Reinhard Posch sitzt mit einem unlinierten Papierblock und einem schwarzen Kugelschreiber am Besprechungstisch seines Büros am TU Graz-Campus Inffeldgasse. Auf der ersten Seite sind in blauer Tinte kleine Doodles gemalt – so gar nicht, was man von einem Informatik-Experten der ersten Stunde erwartet hätte. Die Inhalte des Gesprächs weisen aber gleich in eine Richtung, die das umfassende Wissen, die vielfältigen beruflichen Stationen und die Begeisterung dieses Mannes erahnen lassen.
News+Stories: Wie sind sie an die TU Graz gekommen?
Reinhard Posch: Ich bin schon eine Ewigkeit hier. (lacht) Ich habe hier Maschinenbau studiert, weil es damals in Graz noch nicht einmal ein Mathematik-Studium gegeben hat. Sobald dies aber geändert wurde habe ich gewechselt. Damals hieß es, die Mathematik sei weniger reguliert als der Maschinenbau, der für mich eine sehr schulische Angelegenheit war. Die Mathematik sollte freier sein. Später habe ich mich dann für den informationstechnologischen Zweig entschieden und bin in die Informatik gerutscht.
Damals hieß es, die Mathematik sei weniger reguliert als der Maschinenbau, der für mich eine sehr schulische Angelegenheit war. Die Mathematik sollte freier sein.
Ich habe an einem Rechenzentrum im Straßenbau gearbeitet und wir waren damals die ersten, die IT im Straßenbau umgesetzt haben – das ging bis hin zur 3D-Planung. Sehr bald interessierte ich mich für Betriebssysteme. Es gab damals eine große Systemumstellung und ich sagte von Anfang an, dass das bevorzugte System mit der gewünschten Anlage nicht funktionieren wird. Hat es auch nicht. Ich habe dann aus herkömmlichen, handelsüblichen Bauteilen ein Gerät gebaut, das die notwendige Leistung erbracht hat und das Unternehmen war beeindruckt. So etwas habe ich öfters gemacht (lacht).
Sie sind einer der Begründer der Informatik an der TU Graz.
Reinhard Posch: Genau. Ich war damals sogar bei der Diskussion dabei, ob es überhaupt Informatik geben sollte. Gemeinsam mit Professor Hermann Maurer habe ich das damalige Telematik-Studium konzipiert und gestartet. Mir gefällt die Zusammenarbeit zwischen der Elektrotechnik und den Naturwissenschaften. Zuerst gab es nur ein Institut, wegen der enormen Größe wurde es aber bald geteilt. Wir (Anm. Institut für Angewandte Informationsverarbeitung und Kommunikationstechnologie) haben uns schnell entschieden, uns auf Sicherheit und insbesondere Verschlüsselungstechnik zu konzentrieren. Früh haben wir uns auch intensiv mit der Hardware-Umsetzung von Kryptographie beschäftigt und dabei mit namhaften Firmen kooperiert.
Wie kam es zu diesem Fokus?
Reinhard Posch: Das ist quasi aus einem Ganggespräch mit einem Kollegen aus Kanada – Paul Gillard – entstanden und hat sich so vor sich hin entwickelt. Manche Dinge ergeben sich einfach.
Manche Dinge ergeben sich einfach.
Wir sind auch sehr früh in die europaweite Forschung eingestiegen und haben uns als eines der ersten Institute an der TU Graz für EU-Programme und -Förderungen beworben. Das ist noch heute ein wichtiges Standbein.
Zusätzlich zu Ihrer Tätigkeit an der TU Graz sind Sie Chief Information Officer der Österreichischen Bundesregierung. Was kann man sich darunter vorstellen?
