Geotechniker Roman Marte fordert seine Studierenden gerne heraus. Wenn nicht diskutiert und widersprochen wird, dann ist eine Lehrveranstaltung für ihn „eine fade Sache“.
Roman Marte, Leiter des Instituts für Bodenmechanik und Grundbau an der TU Graz.
„Wir beschäftigen uns mit allem, was in der Erde verschwindet“, erklärt Roman Marte, Leiter des Instituts für Bodenmechanik und Grundbau an der TU Graz, kurz und bündig seinen Fachbereich. Sein Wissen, seine Erfahrung und seine Liebe für die Geotechnik versucht er, an seine Studierenden im Bachelor- und Masterstudium weiterzugeben. Der passionierte Lehrende, mit starkem Hang zum Motivieren und Provozieren, erzählt im Interview, was für ihn eine gelungene Lehrveranstaltung ausmacht.
News+Stories: Sie wollen, dass sich ihre Studierenden intensiv an der Lehrveranstaltung beteiligen. Warum?
Roman Marte: Mir geht es in erster Linie darum, junge Menschen zu motivieren. Wenn man sich etwas selbst erarbeitet, statt nur einem Vortrag zu zuhören, dann merkt man sich viel mehr. Mir macht eine Vorlesung nur dann Spaß, wenn es Diskussionen und Fragen gibt. Ich liebe es, wenn mir die Studierenden widersprechen, mir nicht alles glauben und Ausführungen meinerseits in der Diskussion auch in Frage stellen.
Ich liebe es, wenn mir Studierende widersprechen.
Das fordert heraus, löst Diskussionen aus. Und manchmal kann es passieren, dass sie recht haben und ich nicht. Das ist zwar unangenehm aber so ist das dann halt.
Sie arbeiten mit Rollenspielen und Perspektivenwechsel – was kann man sich darunter vorstellen?
Roman Marte:Das mache ich primär in meiner Lehrveranstaltung „Case Studies in Foundation Engineering“, wo ich mit etwa 15 Studierenden reale Projekte und Problemstellung durcharbeite. Sie arbeiten in Gruppen und müssen im Zuge einer Projektbearbeitung dann zum Beispiel verschiedene Rolle einnehmen – Planungsbüro, Konkurrenz, Auftraggeberin oder Auftraggeber, Nachbarinnen oder Nachbarn, Juristinnen oder Juristen. Wir gehen das Projekt Schritt für Schritt durch und es werden immer wieder Lösungsvorschläge präsentiert und diskutiert. Im Laufe des Projekts wechseln dann immer wieder die Rollen und jeder muss sich neu hineindenken, die Perspektive wechseln. Ich selbst bin Zuhörer, Motivator, Diskussionsleiter, Provokateur und steuerndes Element. Sobald sich eine Gruppe traut, über ihren Schatten zu springen wird es unglaublich kreativ und unterhaltsam. Den Studierenden fallen manchmal Lösungen ein, an die ich selbst nicht gedacht habe, die aber wirklich gut sein können. Und sie lernen durch den Perspektivenwechsel, die Sichtweise anderer Projektbeteiligter, mit möglicherweise völlig konträren Interessen kennen und verstehen.
Ich selbst bin Zuhörer, Motivator, Diskussionsleiter, Provokateur und steuerndes Element.
Was ich ihnen zeigen will ist, dass zu einer erfolgreichen Projektverwirklichung noch viel mehr gehört als nur das rein Fachliche. Das man überzeugen muss, sich und seine Leistung verkaufen können muss und eine gute Idee nicht unbedingt zu einem erfolgreichen Projekt führt, wenn jemand geschickt dagegen arbeitet. Darauf will ich sie vorbereiten. Und ich möchte ihnen einerseits den Ernst des Berufes zeigen, aber gleichzeitig auch die Ernsthaftigkeit nehmen. Wir Geotechnikerinnen und -techniker sind oft mit unvorhersehbaren Schäden konfrontiert und werden in Probleme hineingezogen. Damit muss man umgehen und es bestmöglichst nach Feierabend auf der Baustelle zurück lassen können.
Sie haben jetzt eine kleine Gruppe beschrieben – in vielen Vorlesungen sitzen aber um die 100 Studierenden. Was kann man da machen?
Roman Marte: Bei unseren Grundlagenvorlesungen ist es genauso. Da kann man so etwas natürlich nicht machen. Aber ich versuche auch, den Monolog durch Fragen oder kleine Übungen zu unterbrechen. Oft stelle ich auch selbst Fragen, die die Studierenden mit Ja oder Nein beantworten müssen. Weiterdiskutieren tue ich dann aber oft mit den Studierenden, die sich für gar keine Antwort gemeldet haben, weil sie mir erklären müssen, welche Lösung es außer Ja oder Nein noch gibt. So kann man das Eis brechen – wenn die Studierenden zu lachen beginnen, ohne, dass es auf Kosten eines anderen geht. Manchmal führt mein Stil halt auch dazu, dass in den Evaluierenden kritisiert wird, dass es zu viele Diskussionen gibt oder ich den Lehrstoff nicht planmäßig durchbringe. Das kann passieren.
Manchmal führt mein Stil halt auch dazu, dass in der Evaluierung kritisiert wird, dass es zu viele Diskussionen gibt oder ich den Lehrstoff nicht planmäßig durchbringe. Dass kann passieren.
Warum liegt Ihnen dieser Stil in der Lehre, das Motivieren und Miteinbeziehen so sehr am Herzen?
Roman Marte: Wenn ich mich nur hinstellen und einseitig ohne Interaktion erzählen müsste, was es zu erzählen gibt, dann hätte ich hoffentlich den Mut und die Entschlossenheit aufzuhören. Dann habe ich im Hörsaal nichts mehr verloren. Es würde mir keinen Spaß machen, wenn es keine Diskussion und Interkation gibt. Ich habe nach meinem Studium eine Montessori-Ausbildung auf Kindergartenebene gemacht. Ich bin der Meinung, dass man die übliche Art der Lehre mit Kreativität und Motivation wesentlich optimieren könnte.
Gibt es Studierende, die damit nicht zurechtkommen?
Roman Marte: Natürlich. Es gibt immer welche, die ruhig sind, wenn man sie nicht direkt anspricht oder provoziert. Dann gibt es die, die je nach Lust und Laune einsteigen. Und dann gibt es ca. 15 Prozent, die mit vollem Herzen einsteigen. Was aber nichts über die fachliche Qualifikation aussagt. Meistens sind aber die, die am meisten auf die Diskussion einsteigen die, die sich am meisten für das Fach interessieren und die man dann auch überdurchschnittlich oft in den Vertiefungen wieder sieht.
Kontakt
Roman MARTE Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Institut für Bodenmechanik und Grundbau Rechbauerstraße 12 8010 Graz Tel.: +43 316 873 6230 roman.marte@tugraz.at soil.tugraz.at
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