Im dritten Jahr der Coronapandemie zeigt die Datenlage sehr deutlich, dass wirksames Lüften, also der Austausch von Raumluft gegen Außenluft, die Konzentration an infektiösen Partikeln in der Raumluft massiv verringert. Gleichzeitig wird aber gerade in Klassenzimmern meist zu selten und zu kurz gelüftet.
Christina Hopfe und ihr Team vom Institut für Bauphysik, Gebäudetechnik und Hochbau (IBPSC) der TU Graz teilen dazu nun vielversprechende Erkenntnisse und Informationen: Im Herbst 2021 haben die Forschenden unter Leitung von Robert McLeod (IBPSC) in einem Pilotversuch zwei Klassenzimmer der Sacré Coeur Schule in Graz mit einem kostengünstigen und einfach gebauten Abluftsystem auf Basis eines Konzeptes des deutschen Max-Planck-Institutes ausgestattet. Die Anlage zieht verbrauchte, aerosolhaltige Luft über Abzugshauben ins Freie und sorgt zugleich für permanente Frischluftzufuhr.
Mit handelsüblichen Bauteilen, die zum Großteil direkt im Baumarkt erhältlich sind, fallen dafür pro Klassenzimmer Material- und Installationskosten von rund 500 bis 700 Euro an. Ein Erklärvideo (in Englisch und Deutsch) zu Bau und Installation des Systems wurde nun auf der Institutswebsite unter www.coved.tugraz.at veröffentlicht, bis Mitte August folgt noch eine verschriftlichte DIY-Anleitung. „Mit gut durchgeplanten und installierten Abluftventilatoren ist das Infektionsrisiko ungefähr acht Mal geringer. Jedes Klassenzimmer und jeder Gruppenraum im Kindergarten kann mit einem derart effektiven Abluftventilationssystem problemlos und kostengünstig nachgerüstet werden. Es wäre ein ganz großer Beitrag, um das Infektionsgeschehen in Schulen und Kindergärten einzudämmen“, sagt Christina Hopfe.
DIY: Covid-19 Abluftsystem Bauanleitung
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Aerosole raus, Frischluft rein
Das Prinzip des Abluftsystems ist simpel: Warme Luft steigt nach oben, transparente Absaughauben unter der Decke ziehen diese verbrauchte Luft inklusive der infektiösen Aerosole in Abzugsrohre, ein Ventilator transportiert diese Luft ins Freie. Für permanente Frischluftzufuhr sorgt ein gekipptes Fenster, das in kalten Wintermonaten seitlich abgedichtet werden kann, um Zugluft zu vermeiden. Die Verwendung von Absaughauben in Kombination mit einem nach oben gerichteten Luftstrom trägt dazu bei, die Aerosole direkt über den infizierten Personen zu entfernen, bevor diese im Raum zirkulieren können.
„Hier unterscheidet sich unser Abluftsystem deutlich von teuren Luftfilteranlagen, die Luft ansaugen, um sie zu reinigen. Bei Filteranlagen handelt es sich nicht um eine Belüftungsvariante. Aerosole werden im Raum zu diesem Gerät gezogen, das heißt, der Virus wird nicht dort entzogen, wo er ist, sondern kann sich im ganzen Raum verteilen, bevor er entzogen wird. Das hat zur Folge, dass Personen im Raum über Zeit lokal einer größeren Aerosolkonzentration ausgesetzt sein können“, schildert Hopfe und sagt weiter: „Die Systeme sind hilfreich, aber sollten unserer Meinung nach nur dann benutzt werden, wenn keine andere Belüftungsmöglichkeit zur Verfügung steht.“
Wartungsarm, leise, kostengünstig
Das Abluftsystem hat neben den oben genannten eine Reihe weiterer Vorteile: Es ist kein Eingriff in die Bausubstanz notwendig, das System hat keine Filter und braucht damit praktisch keine Wartung, es ist um einiges leiser und kostengünstiger als Luftfilteranlagen und im Vergleich zur natürlichen Belüftung sogar energiesparender. „Und der Bonus: Niemand muss beim Stoßlüften frieren“, so Hopfe. Den Aufbau und die Installation der Abluftanlage haben die Forschenden gemeinsam mit Studierenden der TU Graz gemacht und mit den Schülerinnen und Schülern des Sacré Coeur besprochen, „für die Kinder war das ein ganz spannendes Projekt“, sagt Christina Hopfe. Generell könnte das auch das jeweilige Hauspersonal der Schule übernehmen. „Es ist relativ simpel, diese Anlage aufzubauen und zu installieren. Die Bauteile gibt es im Baumarkt, und alles weitere haben wir in einem Video geschildert und in einer Schritt-für-Schritt-Anleitung dokumentiert, die in Kürze online veröffentlicht wird“, so die Bauphysikerin.
Zusätzlich zum Erklärvideo folgt unter www.coved.tugraz.at bis Mitte August 2022 eine Schritt-für-Schritt-Bauanleitung.
CO2-Konzentration als Indikator für Aerosolkonzentration
Zusätzlich zum Abluftsystem wurden die beiden Klassen auch mit einem CO2-Messgerät inklusive Ampelsystem ausgestattet. CO2 lässt sich weder riechen noch fühlen, schlechte Luft wird daher oft erst viel zu spät bemerkt, Schläfrigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sind die Folge. Dazu kommt: Je höher der CO-Gehalt im Raum ist, desto höher ist auch die Aerosolkonzentration. Die beiden Grazer Schulklassen haben daher einen CO2-Sensor inklusive Ampelanzeige bekommen, die mit entsprechender Farbgebung zeigt, wann mehr Frischluft nötig ist.
„Das Minimum wäre in unseren Augen eine konstante Überwachung der CO2-Konzentration in Schulen, Kindergärten und Universitätsgebäuden. CO2-Sensoren erkennen zwar keine Coronaviren, zeigen aber deutlich an, wann es Zeit zu Lüften ist. Und wie beim Fiebermessen gilt auch hier: Es muss nicht auf drei Nachkommastellen genau gemessen werden. Um beim Vergleich zu bleiben: Ob 39,7 oder 39,8 Grad Körpertemperatur, das ist fast dasselbe, nämlich jedenfalls hohes Fieber. Ähnlich mit der CO2-Konzentration: Steigt die in einen bestimmten Bereich (ab ca. 1000 ppm; parts per million), braucht es frische Luft. Es hat keinen Sinn, sich hier in der Frage der Messgenauigkeit zu verlieren“, betont Christina Hopfe.
Die Krux der Belüftung in Schulen
Schulen haben in Österreich meist eine natürliche Belüftungsstrategie, das bedeutet, gelüftet wird durch geöffnete Fenster. Das funktioniert im Alltag aber meist unzureichend, weiß Christina Hopfe: „Im Winter ist es vielen zu kalt für ein ausreichendes Stoßlüften, im Sommer ist es hingegen oft zu heiß und insgesamt ist es in vielen Klassenräumen durch den Straßenverkehr schlicht zu laut, wenn die Fenster geöffnet sind. In Schulen mit raumlufttechnischen Anlagen haben wir hingegen oft Mängel in Wartung und Betrieb festgestellt. Die Belüftung ist also selten ausreichend, und das war auch schon vor Corona der Fall.“