Reinhard Posch: Ich habe 2000 wohl den Mund zu voll genommen (lacht). Es gab damals eine Analyse zur Umsetzung eines gemeinsamen IT-Systems, das von der Bundesregierung bestellt wurde. Ich wurde als Experte um meine Meinung zu dem daraus entstandenen Vorschlag gebeten. Meine Antwort war: „In der Privatwirtschaft wird dieses Konzept funktionieren, aber nicht in der Verwaltung.“ Man hat mich beim Wort genommen – wenn ich schon so groß rede, dann solle ich es doch gleich umsetzen. Ich habe also ein System konzipiert und wollte, dass es jemand anderes umsetzt und betreut. Aber der damalige Kanzler meinte: „Wenn Sie es schon vorschlagen, dann setzen Sie es doch gleich selbst um.“ Und da war ich also: 2001 wurde ich in den Ministerrat ins Bundeskanzleramt gebeten und gefragt, ob ich nicht die Funktion des CIO übernehmen möchte. Ein Gremium mit mir als Leiter koordiniert die Länder und Ministerien in ihren IT-Vorhaben und versucht sicherzustellen, dass nicht jeder etwas anderes produziert. Und ich glaube, das ist sehr schön gelungen. Im Bereich eGovernment konnten wir uns EU-weit unter den damals 15 Mitgliedsstaaten an die erste Stelle setzen – heute sind freilich die Bewertungskriterien andere und wir werden uns wieder verbessern müssen.
Wenn Sie es schon vorschlagen, dann setzen Sie es doch gleich selbst um.
Für unsere Arbeit haben wir den Verein A-SIT gegründet. Das Gremium hat wegen der notwendigen Unabhängigkeit statt eines Amtes einen Verein gegründet zur Beratung in Sachen Sicherheit, Signatur und Zahlungsverkehr, an den sich alle öffentlichen und privaten Organisationen wenden können. Unser Ziel ist es, innovative Konzepte zu gestalten. Zum Beispiel ist das System hinter den Registrierkassen von der TU Graz im Rahmen des Vereins entwickelt worden.
Inwieweit verändert sich Ihre Arbeit, wenn es eine neue Regierung gibt?
Reinhard Posch: Gar nicht. Wir haben von Anfang an vereinbart, dass unsere internen Besetzungs-Perioden nicht mit den politischen Perioden zusammenfallen. So kommt es auch nicht dazu, dass mit einer neuen Regierung gleich ein neues Programm für uns kommt und die Kontinuität ist sichergestellt. Als CIO bin ich auch keiner Hierarchie eines Ministeriums zugeordnet, sondern berichte lediglich dem Kanzler und dem Vizekanzler, die im Normalfall von unterschiedlichen Parteien stammen. So ist auch eine gewisse Neutralität gegeben.
Wir haben von Anfang an vereinbart, dass unsere internen Besetzungs-Perioden nicht mit den politischen Perioden zusammenfallen.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen?
Reinhard Posch: Im eGovernment ist es die Koordination der strategischen Elemente und das Gesamtbild. Und auch das „Not invented here“ (Anm. wenn Systeme zugekauft wurden), was dazu führt, dass jedes Ministerium anders arbeitet. Die Ministerien sind ja nach wie vor völlig autonom und haben sich nur freiwillig zur gemeinsamen Arbeit verpflichtet. Nicht die effizienteste Variante ist die Herausforderung, sondern eine Form zu finden, die bei allen funktioniert. Die vielen Ebenen sind ebenfalls schwierig – Länder, Gemeinden, Sozialversicherung.
Auch in den Hochschulen ist Digitalisierung ein großes und wichtiges Thema. Vor welche Herausforderungen stellt uns das als Universität?
Reinhard Posch: Digitalisierung, Cloud etc. sind kein Selbstzweck sondern ein Beitrag, Internationalisierung von Lehre und Forschung zu erleichtern sowie Effizienz der Verwaltung zu steigern. Im Tagesgeschäft und mit den oft konservativen Strukturen wird dieser Aspekt oft zu wenig beachtet. Die TU Graz hat sich daher zu einem Forcieren der Digitalisierung bekannt und verfolgt unterstützt durch das Ministerium dabei das Ziel, eine Vorzeigeuniversität in Österreich zu werden. Die Erfahrungen aus der Tätigkeit des CIO des Bundes können dabei sehr hilfreich sein.
Digitalisierung, Cloud etc. sind kein Selbstzweck sondern ein Beitrag, Internationalisierung von Lehre und Forschung zu erleichtern sowie Effizienz der Verwaltung zu steigern.