Was macht ein Gebäude „smart“? Ist es die Gebäudetechnik? IT vom Keller bis zum Dachboden oder die durchdachte bauliche und gestalterische Auslegung auf den Menschen und seinen Alltag im und um Gebäude? „Ein smartes Gebäude weiß dank entsprechender Sensorik und den damit generierten Daten, was in ihm und rundherum passiert, eine übergeordnete künstliche Intelligenz passt den Gebäudebetrieb je nach definierten Zielvorgaben automatisch an – so die Kurzfassung“, sagt Gerald Schweiger. Er forscht am Institut für Softwaretechnologie der TU Graz an intelligenten Energiesystemen und sieht Gebäude neben der Mobilität als Paradeanwendung für Smart Things.
Sensorik als Basis
Drei Grundvoraussetzungen müsse ein Gebäude erfüllen, um in die Nähe der Kategorie „Smart Building“ zu rücken. Das erste Muss: installierte Sensorik. „Zunächst brauchen wir detailliere Daten über den Betrieb des Gebäudes, dazu zählen Raumluftqualität, also Temperatur, Luftfeuchte und CO2-Wert; dann noch der Energieverbrauch, der Wasserverbrauch, die Energieerzeugung aus Photovoltaik und so weiter. Dafür braucht es Sensorik, die als Basis jedes smarten Gebäudes Umgebungsinformationen sammelt“, sagt Gerald Schweiger. „Gebäude sollen zukünftig aktive, intelligente Akteure in einem übergeordneten Energiesystem sein; um dies zu ermöglichen benötigen wir eine bidirektionale Kommunikation in Echtzeit mit realen Gebäuden, d.h. passive Verbraucher*innen werden zum aktiven Prosumern, also jemand, der sowohl Energie produziert als auch verbraucht.“
Mit dem Messen und Datensammeln alleine ist es freilich nicht getan: „Der nächste Punkt auf der Checkliste eines smarten Gebäudes ist die Auswertung der Daten, um Fehler automatisch zu erkennen, den Betrieb zu monitoren sowie optimal zu regeln. Ich will ja die Temperatur nicht nur messen, sondern bei Bedarf auch automatisch vorausschauend regeln können.“ Für die Erzeugung, Bereitstellung und Auswertung dieser großen Datenmengen werden innovative Lösungen benötigt; Internet of Things-Technologien sind eine solche Lösung - sie sind das Rückgrat und ein Enabler dieser intelligenten Systeme.
Smart ist das Gebäude damit noch immer nicht: „Mit den beiden Grundvoraussetzungen können wir messen und automatisch regeln – die Frage ist dann nur: Was wird wann und in welchem Ausmaß geregelt. Die Fäden müssen also irgendwo zusammenlaufen. Eine übergeordnete Intelligenz, die nach definierten Zielvorgaben die Regelung übernimmt und Fehler automatisch erkennt, macht das Gebäude dann aus meiner Sicht erst smart“, so Schweiger.
Eine Zielfunktion kann zum Beispiel der maximale Userkomfort sein, unabhängig von Energieverbrauch. „Oder aber ich will umgekehrt den Energieverbrauch des Gebäudes bestmöglich mit Energie aus eigenen Quellen abdecken oder passe meinen Energieverbrauch tagesaktuell an den Energiepreis an, im Zweifelsfall auch zulasten des Komforts“, erläutert der Forscher, der darin eine große Optimierungsaufgabe sieht. „Eine übergeordnete Intelligenz koordiniert dafür verschiedenste Sub-Modelle und entscheidet, an welchen Reglern sie sozusagen wann drehen muss, um eine Zielvorgabe einzuhalten. Und im besten Fall gibt es darauf aufbauend eine userfreundliche Visualisierung, die mir alle Vorgänge in Echtzeit auf Dashboards anzeigt.“
Campuseigenes „Living Lab“
Insgesamt konstatiert Schweiger einen eher inflationären Umgang mit dem Begriff „smart“, insbesondere in Bezug auf Gebäude. „Was als smart building bezeichnet wird, grenzt zum Teil schon an Etikettenschwindel. Man stellt sich die Dinge gerne einfach vor und überholt damit gerne auch die Realität. In Wahrheit sind wir noch nicht so weit wie das manche glauben oder vorgeben; im Bereich der Forschung und Entwicklung gibt es noch viele offene Fragestellungen“. Zur Bearbeitung dieser Fragen unter realen Bedingungen dient der Campus Inffeldgasse der TU Graz: Als „Innovation District Inffeld“ ist der Campus eine Art Living Lab für Energiesysteme der Zukunft. Einen Ursprung hat der „Innovation District Inffeld“ im Projekt INFRAMONITOR, das die Wasser- und Energieversorgung ausgewählter TU Graz-Gebäude in Echtzeit überwacht und visualisiert. Das von Gerald Schweiger geleitete und gemeinsam mit der TU Graz-Abteilung „Gebäude und Technik“ betriebene Projekt zeigt vor, wie eine Internet of Things-Plattform die Echtzeitkommunikation zwischen Gebäuden, verschiedenen Anlagen und dem Personal ermöglicht und eine übergeordnete künstliche Intelligenz den Energie- und Wasserverbrauch optimiert und überwacht.