Unter
New Economy versteht Wikipedia „den Umstieg von einer auf Warenproduktion ausgerichteten Wirtschaftsweise zu meist webbasierten Dienstleistungen“. Im Klartext:
Spotify, Netflix und
Dropbox statt MP3-
Player,
DVD’s und
USB-Sticks. Dazu gehört natürlich jegliche Art von Dienstleistungen, zum Beispiel den Finanz- und Medizinbereich, Wohnen und Handel oder auch die
Automotivebranche. In all diesen Bereichen sind auch Start-ups aus Graz aktiv dabei.
Aber was steckt nun wirklich dahinter?
Wie ist es aktiv in einem Start-up und in den Strukturen der
New Economy mitzuwirken?
Durch interessante Gespräche mit
New-Economy-Experten und dem Besuch von diversen Veranstaltungen (zum Beispiel dem
Start-up-Spritzer in Graz) erweiterte ich mein
Know-how in diesem Gebiet. Fazit: Es geht darum, eine Idee zu konkretisieren und diese zu einem ertragreichen Geschäft (zumeist webbasierte Dienstleistung) auszubauen.
Die grundsätzliche Vorgehensweise, die sich bei den Veranstaltungen und den Gesprächen herauskristallisiert hat:
- Ideenfindung
- ein geeignetes Team finden
- Schutz von Intellectual Property
- erste Schritte zum konkreten Produkt
- Wachstum
- Finanzierung
- IT und Online-Marketing
- Skalierung und die anschließende Weltherrschaft ;)
Da ich als klassischer Maschinenbauer eher die Produktion im Auge hatte, implizierte das den Gedanken, dass der produzierende Bereich in den Hintergrund rückt und das große Geld nur im Internet und mit Dienstleistungen zu verdienen ist. Um noch mehr darüber zu erfahren, las ich Bücher/
Blogs und habe an Seminaren teilgenommen. Ich besuchte große Messen wie die
IAA in Frankfurt und die „K-2017“ (größte Kunststoffmesse Europas) in Düsseldorf. Jeder sprach davon, wie die
New Economy die Branchen verändern wird und sogar von Revolution war oftmals die Rede. Ich muss da an ein altes Sprichwort denken: „Nichts ist stetiger als der Wandel“ - aber wird es diesmal anders sein?
Meine Erfahrungen
Ich kannte Manuel Bruschi (
CEO des
Start-ups Timeular) privat schon länger und habe erfahren, dass er seit Juni 2015 an einer Idee arbeitet, welche die Arbeitszeiterfassung revolutionieren soll. Es handelt sich um einen 8-seitigen Würfel, den ZEIº, kombiniert mit einer
App. Im April 2016 ging es für ihn und seinen Partner für zwei Monate in einen
Hardware Accelerator nach Singapur, wo Produktentwicklung, Finanzierung,
Intellectual Property und Wachstum im Fokus standen.
Im Oktober 2016 wurde eine
Kickstarter-Kampagne gestartet, bei der sich 3.000 Unterstützer aus 70 Ländern fanden, die ein Budget von etwa 314.000 Euro für die Produktion des ZEI° zur Verfügung stellten. Auch ich habe war dabei. Die Auslieferung sollte im März 2017 starten.
Bei Kickstarter können junge Start-ups ihre Produkte bewerben und schon frühzeitig die noch nicht ganz ausgereiften Produkte günstiger an ihre Kunden verkaufen. Die Kickstarter-Kampagne kann man grob als Inhalt von Phase 5 sehen. Parallel dazu, war auch Phase 6 durch eine Venture-Capital-Finanzierung im 6-stelligen Bereich gedeckt. Die Investoren vom Venture-Capital-Fond unterstützen auch bei der Umsetzung von Phase 7-8.
Und jetzt kommt die Old Economy ins Spiel
Der April 2017 verging und mein ZEIº war noch nicht geliefert. Manuel Bruschi kannte meinen Werdegang und mein großes Interesse an seinem Unternehmen und wollte mich für die Produktion des ZEIs mit in seine Firma aufnehmen. Das damals sechs-köpfige
Team war zu diesem Zeitpunkt gerade auf einem mehrtägigen
Meeting in Marbella (Spanien) und wir vereinbarten einen
Skype-Termin. Wir besprachen in angenehmer Atmosphäre meinen Einstieg bei
Timeular und welchen Beitrag ich leisten kann, um das Produkt erfolgreich zu produzieren. Ich erzählte von meinen Erfahrungen im Umgang mit Lieferanten und welche Schwierigkeiten in der Produktion von
Hardware auftreten können. Es stellte sich schnell heraus, dass die von mir genannten Probleme (Liefer- und Produktionsprobleme), genau jene Schwierigkeiten sind, mit denen ihre ZEIº-Produktion kämpft und die Ursache für den Lieferverzug darstellt.

