Rund um den Jahreswechsel wurde in der IT-Welt über neue, schwere Sicherheitslücken spekuliert, die alle derzeit gängigen Mikroprozessoren haben sollen. Nun ist es offiziell: Mit „Meltdown“ und „Sepctre“ wurden zwei neue Angriffsmethoden gefunden, bei denen unautorisierte User direkt auf Daten im Herzstück des Computers – dem Kernel – zugreifen können. Entdeckt wurde dieses Problem von einer zehnköpfigen, internationalen Forschendengruppe mit zentraler Beteiligung des Instituts für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie der TU Graz. Bei beiden Angriffen wird die zentrale Arbeitsweise von schnellen Prozessoren ausgenutzt. Betroffen sind davon Prozessoren der Hersteller Intel, AMD und ARM.
Informationswebsite zu „Meltdown“ und „Spectre“.
Simpler Code mit verheerenden Auswirkungen
„Bei Meltdown handelt es sich um einen sehr simplen Angriff, bei dem nur vier Zeilen Computercode ausreichen, um Zugriff zu erlangen“, erklären Moritz Lipp, Michael Schwarz, Stefan Mangard und Daniel Gruss von der TU Graz. „Spectre ist wesentlich aufwändiger, dafür aber auch wesentlich schwerer abzuwehren. Dabei wird das angegriffene Programm dazu gebracht selbst seine Geheimnisse auszuplaudern.“ Betroffen sind von den Sicherheitslücken aber nicht nur private Computer, sondern vor allem auch die meisten Server-Strukturen und Cloud-Dienste, die derzeit verwendet werden.
Weil Computersysteme immer schneller arbeiten sollen, machen sie ihre Rechenschritte nicht nacheinander, sondern parallel. Parallel zu langwierigen Arbeitsschritten, versucht der Prozessor bereits die nächsten Schritte vorherzusagen und vorzubereiten. „Aus Performancegründen wird dafür noch nicht überprüft, ob das zugreifende Programm überhaupt die Rechte für einen Zugriff hat“, erklären die Grazer Forschenden. Wird der Arbeitsschritt doch nicht benötigt oder fehlen die Zugriffsrechte, dann verwirft der Prozessor die Vorarbeit wieder. Diese Vorarbeit wird bei den neuen Angriffen nun ausgenutzt, um sensible Daten aus dem Kernel auszulesen – beispielsweise Passwörter, die in gängigen Internet-Browsern gespeichert sind.
Grazer Patch schützt gegen „Meltdown“
Mit KAISER präsentierten die Grazer ein am Institut entwickeltes Patch, das helfen soll, diese Lücke zu schließen. Entwickler der wichtigsten IT-Firmen haben den Grazer Vorschlag angepasst, weiterentwickelt und liefern ihre Lösung nun mit dem aktuellsten Sicherheitsupdate aus. „Dieses Update greift aber die zentrale Arbeitsweise von schnellen Prozessoren an und könnte sich vor allem in seiner Geschwindigkeit bemerkbar machen“, erklären Gruss, Lipp, Mangard und Schwarz. „Wir können aber trotz allem nur an alle Nutzenden appellieren, diese Updates auszuführen. Die großen Anbieter von Cloud- und Server-Lösungen werden das in den kommenden Tagen umsetzen.“ Bis das Thema aber auf Seiten der Hardware gelöst werden kann, wird noch einige Arbeit auf die Hersteller zukommen. Insbesondere, weil das Patch zwar gegen den „Meltdown“-Angriff wirksam ist, nicht aber gegen Attacken wie „Spectre“.
Die Resultate wurden im Rahmen des ERC-Projekts „SOPHIA“ erzielt.