere Lösungsansätze im Fokus: „Die Stromdichtenverteilung an den Grenzflächen lassen sich zum Beispiel homogenisieren, indem man Zwischenschichten mit fein abgestimmten Lithium-Transporteigenschaften einbringt. Im weiteren wollen wir alternative Ladeformen testen und anstelle von Gleichstrom verschiedene Pulsladeformen verwenden, um eine homogene Lithiumabscheidung zu erzielen.“
Kombi aus Polymer und Keramik
Leichtere Festkörperbatterien bringen eine höhere Energiedichte. Ein reduziertes Gewicht bei gleichzeitigem Ausgleich des Kontaktverlustes durch Ausdehnung des Kathodenmaterials beim Laden und Entladen ließe sich mit einer Kombi aus keramischen und polymerbasierten Elektrolyten erreichen. „Das wäre das Beste aus zwei Welten: die hohe Leitfähigkeit und thermodynamische Stabilität von keramischen Elektrolyten vereint mit den exzellenten mechanischen Eigenschaften und der leichten Verarbeitbarkeit von polymerbasierten Elektrolyten. Allerdings entstehen damit wiederum neue Grenzflächen, nämlich zwischen Keramik und Polymer, die den Ionentransport zwischen den Komponenten verhindern. Für den reibungslosen Ionen-Transport braucht es also wieder Oberflächenmodifikationen für eine verbesserte Bindung zwischen Keramiken und Polymer“, führt Daniel Rettenwander aus. Beim Entwickeln von geeigneten Polymere und beim Modifizieren der Oberflächen von keramischen Materialien arbeitet Rettenwanders CD-Labor mit dem „CD-Labor für Organokatalyse in der Polymerisation“ von TU Graz-Kollegen Christian Slugovc sowie mit der Arbeitsgruppe von TU Graz-Forscher Gregor Trimmel zusammen. Erst kürzlich haben sie dazu Erkenntnisse im wissenschaftlichen Fachjournal Cell Press Physical Science veröffentlicht.
Forschung bringt neue Energiespeicher auf Kurs
Rettenwander wirft einen Blick in die nähere Zukunft: „Die Entwicklung von Festkörperbatterien ist im Gegensatz zu beispielsweise Lithium-Luft-Batterien oder ähnlichen experimentellen Batterietechnologien schon relativ weit vorangeschritten. Es wird zwar noch etwas dauern, bis diese Batterienform auch für Hochenergieanwendungen wie eben in E-Fahrzeugen einsatzbereit ist, aber es ist absehbar – als kleine Batterien für elektronische Bauteile sind Festkörperbatterien vereinzelt schon zu finden – sogar hier in der Steiermark. Wir kennen die konkreten Problemfelder, arbeiten unter anderem in diesem CD-Labor mit Hochdruck an nachhaltigen Lösungen und sehen uns damit als wesentliche Startrampe für die nächste Generation von Energiespeichern.“
Dieses CD-Labor ist an der TU Graz im Field of Expertise „Advanced Materials Science“ verankert.
Alltag der unternehmerischen TU Graz
Insgesamt sind an der TU Graz aktuell zwölf CD-Labors aktiv. „Forschungskooperationen mit Industrie und Wirtschaft sind für uns als unternehmerische Universität gelebter Alltag. Das Fördermodell CD-Labor ist ein besonders erfreuliches, bringt es doch im Sinne anwendungsorientierter Grundlagenforschung auf höchstem Niveau hervorragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit innovativen Unternehmen zusammen.“, sagt TU Graz-Rektor Harald Kainz.
12 aktive und eröffnete CD-Labors an der TU Graz
- CD-Labor für Festkörperbatterien
- CD-Labor für Innovative Pichia pastoris Wirts- und Vektorsysteme
- CD-Labor für Organokatalyse in der Polymerisation
- CD-Labor für Ortssensitive Elektronische Systeme
- CD-Labor für die direkte Fabrikation von 3D-Nanosonden
- CD-Labor für Stofftransport durch Papier
- CD-Labor für Methoden zur Qualitätssicherung von autonomen Cyber-Physikalischen Systemen
- CD-Labor für Design von Hochleistungslegierungen mittels thermo-mechanischer Prozesstechnik
- CD-Labor für modellbasierte Regelung komplexer Prüfstandssysteme
- CD-Labor für bürstenlose Antriebe für Pumpen- und Lüfteranwendungen
- CD-Labor für Faserquellung und deren Einfluss auf die Papiereigenschaften
- CD-Labor für Semantische 3D Computer Vision
In Christian Doppler Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende Wissenschafterinnen und Wissenschafter kooperieren dazu mit innovativen Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG) international als Best-Practice-Beispiel. CD-Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW). Nähere Infos zur CDG:www.cdg.ac.at.