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Wie (geschlechts)neutral kann Technik sein?

17.10.2016 | Face to face

Von Birgit Baustädter

Corinna Bath beschäftigt sich mit den Verflechtungen zwischen Technik und Geschlechterforschung. In einer dreimonatigen Gastprofessur wird sie sich auch an der TU Graz diesen Themen widmen.

Mathematikerin und Informatikerin Corinna Bath wird mehrere Monate in Graz tätig sein.


News+Stories: Warum braucht es die von Ihnen untersuchte Verknüpfung von Geschlechter- und Technikforschung? 

Corinna Bath: Es ist ein Fehler, davon auszugehen, dass es nicht in jedem noch so objektiven Forschungsgebiet letztendlich um den Menschen geht. Technische Artefakte werden immer von Menschen entwickelt – und in der Welt draußen verwendet. Wichtig ist, genau hinzuschauen, ob für bestimmte Gruppen – egal ob durch Geschlecht, Alter oder andere Kategorien definiert – die Nutzung eines Artefaktes erschwert oder für sie sinnlos ist. Und dem muss man gegensteuern und die tatsächlichen Nutzerinnen und Nutzer, ihre Bedürfnisse und Anforderungen so früh wie möglich in den Entwicklungsprozess miteinbeziehen. 

Wie beeinflusst „Geschlecht“ die Forschung? 

Corinna Bath: Es gibt zwei primäre Wege, wie ein Artefakt „vergeschlechtlicht“ wird. Zum einen, indem davon ausgegangen wird, dass ein Artefakt neutral für alle entwickelt werden kann. Zum Beispiel wurden in den 90er-Jahren bei der Entwicklung von Spracherkennungssystemen diese lediglich mit männlichen Stimmen getestet und das System konnte weibliche Stimmen gar nicht erkennen. Oder die Gurte in Autos, die überhaupt nicht auf die Bedürfnisse zum Beispiel von schwangeren Frauen ausgelegt sind. Zum anderen passiert eine Fehlentwicklung, wenn in Stereotypen gedacht wird. Die Automarke Dodge brachte beispielsweise in den 50er-Jahren das Modell „La Femme“ mit einem speziellen Design und einer „typisch weiblichen“ Farbgebung auf den Markt – und floppte damit nach nur kurzer Zeit. Oft wird einer bestimmten Gruppe auch eine gewisse Technikinkompetenz unterstellt und die Benutzung von Artefakten dadurch unglaublich erschwert. 

Aber macht der Einbezug von Diversitätsaspekten die Forschung nicht wesentlich komplizierter? 

Corinna Bath: Natürlich. Aber Technikentwicklung ist an sich schon komplex – warum sollen wir diese neue Herausforderung nicht annehmen? Zusätzlich werden die Themen Gender & Diversity auch in Förderanträgen immer wichtiger. 

Was genau werden Sie in Graz tun? Was sind Ihre Ziele? 

Corinna Bath: Als Gastprofessorin sehe ich es in erster Linie als meine Aufgabe an, für alle Fragen aus der Forschung und Lehre zu Geschlecht und Technik offen zu sein. Ich bin also für Anfragen von Studierenden, Forschenden oder Lehrenden sehr gerne erreichbar. Fix ist bisher, dass ich mich an dem Projekt „HumanEVoice“ am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation beteiligen und zwei Lehrveranstaltungen halten werde.

Information

Die Mathematikerin und Informatikerin Corinna Bath hat an der TU Braunschweig die Maria-Goeppert-Mayer-Professur für Gender, Technik und Mobilität inne und legt ihre Arbeitsschwerpunkte auf Geschlechterforschung in Maschinenbau und Informatik. Sie wird als Gastprofessorin von Oktober bis Ende Dezember an der TU Graz arbeiten, unter anderem die Lehrveranstaltungen „Everything You Always Wanted to Know about Gender, Nature and Technology... But Were Afraid to Ask: An Introduction to Gender Studies in STEM“ und „Are Algorithms Neutral? Gendering and De-Gendering of Computational Artifacts“ halten und sich im Forschungsprojekt „HumanEVoice“ einbringen.

Kontakt

Corinna BATH
Dr.-Ing. Prof.
Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation
Inffeldgasse 16c
8010 Graz
E-Mail: corinna.bath@tugraz.at