Nach Erfolgreicher Finanzierung über das Investment-Portal Kickstarter, gab es Produktions- und Lieferprobleme beim ZEI°, die aber mit neuer Unterstützung und einigen Umstellung in den Griff bekommen wurden.
Als nächstes besuchte ich das
Team in München, um alle kennenz lernen. Ich übernachtete auf der
Couch in einer Lagerhalle und am nächsten Tag ging es schon wieder retour nach Graz, wo ich mir nur wenige Tage Urlaub in meinem Vollzeit-Job genommen hatte. Ab diesem Zeitpunkt kümmerte ich mich um die Produktion,
Supply Chain und Logistik – also kurz gesagt darum, dass die Käufer ihr Produkt auch wirklich erhalten. Die Ziele waren klar: Die Produktion ins Laufen zu bringen, die Versorgungssicherheit der Zulieferteile zu erhöhen und einen zuverlässigen Distributor zu finden, der das Produkt rechtzeitig verschickt. Die Geschwindigkeit, mit der ich selbstständig entscheiden konnte, trug dazu bei, dass bereits Ende Juli 2017 alle
Kickstarter-Bestellungen an die Kunden verschickt wurden. Ein Umstieg von einem etablierten Logistiker zu einem jungen dynamischen Unternehmen namens Logsta, (steht für „
Logistik Rock Star“) in Wiener Neustadt, sorgte schlussendlich dafür, dass ab 2018 kein Kunde mehr seinen ZEIº zu spät erhalten hat.
Keine Trennlinie zwischen Beruf und Privatleben
Generell ist zu betonen, dass es keine klaren Trennlinien zwischen Beruf und Privatleben gibt, weil sich die Arbeit nicht wie Arbeit „anfühlt“. Ohne dieses
Mindset wäre es für mich auch nicht möglich gewesen, zu bestehen. Bei meinem Einstieg in
Timeular arbeitete ich noch 40 Stunden die Woche in meinen anderen Beruf und musste für die mehrtätigen
Meetings Urlaub nehmen. Seit September 2017, arbeite ich nur mehr vier Tage die Woche in der „
Old Economy“ – bei der AVL in Graz. Dort gefällt es mir auch. Hier wird die Zukunft der Fahrzeugtechnik entwickelt und man ist technologischer Vorreiter in der
Automotivebranche.

Ein Arbeits-Meeting im Grünen: Das Timular-Team trifft sich regelmäßig, um sich strategisch abzustimmen.
New Economy vs. Old Economy
Was die veränderte Arbeitsweise in der
New Economy für mich so besonders interessant macht:
Wir arbeiten
remote, also zumeist von zuhause aus und treffen uns dann zu mehrtägigen
Meetings, in denen die Strategie bearbeitet wird. Diese mehrtägigen Zusammenkünfte sind immer sehr produktiv und lustig: harte Arbeit, aber auch der Spaß kommt nicht zu kurz. Man lernt das
Team besser kennen und bekommt viel
Input von allen Kolleginnen und Kollegen, mit denen man sonst nur via
Skype oder
Mail kommuniziert.
Die
Tools der
New Economy heißen
Slack, Google Docs und
Hangouts. Diese und noch viele weitere Werkzeuge sind für die
Remote-Arbeit notwendig. Am Anfang waren diese vielen neuen Instrumente unübersichtlich für mich, aber man lernt schnell, damit umzugehen.
Von Beginn an traf ich selbstständig Entscheidungen, die Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen hatten. In
Old-Economy-Unternehmen wäre das undenkbar. Bei
Timeular werden strategische Entscheidungen rasch und unkompliziert getroffen, keine Politik und kein „Blabla um den heißen Brei“.
Das
Marketing findet ausschließlich
online über
Facebook, Google, diverse
Influencer, Blogs und ähnlichen Kanälen statt. Die Geschwindigkeit und die einfachen, weltweit wirksamen Steuerungsmöglichkeiten sind beeindruckend.
Transparenz und
Fairness haben einen großen Stellenwert. Jeder weiß, was der andere verdient, was die nächsten strategischen Schritte sind, kennt alle Schritte der Geschäftsführung und weiß, was an Investorinnen und Investoren kommuniziert wird.
Feedback und Kommunikation werden aktiv gefordert. Jeder, der eine gute Idee hat, kann und soll sich einbringen.
Nach mehr als einem Jahr bei
Timeular habe ich eine ganz andere Arbeitsweise kennen gelernt und bin überzeugt, dass sich gewisse Dinge der
New Economy auch in der
Old Economy durchsetzen werden. Es heißt auch: „Wenn der Mensch bereit ist, sind es die Dinge schon lange“.
Es zeigt sich, dass es keine klare Trennlinie zwischen
New und
Old Economy mehr gibt – die Grenze verschwimmt immer mehr. Ich bin davon überzeugt, dass beide voneinander lernen können und dies bereits tun. Was die proklamierte Revolution angeht, sehe ich das Ganze abschließend und als Fazit entspannt, denn am Ende bleibt die Physik die Physik und der Mensch der Mensch.